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https://www.sueddeutsche.de/sport/qualifikation-hamilton-auf-die-pole-1.2617565
mlsum-de-9601
Auch nach der Sommerpause bleibt Weltmeister Lewis Hamilton der Qualifikationskönig der Formel 1. Vettel landet abgeschlagen auf Rang neun.
Lewis Hamilton ist weiter der König der schnellen Runde: Der Weltmeister steht beim elften Rennen der Formel-1-Saison zum zehnten Mal auf der Pole Position. Der WM-Spitzenreiter verwies im Qualifying zum Großen Preis von Belgien am Sonntag (14.00 Uhr) wieder einmal seinen Mercedes-Teamrivalen Nico Rosberg auf den zweiten Platz. Dritter wurde der Finne Valtteri Bottas im Williams-Mercedes. Für Hamilton war es bereits die 48. Pole Position seiner Karriere. "Ich bin sehr glücklich heute", sagte Hamilton, "mein Ziel war die Pole, meine letzten beiden Runden waren die besten, die ich das ganze Wochenende hatte." Ärger wegen Ballerei mit Maschinengewehr Der Engländer hatte zuletzt im Internet für einigen Wirbel gesorgt. In einem Video auf Instagram ballert er auf einem Schießstand mit einem Maschinengewehr herum, das Video trägt den Titel "Zielübung". In zahlreichen Kommentaren wird der zweimalige Champion dafür von Usern zum Teil übelst beschimpft. Der Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzende Niki Lauda, 66, sagte dazu der Bild: "Ich kenne den Lewis gut und weiß, dass er sich nichts Böses dabei denkt. Aber ich werde ihn sofort bitten, dass er das Video aus dem Internet nimmt." Vettel versinkt im Mittelfeld Ferrari-Pilot Sebastian Vettel enttäuschte im entscheidenden dritten Qualifikations-Durchgang und belegte nur Rang neun. "Ich hatte keinen groben Fehler in der letzten Runde, habe mich kurz vor der Zielgeraden ein bisschen verbremst, ohne das wäre ich vielleicht Achter, maximal Siebter gewesen, mehr war heute nicht drin", sagte er. Wegen einer Fünf-Plätze-Strafe gegen den viertplatzierten Franzosen Romain Grosjean (Lotus) geht der viermalige Weltmeister von Rang acht aus ins erste Rennen nach der Sommerpause. Vettels Teamkollege Kimi Räikkönen, dessen Vertragsverlängerung für 2016 vor dem Rennen in Belgien bekannt gegeben worden war, hatte wieder einmal Pech. Im Q2 musste der Finne seinen Ferrari auf der Strecke ausrollen lassen. "Irgendetwas ist gebrochen", funkte der letzte Weltmeister im Ferrari sofort in die Box. Unglücklich auch der Auftritt von Le-Mans-Gewinner Nico Hülkenberg: Während sein Force-India-Teamkollege Sergio Perez (Mexiko) souverän in die Top Ten fuhr, verpasste der Emmericher um 56 Tausendstelsekunden das Q3. 105 Strafplätze für McLaren Fast schon bizarr gestaltet sich der Auftritt von McLaren-Honda an diesem Wochenende. Für den mehrfachen Wechsel des Motors und weiterer Komponenten kassierten die beiden Ex-Weltmeister Fernando Alonso und Jenson Button zusammen eine Strafe von 105 Plätzen, die sie in der Startaufstellung nach hinten versetzt. Aber weil in der Formel 1 in diesem Jahr nur 20 Piloten dabei sind, starten die beiden einfach aus der letzten Startreihe. In der Qualifikation belegten sie Platz 17 und 18. In der WM-Wertung liegt Hamilton 21 Punkte vor Rosberg (202:181), Vettel hat nach seinem Sieg in Ungarn als Dritter 160 Zähler auf dem Konto.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-integration-ohne-rohrstock-1.2798080
mlsum-de-9602
CSU und CDU fordern ein Integrationspflichtgesetz. Das ist Brimboriums- und Symbolpolitik. Wichtiger wäre etwas ganz anderes.
Arifa K. hat im Integrationskurs nicht die notwendigen Leistungen erbracht; ein Zertifikat kann ihr nicht erteilt werden. Bei der Ausländerbehörde wird daher nun die Abschiebung der Arifa K. angeregt". So oder so ähnlich mögen sich manche in und außerhalb der CSU die praktische Umsetzung eines von der Union geforderten "Integrationspflichtgesetzes" vorstellen: Wer der Integrationspflicht ungenügend nachkommt, wird bestraft; die Sanktionen reichen von Leistungskürzungen bis hin zur Abschiebung. Integrationsdefizite künftig strafbewehrt? Derlei Pläne kommen den Leuten entgegen, die einen Rochus auf Flüchtlinge haben und fordern, dass man ihnen zeigen müsse, wo der Bartl den Most holt. Solche Forderungen verzeichnen freilich die derzeitigen Probleme auf groteske Weise; diese Forderungen erwecken nämlich den Anschein, es fehle überwiegend am Integrationswillen der Flüchtlinge. Das Gegenteil ist richtig: Es gibt, wie Organisatoren und Lehrkräfte der Kurse berichten, einen schier überbordenden Lernwillen. Es gibt aber zu wenig Kurse, es gibt zu wenig Lehrkräfte; und die Volkshochschulen, die das Gros der Kurse anbieten, werden finanziell kurz gehalten. Die Flüchtlinge sind zum Herumhängen gezwungen Viele Flüchtlinge haben schon auf der Flucht per Handy-App sich Grundzüge des Deutschen beizubringen versucht und sind bitter enttäuscht, wenn sie dann von den Kursen ferngehalten werden, weil sie der deutsche Staat nach Aschenputtel-Manier sortiert: Integrationskurse dürfen nur Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Iran und Eritrea besuchen. Alle anderen müssen bis zum Abschluss des Asylverfahrens warten. Bis dahin ist viel Zeit vertan, sind die Flüchtlinge zum Herumhängen gezwungen - wenn nicht ehrenamtliche Kräfte das fehlende staatliche Integrationsangebot ersetzen. Die CSU will, dass künftig eine formelle Integrationsvereinbarung zwischen dem Staat und dem Flüchtling getroffen wird, auch die CDU hatte dies jüngst auf ihrem Parteitag beschlossen: Der Staat soll mit dem Flüchtling einen Vertrag über seine Rechte und Pflichten abschließen. Das ist Brimboriums- und Symbolpolitik; aber Symbole müssen ja nichts Schlechtes sein. Ein solcher Vertrag verpflichtet auch den Staat, das Seine zu tun: Deutschkurse kann der Flüchtling schließlich nur dann besuchen, wenn es sie für ihn gibt. Integration funktioniert nicht per Rohrstock, sondern mit Angeboten und Anreizen. Der größte Anreiz besteht schon jetzt und in Zukunft darin, dass derjenige, der die Integrationskurse erfolgreich abgeschlossen hat, eine gesicherte Aufenthaltserlaubnis erhält. So ist es nach dem Zuwanderungsgesetz von 2005. Und es ist auch jetzt schon so, dass es Maßregeln gibt, wenn sich jemand aus eigener Schuld den Förderungsangeboten entzieht; das muss man nicht noch weiter ausbauen. Ausbauen muss man die staatlichen Angebote; und es sollte auch das Niveau der Integrationskurse angehoben werden. Integration ist nicht zuletzt eine Pflicht der Gesellschaft gegenüber sich selbst.
https://www.sueddeutsche.de/sport/berlin-marathon-den-weltrekord-zertruemmert-1.4131846
mlsum-de-9603
Eliud Kipchoge rennt in Berlin die bisherige Bestmarke scheinbar mühelos in Grund und Boden. Seine 2:01:39 Stunden bedeuten eine aberwitzige Steigerung um 1:18 Minuten - seine schnellste Phase hat er ausgerechnet am sogenannten "toten Punkt".
Eliud Kipchoge hielt sich beim Jubeln bemerkenswert zurück, er freute sich eher still, ohne große Gesten, ohne sich aufzuplustern, sich auf die Brust zu klopfen. Als der 33 Jahre alte Marathonläufer aus Kenia mit einem neuen Weltrekord ins Ziel lief, schlug er zuerst die Hände vors Gesicht, sank auf die Knie, bekreuzigte sich, erst dann gingen beide Daumen nach oben. So, als ob er die Zeit, die er hingelegt hatte, noch nicht realisiert habe. In 2:01:39 Stunden hatte Kipchoge ja nicht nur eine neue Bestmarke aufgestellt - er hatte die alte richtiggehend zertrümmert, jene 2:02:57, die sein Landsmann Dennis Kimetto 2014 ebenfalls in Berlin errichtet hatte. Immerhin sah man dem introvertierten Kipchoge die tiefe Zufriedenheit mit dem Erreichten an. Als er später über das Rennen sprach, erlebte man einen in sich ruhenden und mit breitem Lächeln ausgestatteten Athleten. Einen Läufer, der seinen Status als Bester seines Faches gefestigt hatte, bei seinem Erfolg aber auch immer wieder auf andere verwies. Ein ums andere Mal sagte Kipchoge, er sei "dankbar" - seinem Team, seinem Trainer Patrick Sang, den er gleich nach dem Zieleinlauf umarmte, den Zuschauern, den Organisatoren. Es hätte nur noch gefehlt, dass er seinen Schuhsohlen dankte, dafür dass sie in diesem Jahr standhaft blieben. Vor drei Jahren hatten sich gleich zu Beginn des Berlin-Marathons die Innensohlen seiner Schuhe gelöst und waren herausgerutscht - der bereits damals angestrebte Weltrekord war dahin. 2017 konnte Kipchoge auf den regennassen Straßen von Berlin die Zeit wieder nicht knacken. Aber in diesem Jahr passte endlich alles. Kipchoge startete gleich in der angekündigten Geschwindigkeit, der alten Weltrekordzeit immer ein paar Schritte voraus. Zu Beginn hatte Wilson Kipsang, der am Ende Dritter wurde, noch Sichtkontakt, doch dann lief Kipchoge mit seinen Tempomachern ein eigenes Rennen. "Das Tempo vorne war mir heute zu schnell", sagte Kipsang später, immerhin selbst mal Weltrekordhalter. Bei Kilometer 15 stiegen bereits zwei von Kipchoges Wegbereitern aus, bei Kilometer 19 zeigte der letzte Begleiter Verbissenheit. Das Lauftempo war einfach zu hoch. Die Halbmarathon-Marke passierte Kipchoge nach 61:06 Minuten, Weltrekordkurs. "Es war gut, zur Hälfte im Plan zu sein", sagte Kipchoge, "das ist der Punkt, an dem Marathon beginnt." Ab Kilometer 25 musste Kipchoge komplett ohne Tempomacher auskommen, was aber nicht weiter schlimm gewesen sei, wie er hernach sagte. Er offenbarte jedenfalls keinerlei Probleme, souverän und nahezu unberührt stapfte er voran, Kilometer für Kilometer in konstantem Tempo, ohne irgendwelche Einbrüche oder Schwächephasen. Seine schnellsten fünf Kilometer lief er zwischen dem 30. und 35., da, wo die Läufer normalerweise an einen toten Punkt gelangen und kämpfen müssen. Doch selbst in der Endphase des Rennens hielt Kipchoge scheinbar mühelos durch, er lief flüssig durch das Brandenburger Tor und setzte sogar noch einen Schlussspurt an. Er verbesserte den Weltrekord schließlich um 1:18 Minuten, seit einem halben Jahrhundert ist die Bestmarke der Männer nicht mehr um eine derart große Spanne gesteigert worden; als erster überhaupt bewältigte er die 42,195 Kilometer in weniger als 2:02 Stunden. Diese Zeit ist in einer eigenen Liga, abgekoppelt vom Rest der Welt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/china-wieviel-deng-ist-in-xi-1.4188584
mlsum-de-9604
Vor vierzig Jahren begann die Politik der Öffnung. Aber China unter Präsident Xi ist großspurig und rüde. Eine One-Man-Show.
Schöne Worte, schöne Bilder und im Zentrum ein Mann: Staats- und Parteichef Xi Jinping. Wer regelmäßig die chinesischen Hauptnachrichten sieht, ist das gewohnt, sozialistische Propaganda pünktlich um 19 Uhr, das allabendliche Xi-Jinping-Spektakel. Die Sendung Ende vergangener Woche war allerdings selbst für die abgehärtetesten Zuschauer gewöhnungsbedürftig, ganze 22 Minuten dauerte der erste Beitrag: Xi auf Reisen in Südchina - eine Huldigung. Er schüttelte Hände, besuchte Unternehmen und sprach salbungsvoll: "Ich komme wieder nach Shenzhen, damit wir der Welt erklären können: Chinas Reform und Öffnung wird niemals aufhören." Was für ein Ort, was für eine Symbolik. Vor 40 Jahren war Shenzhen nicht mehr als eine Ansammlung von Dörfern an der Grenze zu Hongkong, Reisfelder, saftige Wiesen; genau zwei Ingenieure lebten damals hier, ansonsten Bauern und Fischer. Heute hat die Stadt mehr als zehn Millionen Einwohner, fast 17 Prozent aller chinesischen Start-ups sind in der Region registriert. Beinahe ein Wunder. Vor vierzig Jahren begann die Politik der Öffnung. Heute ist sie kaum mehr als Propaganda Der Mann des Erfolgs: Deng Xiaoping. Genau 40 Jahre ist es nun her, dass Chinas Reformpatriarch nach dem Tod Mao Zedongs und dem Ende der desaströsen Kulturrevolution die Volksrepublik wieder an die Weltwirtschaft ankoppelte. Er versuche, den Fluss zu überqueren, indem er vorsichtig nach Steinen im rauschenden Wasser taste, so beschrieb Deng seine Politik einmal. Kein "Big Bang", sondern Pilotprojekte; zunächst in einer Stadt, dann in einer Region und schließlich im ganzen Land. Shenzhen war die erste Sonderwirtschaftszone Chinas. Danach genehmigte Deng lokalen Behörden, Firmen zu gründen, ausländische Unternehmen kamen ins Land. Hersteller, die in der Volksrepublik produzieren wollten, mussten mit einem Partner zusammenarbeiten. Die Gewinne wurden geteilt und verblieben zum Großteil in China. Die Folge: weitere Investitionen. Aus einem der ärmsten Länder der Welt ist so die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde geworden. Ohne Dengs behutsame Öffnung stünde China nicht dort, wo es jetzt ist, und Präsident Xi könnte keine Start-ups besuchen, sich als Widergänger Dengs inszenieren. Doch wie viel Deng steckt wirklich in Xi? Der alte Deng war ein Meister der leisen Töne, sich auf China konzentrieren, auf der internationalen Bühne möglichst wenig Profil zeigen, das war seine Philosophie. Bloß kein Chaos mehr und keinen blinden Führerkult, wie in den Mao-Jahren. Deng war es, der sich in den Achtzigerjahren für eine Verfassungsänderung einsetzte, die die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Wahlperioden begrenzte. Xi hat das im Frühjahr abgeräumt, wenn er möchte, kann er für immer an der Macht bleiben. China hat sich unter seiner Führung stark verändert, es ist nationalistischer, großspuriger und rüder geworden. Eine One-Man-Show. Die Öffnungspolitik wird noch immer beschworen in den Zeitungen, im Rundfunk, auf Parteitagen. Es ist kaum mehr als Propaganda. Der Höhepunkt der Inszenierung: Anfang 2017 reiste Xi nach Davos zur Jahreshauptversammlung der globalen Wirtschaftselite. Dort er hielt er eine Rede, die man sich vom gerade erst gewählten US-Präsidenten Donald Trump erhofft hätte: Kooperation statt Abschottung. Freihandel statt Strafzöllen. Ein friedliches Miteinander statt nationaler Alleingänge. Es waren fromme Sätze. Heute steht die Welt vor einem Handelskrieg und mittendrin: China.
https://www.sueddeutsche.de/sport/tischtennis-ein-sieg-nahe-einer-sensation-1.3745537
mlsum-de-9605
Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov erlebt eine der besten Phasen seiner Karriere: Bei den German Open schlägt er jetzt schon Chinesen - und zwar nicht irgendwie.
Man kann im globalen Spitzentischtennis den dominanten Chinesen eigentlich nicht aus dem Weg gehen. Sie lauern überall. Dimitrij Ovtcharov hat es trotzdem zehn Monate lang geschafft. Deutschlands bester Spieler hat in diesem Jahr schon die Indian Open, die China Open, die Bulgarian Open, die Swiss Open und den prestigeträchtigen World Cup gewonnen, außerdem hat er bei der Einzel-Weltmeisterschaft in Düsseldorf mitgespielt - und kein einziges Mal hat er bei all diesen hochkarätigen Wettbewerben einen der starken Chinesen am anderen Ende des Tisches stehen gehabt. Das hatte unterschiedliche Gründe: In Indien, Bulgarien und in der Schweiz haben keine Chinesen mitgespielt, bei ihrem Heimturnier in Chengdu haben sie verbandsintern gegen die Absetzung ihres Nationaltrainers Liu Guoliang gestreikt, bei der Weltmeisterschaft in Düsseldorf hat Ovtcharov bereits im Achtelfinale gegen den Japaner Koki Niwa verloren - und beim World Cup in Lüttich hatte sein Endspielgegner Timo Boll zuvor in überragender Manier die beiden Chinesen Lin Gaoyuan und Ma Long eliminiert. Ovtcharov schien dieses Jahr bislang ein Günstling zu sein - aber am Samstag, als damit Schluss war, hat er bewiesen, in welch bestechender Form er ist. Er hat den Chinesen Yan An im Achtelfinale binnen 32 Minuten gedemütigt. In Magdeburg werden an diesem Wochenende die German Open ausgespielt. Sie gehören zur sechsteiligen World-Tour-Platinum-Serie, auf der es um Punkte für die World Tour Grand Finals Mitte Dezember in Astana/Kasachstan geht, sowie insgesamt um - für Tischtennis-Verhältnisse - extrem viel Geld. Auf der World Tour sind also auch die Chinesen zu Gast. Sie spielen außerhalb Asiens sonst eigentlich nur bei Olympia und bei der WM mit, aber in Magdeburg waren seit Freitag gleich fünf Chinesen am Start. Nach seinem 4:1-Erstrundensieg gegen den Ungarn Bence Majoros traf Ovtcharov am Samstagnachmittag im Achtelfinale also auf Yan An - seinen ersten Chinesen in einem großen Turnier in diesem Jahr. Am Sonntag wartet eine noch höhere Hürde Yan An, 24 Jahre alt, Nummer 14 der Weltrangliste, hatte dieses Jahr die Hungarian Open in Budapest gewonnen und kürzlich bei den Austrian Open in Linz erst im Endspiel gegen seinen Landsmann Lin Gaoyuan verloren. Yan An ist ein Weltklasse-Mann, aber er gehört nicht zu den vier, fünf stärksten Chinesen. Trotzdem grenzte es an eine Sensation, wie deutlich Ovtcharov gegen ihn gewonnen hat: Beim 4:0 (8, 8, 5, 6) gönnte er Yan An bloß 27 Punkte. Es war eine Demonstration der Stärke. Am Abend im Viertelfinale blieb dem Weltranglisten-Dritten Ovtcharov ein weiterer originärer China-Repräsentant zunächst erspart. Während Timo Boll gegen den Chinesen Lin zum zweiten Mal binnen eines Monats 4:1 gewann, siegte Ovtcharov gegen den für den Verband Hongkong startenden Chun Ting Wong mit 4:2. Dass Ovtcharov hier nicht bereits auf einen weiteren Chinesen getroffen ist, lag daran, dass Wong im Achtelfinale jenen Portugiesen besiegt hatte (Tiago Apolonia), der in der ersten Runde überraschend deutlich den früheren Weltmeister und Olympiasieger Zhang Jike eliminiert hatte. Um 24 000 Dollar Siegprämie geht es in Magdeburg. Ovtcharov, 29, erlebt eine der besten Phasen seiner Karriere. Ein halbes Jahr, nachdem er bei der Heim-WM in Düsseldorf enttäuschenderweise bereits im Achtelfinale gescheitert war, übernimmt er am Montag die Führung in der World-Tour-Rangliste und spielt im Dezember in Astana um 100 000 Dollar Siegprämie. Die Chinesen werden sich ihm am Sonntag in Magdeburg noch einmal prüfend in den Weg stellen. Im Halbfinale am Sonntagmittag erwartet ihn bereits der topgesetzte Fan Zhendong. Aber Ovtcharov hat eindrucksvoll bewiesen, dass er zwischen der stärksten Tischtennis-Nation der Welt und Konkurrenz anderer Provenienz keinen dramatischen Unterschied mehr machen muss. Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov haben den Kampf gegen die Chinesen richtig aufgenommen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlinge-in-schleswig-holstein-buergermeister-rebellieren-gegen-erstaufnahmestelle-1.2710201
mlsum-de-9606
Unter der Flüchtlingskrise leiden vor allem die Kommunen, klagen Lokalpolitiker. In Schleswig-Holstein haben sie nun die Pläne für ein Containerdorf durchkreuzt - indem sie dem Land das Gelände einfach weggekauft haben.
Hier bestimmen wir: Diese Botschaft senden elf Dörfer aus Schleswig-Holstein in diesen Tagen ziemlich deutlich an das Innenministerium ihres Landes. Die Gemeinden im Landkreis Herzogtum Lauenburg durchkreuzten in einer gewieften Aktion die Pläne des Landes, auf dem Gelände der Großraumdiskothek "Ziegelei" in Rondeshagen eine Erstaufnahmestelle für 1500 Flüchtlinge zu errichten. Der Fall zeigt, dass in der Flüchtlingskrise zwischen Kommunen und einer um rasche Lösungen bemühten Regierung eine Menge schiefgehen kann - und dass Lokalpolitiker inzwischen bereit sind, drastische Mittel zu ergreifen, wenn sie sich überrumpelt fühlen. Die Bürgermeister fühlten sich übergangen Das zuständige Amt Berkenthin kaufte Disco-Besitzer Sigurd Sierig das Gelände, auf dem ein Containerdorf entstehen sollte, kurzerhand für eine Million Euro ab. Die Dörfer wollen dort nun selbst Flüchtlinge unterbringen. "Verkäufer und Käufer waren sich einig, dass die elf Gemeinden des Amtes Berkenthin ein gutes Konzept, insbesondere zur Betreuung und Integration von Flüchtlingen, haben", teilt Amtsvorsteher Karl Bartels in einer Erklärung mit. Das Amt möchte nun auf dem Gelände der Diskothek Mehrfamilienhäuser bauen. Berkenthin und die Umlandgemeinden müssen in diesem Jahr 128 und im kommenden Jahr 158 Flüchtlinge versorgen. Das sind weit weniger, als das Land Schleswig-Holstein dort unterbringen wollte. 1500 Flüchtlinge sollten in dem Containerdorf leben. Die Pläne des Innenministeriums waren vergangene Woche öffentlich geworden und auf großen Widerstand gestoßen. Die Bürgermeister der anliegenden Gemeinden fühlten sich zu spät informiert und vor allem nicht ausreichend konsultiert. Sie bemängelten zum Beispiel die Trinkwasserversorgung auf dem Gelände. "Für uns ist das ein schwieriger Spagat. Ich sehe mich nicht in der Lage, über noch nicht konkretisierte Vorhaben zu informieren. Das würde Unruhe schaffen und dazu führen, dass wir zu keinem Ergebnis kommen", begründete Innenstaatssekretärin Manuela Söller-Winkler (SPD) vergangene Woche, warum die Gemeinden nicht früher informiert wurden. Ein "Desaster" für die Landesregierung Dass ihr das Amt Berkenthin nun das Gelände für die geplante Flüchtlingsunterkunft vor der Nase weggeschnappt hat, dürfte sie in dieser Einschätzung bestätigen. Die Opposition in Kiel spricht von einem "Desaster". Hinter der Geschichte aus Schleswig-Holstein steckt ein Konflikt, der an immer mehr Orten in Deutschland ausbricht. Auch der Brief von 215 Bürgermeistern aus Nordrhein-Westfalen an Kanzlerin Angela Merkel zeigt, wie überfordert sich manche Kommunen fühlen. Häufig werden Klagen laut, die Lokalpolitiker dürften überhaupt nicht mitreden, wie Flüchtlinge untergebracht würden. Dabei seien sie es, die mit der Situation vor Ort klarkommen müssten, hieß es zuletzt zum Beispiel in Erding. Für die Landesregierungen und den Bund ist die Situation aber auch nicht leicht. Denn große Erstaufnahmelager wie das, das Schleswig-Holstein auf dem Gelände der "Ziegelei" plante, stoßen vor Ort nur selten auf Begeisterung. Noch dazu muss es angesichts steigender Flüchtlingszahlen manchmal schneller gehen, als sich das Bürgermeister und Anwohner wünschen. Die Kommunen davon zu überzeugen, trotzdem ein paar Tausend Flüchtlinge aufzunehmen, ist da nicht leicht. Das kann auch mal schiefgehen - wie der Fall des verhinderten Containerdorfs auf dem Disco-Gelände zeigt. Die Innenstaatssekretärin muss sich nun auf die Suche nach anderen Standorten machen. Denn die Flüchtlinge kommen ja trotzdem nach Schleswig-Holstein. Mit mehr als 60 000 Flüchtlingen bis Jahresende rechnet das Innenministerium für 2015. 2014 waren es gerade einmal 7600. Wenn das Beispiel "Ziegelei" Schule macht, dann hat nicht nur Schleswig-Holstein ein Problem.
https://www.sueddeutsche.de/politik/kunst-zum-rekordpreis-trophaee-der-oligarchen-1.3752112
mlsum-de-9607
Der Verkauf eines angeblichen Da-Vinci-Gemäldes drückt keine Wertschätzung für das Werk aus. Die Kunst gerät so für Superreiche zum Unterscheidungs­merkmal.
So vieles kann man tun mit 450,3 Millionen Dollar. Den Hunger in Jemen, im Südsudan, in Somalia, Nigeria lindern etwa, dafür veranschlagte das Internationale Rote Kreuz vor einiger Zeit 400 Millionen Dollar. Oder in Berlin 30 Schulen, allesamt komplette Sanierungsfälle, zu zeitgemäßen Lernorten machen. Auch eine mittelgroße Philharmonie, wie die in Paris, bekäme man für dieses Geld. Stattdessen bezahlte ein Unbekannter, vielleicht auch ein Konsortium, 450,3 Millionen Dollar auf einer Auktion in New York für ein kleinformatiges Christusgemälde. Der "Salvator Mundi", Weltenretter, soll von dem Renaissance-Meister Leonardo da Vinci stammen. Nun gibt es tatsächlich Kunst, die von unschätzbarem Wert ist. Es sind Werke aus allen Kulturen, die das Sehen, Denken, Fühlen der Menschheit geprägt haben, durch die sie wurde, was sie ist. Zweifelsohne gehören Gemälde Leonardo da Vincis in diese Kategorie, etwa das Abendmahl in Mailand oder die Mona Lisa im Louvre. Also erscheint es erst einmal folgerichtig, dass ein neu entdecktes Werk Leonardos einen Ausnahmepreis erzielt, der alle bisherigen Auktionsrekorde übertrifft. Doch dieser Preis bildet gerade keine Wertschätzung für die Kultur ab. Vielmehr zeigt er, wie sehr sich der Reichtum im globalen Maßstab verselbständigt hat. Geld kann nicht mehr nur alles kaufen, es kann auch mitbestimmen, was der Rest der Welt für richtig oder falsch hält. Das schlichte Christusgemälde hat wenig gemein mit den großen menschenfreundlichen Ideen der Renaissance. Es ist nach Meinung unabhängiger Experten vielleicht ein Bild von Leonardos Gehilfen oder Nachfolgern, nicht aber gänzlich von ihm selbst. Eine kaum bedeutende Holztafel also wurde in einer beispiellosen PR-Kampagne wider besseren Wissens zum Meisterwerk verklärt, damit ein Milliardär oder eine Gruppe Superreicher nun mit dem ultimativen Statussymbol angeben kann. In der Welt mancher Oligarchen bezweckt Kunst nicht Erkenntnis oder Selbstbesinnung und ist auch kein Mittel, um die Welt zu einer humaneren zu machen. Sondern sie ist allein dafür da, sich abzusondern von allen anderen, also der Gesellschaft. Denn kaum etwas ist so rar wie ein Meisterwerk Leonardo da Vincis in Privatbesitz. Den Hunger nach solchen einmaligen Werken bedient ein immer hochpreisigerer internationaler Markt. Bei Bedarf finden sich hier auch Möglichkeiten für Geldwäsche und Steuerhinterziehung. So tauchten in den von der SZ veröffentlichten Panama Papers wertvolle Gemälde auf, die in Steuerfreihäfen versteckt werden, andere befinden sich in Offshore-Firmen. Wer Kultur zur Privatsache macht, zerstört ihre Grundlage Wichtige Kunstwerke verschwinden so in der Unsichtbarkeit. Andere, wie der "Salvator Mundi", sind nicht so wichtig, werden aber aus monetären Gründen zu Hauptwerken der Menschheit hochgedeutet. Das kann nur gedeihen, weil es ja tatsächlich einen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, wie bedeutend Kunst und Kultur für das Zusammenleben sind. Dieser Konsens ist in Museen zu besichtigen, die allen zugänglich sind, er ist in Bibliotheken nachzulesen, wird auf Theaterbühnen aufgeführt. Er handelt vom Gemeininteresse, das Kultur trägt und ausmacht. Kunst ist deshalb so stark, weil sie in ihrer Geschichte und Gegenwart nicht nur für den Einzelnen da war und ist, sondern über die Jahrhunderte vielen dient. Diesen Anspruch der Öffentlichkeit auf eine Kunst für alle gilt es nun gegenüber den sehr vermögenden Nutznießern zu verteidigen. Wer die Kultur zur absoluten Privatsache erklärt, sie auf ihren Handelscharakter reduziert, aus ihr ein Mittel der Unterscheidung macht, zerstört letztlich die Grundlage dieser Kultur. Er verkennt, dass sich Kunst eben nicht in ihrem Geldwert erschöpft, ja, dass sie niemandem, auch nicht Gutwilligen je alleine gehören kann. Sie braucht das Gespräch von vielen, die sich in ihr wiedererkennen oder auch nicht. Leonardo da Vincis originale Werke sind auf Dialog ausgerichtet, sie verlangen ihren Betrachtern ab, sich mit ihnen und der Welt auseinanderzusetzen. Deshalb gehören sie in einem demokratischen Staat in öffentliche Museen - die dann auch ernsthaft die Qualität prüfen. Wer Kunst und Kultur finanziell unterstützen möchte, kann etwas für das Gemeinwohl tun, kann Werke Museen leihen oder schenken, Literatur und Musik, Theaterstücke und Filme fördern. Dies einzufordern ist Sache der Bürgerinnen und Bürger, und es ist Sache des Staates, Mäzene mit einer entgegenkommenden Steuergesetzgebung zu ermutigen. Man muss, wie es jetzt in New York geschehen ist, die Preistreiberei nicht noch bewundern. Was gut ist, entscheidet die Gesellschaft, nicht das Geld.
https://www.sueddeutsche.de/politik/diplomatische-ohrfeige-juncker-lehnt-telefonat-mit-tsipras-ab-1.2509105
mlsum-de-9608
Jean-Claude Juncker ist verärgert über den griechischen Premier. Wie eine Sprecherin bestätigte, weigerte sich der Chef der EU-Kommission, mit Alexis Tsipras zu telefonieren. Es gebe "nichts zu diskutieren".
"Keine Fortschritte" EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat eine Bitte von Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras, noch am Samstag zu telefonieren, zurückgewiesen. Das bestätigte eine Sprecherin der EU-Kommission. Als Begründung hieß es, es gebe keine Fortschritte in den Gesprächen mit den Gläubigern und der EU. Die Regierung in Athen habe eine für Donnerstag zugesagte Liste mit Reformvorschlägen noch nicht vorgelegt. "Es gab keine neuen Entwicklungen und damit auch nichts zu diskutieren", fügte ein Kommissionsvertreter hinzu. Zuvor waren Berichte über das abgelehnte Telefonat von einem nicht namentlich genannten Vertreter der griechischen Regierung dementiert worden. Der unbeantwortete Anruf sei ein "Märchen", hieß es. "Der griechische Vorschlag ist und bleibt auf dem Tisch. Wir warten auf die Kommentare der Institutionen". Ungewöhnliche Brüskierung Dass Juncker die Verweigerung des Telefonats öffentlich macht, ist ungewöhnlich. Juncker und Tsipras hatten am Mittwoch in Brüssel über einen Kompromissvorschlag der Geldgeber beraten. Am Freitag war Tsipras erneut in Brüssel erwartet worden, aber nicht gekommen. Stattdessen hatte er im Parlament in Athen die Reformliste der Euro-Zone und des Internationalen Währungsfonds (IWF) als absurd zurückgewiesen. Seine Regierung werde dem "unter keinen Umständen" zustimmen, sagte Tsipras mit Blick auf die Forderungen von EU und IWF, unter anderem durch Rentenkürzungen weitere drei Milliarden Euro einzusparen. Zugleich hatte er aber gesagt, eine Einigung sei nahe wie nie. "Wir wissen, dies ist Teil des Theaters, aber wir müssen nicht in jedem Akt des Dramas mitspielen", sagte der Kommissionsvertreter. Der mögliche Kompromiss Juncker, Tsipras und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hatten am vergangenen Mittwoch Kompromisslinien für ein Reformpaket ausgelotet, das Voraussetzung ist für die Auszahlung blockierter Hilfsgelder von insgesamt 7,2 Milliarden Euro. Juncker drang vor allem gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf eine einheitliche Linie beim wichtigen Primärüberschuss (Budgetüberschuss vor Zinszahlungen). Die Geldgeber bieten jetzt jetzt für das laufende Jahr ein Prozent an, nach drei Prozent zuvor. Mit dem, was die Institutionen (Kommission, IWF, Europäische Zentralbank) anböten, müsste man bis Ende März 2016 nicht mehr auf neue Mittel aus nationalen Haushalten zugreifen, hieß es. Die Zeit für Athen wird knapp: Nach dem Zahlungsaufschub durch den IWF muss Griechenland bis zum 30. Juni etwa 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Am 30. Juni läuft das zweite Rettungspaket der internationalen Geldgeber aus. Telefonat mit Merkel und Hollande Ein Gespräch nicht abgelehnt haben offenbar Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Hollande. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte einen Bericht, wonach der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras noch am Abend vor dem Beginn des G-7-Gipfels mit den beiden telefonierte. Wie es aus Kreisen der Regierung in Athen hieß, vereinbarten die drei Politiker, sich am Mittwochabend in Brüssel am Rande des EU-Gipfels mit den Ländern Lateinamerikas und der Karibik zu treffen. Auch beim G7-Gipfel wird es um Griechenland gehen Die Rettung Griechenlands dürfte auch besonderen Raum beim G7-Gipfel einnehmen. Am Rande des Spitzentreffens wird es mit Sicherheit Gespräche über die äußerst angespannte Finanzlage des Krisenlandes geben, berichteten Diplomaten kurz vor dem am Sonntag beginnenden Gipfel. In der Krise sei der Westen entschlossen, Einigkeit zu zeigen. Die Front der G7-Partner sei "recht geschlossen". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfängt auf dem bayerischen Schloss Elmau die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen. Neben Deutschland gehören dazu Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, Kanada und die USA. Juncker wird in der Elmauer Spitzenrunde neben EU-Ratspräsident Donald Tusk als EU-Vertreter sitzen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-duell-zwischen-theresa-may-und-andrea-leadsom-1.3067898
mlsum-de-9609
Den britischen Konservativen steht ein harter Wahlkampf um die Nachfolge von Premier Cameron bevor. Die Tories im Parlament hoffen auf einen Erfolg Theresa Mays - doch die Parteibasis könnte sich für Andrea Leadsom entscheiden.
Ginge es nach der Mehrheit der konservativen Abgeordneten im britischen Parlament, wäre der Kampf um den Parteivorsitz bereits vorbei. 199 von 330 Tories haben sich am Donnerstagabend für Innenministerin Theresa May ausgesprochen. Das letzte Wort in der Frage, wer den Vorsitz und damit das Amt der Premierministerin übernimmt, haben jedoch die 150 000 Mitglieder der Partei, die bis zum 9. September darüber entscheiden, wer die Nachfolge von David Cameron antritt. Mays Gegenkandidatin ist Andrea Leadsom, Staatsministerin im Energieministerium, für die 84 Abgeordnete votierten. Der dritte Bewerber, Justizminister Michael Gove, kam auf lediglich 46 Stimmen und scheidet damit aus dem Rennen. Dass May trotz ihres gewaltigen Vorsprungs nicht sicher sein kann, den Posten zu übernehmen, liegt daran, dass es bei den Konservativen eine Diskrepanz zwischen der parlamentarischen Fraktion und der Basis gibt. Die Fraktion ist mehrheitlich für den Verbleib in der EU, was einer der Gründe dafür ist, dass Theresa May bei der Abstimmung so gut abgeschnitten hat. Sie hatte sich für die Mitgliedschaft in der EU ausgesprochen. Zwar gilt sie nicht als sonderlich europhil, aber sie wollte zum einen loyal zu Premierminister Cameron sein und war zum anderen der Ansicht, dass letztlich die Vorteile der Mitgliedschaft überwiegen. Die Basis der Konservativen ist hingegen überwiegend EU-skeptisch, fast 60 Prozent der Tory-Wähler haben für den Austritt gestimmt. Daher ist das Rennen noch längst nicht entschieden, ganz gleich wie groß Mays Unterstützung in der Fraktion ist. Den Tories steht nun ein harter Wahlkampf bevor. Befürworter und Gegner der EU betonen, es sei an der Zeit, nicht mehr in den Kategorien zu denken, wer für den Austritt war und wer dagegen. Stattdessen müsse man sich darauf konzentrieren, die Partei zu einen. Doch die Debatte darüber, wer künftig an der Spitze der Partei steht, wird in genau diesen Kategorien entschieden. May hat versprochen, sich an das Votum der Bürger zu halten, doch trauen ihr viele europaskeptische Wähler nicht ganz, zumal sie betont, es nicht eilig damit zu haben, den Austrittswunsch der Briten offiziell in Brüssel zu hinterlegen. Das mag politisch sinnvoll sein, weil die neue Regierung zunächst klären müsste, worüber sie in den Austrittsverhandlungen konkret sprechen will, doch Teile der Basis vermuten dahinter eine Verschleppungstaktik. Zum zweiten Mal in der britischen Geschichte wird eine Frau an der Spitze der Regierung stehen Mays Team war immer klar, dass ihr Werben für den Verbleib in der EU ihr größtes Problem im nun beginnenden Kampf um die Gunst der Mitglieder ist. Dabei war es egal, ob sie gegen Leadsom oder Gove würde antreten müssen, die sich beide vehement für den Austritt aus der Union eingesetzt haben. Dass es nun Leadsom geworden ist, gilt in Mays Lager als die weniger günstige Variante. Zwar verfügt die 53 Jahre alte Leadsom über vergleichsweise wenig Erfahrung im Parlament, in das sie erst 2010 gewählt wurde, zudem war sie nie Mitglied des Kabinetts. Doch gilt sie bei den europaskeptischen Wählern als glaubwürdig, nicht zuletzt, weil sie versprochen hat, den Austritt aus der EU noch im September einzuleiten, falls sie Premierministerin werde. Gegen Gove hätte May es wohl leichter gehabt, weil diesem weite Teile der Partei wirklich übel nehmen, dass er dem ehemaligen Londoner Bürgermeister Boris Johnson erst seine Unterstützung im Kampf um den Vorsitz zusicherte, um dann in letzter Minute doch selbst anzutreten. Am Mittwochabend versuchte er noch einmal, die Fraktion mit der Geschichte für sich einzunehmen, wie er adoptiert worden ist. "Mein richtiger Name ist nicht Michael", erzählte er. Damit bezog er sich darauf, dass ihn seine leibliche Mutter Graham genannt hatte, seine Adoptiveltern sich aber für den Namen Michael entschieden. Ein Abgeordneter rief: "Nein, dein Name ist Brutus." Das führte zu einiger Heiterkeit. In den kommenden Wochen stimmt die Basis darüber ab, wer den Vorsitz der Partei übernehmen soll. So oder so wird zum zweiten Mal in der Geschichte des Vereinigten Königreichs eine Frau an der Spitze der Regierung stehen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-staedte-fordern-wohnbau-initiative-1.2799973
mlsum-de-9610
Bund und Länder sollen helfen, die Flüchtlinge unterzubringen. Ein Aktionsbündnis will 400.000 neue Wohnungen jährlich.
Die deutschen Städte fordern wegen der Flüchtlingskrise eine Wohnungsbau-Offensive von Bund und Ländern. "Der Bedarf an Wohnraum und an Integrationsangeboten für die Menschen, die bei uns bleiben werden, ist immens", warnte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse, am Dienstag. Ein Bündnis von 29 Verbänden und Organisationen der Bau- und Immobilienbranche brachte unter anderem Steueranreize für Neubauten ins Gespräch. Einer Umfrage der Zeitung Die Welt zufolge rechnen die 16 Bundesländer im kommenden Jahr mit Flüchtlingsausgaben von mindestens 17 Milliarden Euro. So plane allein Nordrhein-Westfalen mit Kosten von vier Milliarden Euro, Bayern kalkuliere mit 3,31 Milliarden Euro und Baden-Württemberg mit 2,25 Milliarden Euro. Die realen Ausgaben dürften aber noch darüber liegen, weil mehr Flüchtlinge kamen als prognostiziert. Dem Städtetag zufolge sind die deutschen Kommunen teilweise an ihrer Leistungsgrenzen gekommen. Deshalb müssten Bund und Länder den sozialen Wohnungsbau ankurbeln, damit schnell genug bezahlbarer Wohnraum für Flüchtlinge und die einheimische Bevölkerung zur Verfügung stehe. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge kamen in diesem Jahr eine Million Flüchtlinge nach Deutschland, so viel wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. In den Gemeinden wachsen dem Städtetag zufolge die Sorgen, wie Kindertagesstätten und Schulen den Zustrom bewältigen sollten. Es werde darauf ankommen, sowohl die Bedürfnisse der Hilfesuchenden als auch die Anliegen der Einheimischen zu berücksichtigen, sagte der Vizepräsident des Verbandes und Nürnberger Oberbürgermeister, Ulrich Maly. Die 29 in der Aktion "Impulse für Wohnungsbau" zusammengeschlossenen Verbände forderten, 2016 müsse zu einem Wohnungsbaujahr in Deutschland werden. Um den Druck auf dem Immobilienmarkt abzufangen, müssten über mehrere Jahre 400 000 Wohnungen jährlich gebaut werden. So seien zusätzlich zum aktuellen Wohnungsbau jährlich bis zu 80 000 Sozialmietwohnungen und weitere 60 000 bezahlbare Wohnungen in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten zu errichten. Dem Bündnis gehören etwa der Deutsche Mieterbund und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) an.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kuka-midea-sichert-sich-86-prozent-1.3087210
mlsum-de-9611
Die chinesische Firma Midea hat eine deutliche Mehrheit an Kuka erworben. Der Augsburger Roboterhersteller spielt deshalb künftig nur noch eine Nebenrolle auf dem Parkett.
- Der Augsburger Roboterhersteller Kuka ist nach dem Übernahmeangebot des Hausgeräte-Konzerns Midea zu fast 86 Prozent unter chinesischer Kontrolle. Midea-Chef Paul Fang nannte den Erfolg der 4,5 Milliarden Euro schweren Offerte am Mittwoch einen "wichtigen Meilenstein bei der Erweiterung der Partnerschaft mit Kuka, die große Vorteile für beide Unternehmen bietet". An der Börse wird Kuka damit eine kleinere Rolle spielen. Nach Berechnungen von Reuters steigt der Konzern im September aus dem Nebenwerteindex MDax ab, weil nur noch wenige Aktien frei handelbar sind. Steigt der Anteil der Chinesen in der bis zum 3. August laufenden Nachfrist auf mehr als 90 Prozent, müsste sich Kuka sofort aus allen großen Börsenindizes verabschieden. Kuka-Chef Till Reuter hatte gehofft, auch mit Midea als Großaktionär eine möglichst breite Aktionärsbasis zu behalten. Das Angebot aus China war aber zu verlockend für die meisten Kuka-Anteilseigner. Als auch der schwäbische Anlagenbauer Voith (25,1 Prozent) und der hessische Unternehmer Friedhelm Loh (10 Prozent) verkauften, war der Bann gebrochen. 72,2 Prozent der Kuka-Aktionäre dienten Midea ihre Anteilsscheine an, 13,5 Prozent hatten die Chinesen bereits gehalten. Sie hatten ihr Übernahmeangebot nur unter die Bedingung gestellt, auf mehr als 30 Prozent zu kommen. "Wir wollen Kuka dabei helfen, zu wachsen und das Geschäft, vor allem in China, auszubauen", erklärte Fang. Die Übernahme hatte eine Debatte um den Abfluss deutscher Technologie nach China ausgelöst. Doch die Suche nach einem Alternativangebot für Kuka aus Europa blieb erfolglos. Die Bundesregierung behält sich aber noch vor, die Übernahme nach dem Außenwirtschaftsgesetz zu prüfen, wie eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte. Reuter hält das für eine Formsache. Schließlich sei Kuka in Deutschland nicht in den Bereichen Rüstung und Sicherheit aktiv, für die das Gesetz gedacht sei. Midea hatte den Kuka-Anteilseignern mit 115 Euro je Aktie einen kräftigen Aufschlag auf den Börsenkurs geboten. Trotz der hohen Annahmequote haben die Chinesen zugesagt, Kuka nicht von der Börse zu nehmen und dem deutschen Partner mindestens bis Ende 2023 seine Unabhängigkeit zu belassen. Doch der Abschied der Aktie aus dem MDax nach fünf Jahren ist absehbar.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rente-reform-kommentar-1.3912643
mlsum-de-9612
Um die Altersversorgung künftig zu sichern, sind weitere Reformen nötig. Wenn nichts geschieht, leiden Beschäftigte und Arbeitgeber.
Es ist ein Kulturwandel nötig im Umgang mit älteren Arbeitnehmern - in der Wirtschaft ebenso wie in der neuen Regierung. Hubertus Heil war schon öfter für höhere Aufgaben im Gespräch. Nun hat der SPD-Politiker einen der einflussreichsten Jobs der Republik. Seine ersten Äußerungen als Arbeitsminister klingen vorsichtig, angenehmerweise: Er fängt ja erst an. Auch Heils Hinweis, er habe als Sohn einer Alleinerziehenden sozialen Abstieg selbst erlebt, erscheint passend. Die SPD stellte zuletzt nicht immer unter Beweis, dass sie an die Schwächeren in der Gesellschaft denkt. Ganz und gar reflexhaft wirkt nur eine Aussage von ihm: "Mit mir wird es keine Erhöhung des Rentenalters geben." An dieser Stelle meint man fast zu hören, wie ihn seine Vorgängerin Andrea Nahles erinnert: "Denk dran, Hubertus, sofort die Rente mit 70 ablehnen!" Die designierte SPD-Chefin verweist stets auf ihren Vater, den Maurer, der schon mit 73 starb: "Wenn mir da einer mit Arbeiten bis 70 kommt, werde ich sauer." Nahles formuliert nur besonders vehement, worin sich alle Parteien links wie rechts einig sind: Bloß keine Debatte über längeres Arbeiten! Diese ganz große Koalition ist ebenso bedauerlich wie Heils frühe Festlegung. Das Ruhestandsalter maßvoll anzuheben, wäre ein wichtiges Element in einem Gesamtplan, die Rente zu sichern. Es ist ja so: In der nächsten Zeit verändert sich das Land dramatisch, weil bis in die 2030er-Jahre die Babyboomer in Ruhestand gehen. In anderthalb Dekaden kommen auf jeden über 64 nur noch zwei Bürger im typischen Arbeitsalter statt drei wie heute. Wie lässt sich das finanzieren? Einfach entsprechend das Ruhestandsgeld zu kürzen, findet wohl niemand gut. Schon gar nicht die SPD, die das Rentenniveau stabil halten möchte. Sollen es also Beschäftigte und Arbeitgeber allein ausbaden? Ihr Rentenbeitrag würde von unter 20 in die Nähe von 30 Prozent steigen. Auch eine stärkere Finanzierung über Steuern müssten vor allem sie bezahlen. Falls nichts geschieht, wird es genau so kommen - grob unfair. Eine spätere Rente muss keine Schreckensvision sein Eine gerechte Reform dagegen verteilt die Belastungen. Sie sammelt Geschenke an die heutigen Senioren wie den vorzeitigen Ruhestand mit 63 wieder ein. Sie lässt Staatsdiener angemessen für ihre Pension vorsorgen. Sie lässt die Deutschen etwas länger arbeiten. Und in diesem Gesamtpaket erhöht sie dann auch Beitrag und Steuern, aber eben nicht nur. Ein späteres Ruhestandsalter muss keine Schreckensvision sein. Wer heute 65 wird, hat im Durchschnitt noch 20 Jahre zu leben. Und er ist - genauso wie sie - meist fitter als vorangehende Generationen. Viele Beschäftigte möchten länger arbeiten, mit reduzierter Stundenzahl ausschwingen. Selten aus Not, meist wegen des Dazuverdienstes, des Spaßes oder der sozialen Kontakte. Wenn die Gesellschaft allein dieses freiwillige Potenzial nutzt, statt Arbeitsverträge zum Einheitsdatum zu terminieren, ist schon viel gewonnen. Modellprojekte in Firmen zeigen, dass einige Beschäftigte längeres Arbeiten für sich entdecken, wenn sie es gestalten dürfen und gefördert werden. Die Erfahrung der Älteren gegen den Fachkräftemangel In einem allerdings haben die Skeptiker recht, die wie Andrea Nahles die Maurer und Dachdecker anführen. Manche Beschäftigte können einfach nicht so lange tätig sein. Bevor sie das Ruhestandsalter erhöht, müsste eine Regierung die krankheitsbedingten Frührenten so ausgestalten, dass sie nicht mehr für so viele Menschen in Armut enden. Ein Plan, den die große Koalition ohnehin verfolgt und nur ausbauen müsste. Und noch etwas ist als Voraussetzung unverzichtbar: Mehr Gesundheitsprävention in den Betrieben, die Beschäftigte nicht nur länger arbeiten, sondern auch länger leben lässt. Kombinieren ließe sich das mit Angeboten an Arbeitnehmer, sich weiter zu qualifizieren, um rechtzeitig von besonders belastenden Tätigkeiten in andere umzusteigen. Solche Ideen haben übrigens weniger mit einem gewerkschaftlichen Wunschkonzert zur Humanisierung der Arbeitswelt zu tun, als mancher denkt. Die deutschen Unternehmen klagen beredt über Fachkräftemangel, sie sehen das Beschäftigtenheer demografiebedingt schwinden. Da bietet es sich doch an, sich die Erfahrung älterer Arbeitnehmer möglichst lange zu sichern, in dem sich die Firmen vom Ruhestand mit Einheitsdatum verabschieden - und darin investieren, ihre Beschäftigten besonders lange arbeitsfähig und -willig zu halten. Schon wahr: Betrachtet man, wie Unternehmen bislang meist mit älteren Arbeitnehmern und erst recht Arbeitslosen umspringen, wäre dies ein ziemlicher Kulturwandel. Aber genau dieser ist wegen der Alterung nötig - in der Wirtschaft ebenso wie in der neuen Regierung.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/senioren-videospiele-altenheim-1.4221697
mlsum-de-9613
In hundert Pflegeeinrichtungen in Deutschland werden ab sofort Videospiele getestet, die auf Senioren zugeschnitten sind: von Pingpong über Kegeln bis zur Sonntagsausfahrt auf dem Motorrad.
Die Digitalisierung soll in der Pflege künftig einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert bei der Prävention einnehmen. Neben dem Kinder- und Erwachsenen-spiel erfreute sich auch das Seniorenspiel zuletzt größter Beliebtheit. Als solches konnte es in familiären Gemeinschaften beobachtet werden. Beim Kartenspiel war dabei stets auf gut sichtbare Zahlen und Symbole, beim Brettspiel auf nicht zu kleine Würfel und gut greifbare Spielsteine zu achten. Als besonders beliebt galten neben generationsübergreifenden Sing-, Bastel- und Ratespielen vor allem Domino, Rommé, "Fang den Hut" und "Spitz, pass auf". Doch da wird man nun umdenken müssen. An bundesweit 100 Pflegeeinrichtungen werden ab sofort seniorengeeignete Videospiele getestet. Dabei wird älteren Menschen vom Pflegepersonal eine Karte mit "pseudonymisiertem" QR-Code umgehängt, anhand derer der Computer erkennen soll, für welchen Spieler er welches Spiel bereitstellt. Denn nichts wäre für die moderne Geriatrie fataler als zum Beispiel einen Herzpatienten am (digitalen) Pingpong-Tisch schwitzen oder einen Schlaganfall-Patienten auf dem (digitalen) Post-Fahrrad Briefe austragen zu lassen. Im Pressetext der Krankenkasse, die das Projekt begleitet, heißt es dazu: "Beim Spielen mit der Memorebox werden die Bewegungen der Spielenden über die Kinect-Kamera in das Spiel übertragen. Es kann sowohl im Stehen als auch sitzend (z.B. im Rollstuhl) gespielt werden." Reaktionszeiten und Fehlerzahlen werden dokumentiert und können anschließend vom Fachpersonal ausgewertet werden. Entwickelt wurde die Box von einem Start-up mit dem zukunftsweisenden Namen "Retrobrain". Eine der Überlegungen: Wer heute 80 Jahre alt ist, dürfte seine schönste Zeit in den Sechzigerjahren gehabt haben. Während des (digitalen) Kegelspiels ist der seinerzeit beliebte Schlager "Am Golf von Biskaya" von Freddy Quinn zu hören. Eine anleitende Stimme entspricht dabei akustisch dem Typ "sympathischer Schwiegersohn". Im Gegensatz zu jugendlichen Gamern sind Altenheim-Gamer meist weiblich. Die Digitalisierung werde in der Pflege künftig einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert bei der Prävention einnehmen, erklärte dazu der Vertreter einer erfolgreichen Altenheimkette, die das Projekt unterstützt. ‹ › Mithilfe von Videospielen sollen Senioren agil bleiben. Die Senioren bekommen einen QR-Code und auf sie zugeschnittene Spiele. Die Bewegungen der Senioren werden dann über eine Kamera auf den Bildschirm übertragen. Videospiele wie dieses, die "Sonntagsfahrt", sollen die Gewichtsverlagerung trainieren... ‹ › ... beim "Tischtennis" wird die Hand-Augen-Koordination geübt (genau wie beim echten Ping Pong). ‹ › Die Videospiele für Senioren werden von dem Start-Up "Retro Brain" bereitsgestellt und simulieren alltagsnahe Situationen, wie etwa das Austragen von Post. ‹ › Das Videospiel "Kegeln" soll die Bewegungsfähigkeit der alten Menschen trainieren. Während des Kegelns hört man die Songs "Am Golf von Biskaya" von Freddy Quinn, "Das Glück ist ein seltsamer Vogel" von Patrick Lindner und "Die schönen Tränen des Laurentius" von den Wildecker Herzbuben. Wird geladen ... Bleibt nur noch die Frage, ob man als älterer Mensch wirklich in einer Welt leben will, in der man etwa aus Mangel an Pflegekräften im Aufenthaltsraum vor einem Flachbildschirm zum Gaming abgestellt wird, bevor einen der Heimroboter aufs Töpfchen setzt. Falls nicht, so hätte sich das mit der Prävention dann eh erledigt.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/golf-schnitzel-mit-pommes-1.3554552
mlsum-de-9614
Felix Neureuther zieht bei seinem Ausflug in die Golfwelt viel zu warme Kleidung an, Martin Kaymer bereitet sich auf die BMW Open mit Schnitzel und Pommes vor.
Felix Neureuther stand da, als sei er gerade viermal hintereinander Achterbahn gefahren. "Martin hat ganz gut gespielt", sagte der Skiprofi, der sich an diesem Mittwoch auf anderes Terrain gewagt hatte. Anlässlich der am Donnerstag beginnenden BMW International Open nahm er am Pro-Am-Turnier teil, bei dem Amateure mit je einem Golfprofi pro Vierergruppe zusammenspielten. "Ich war so clever, mir eine lange Hose und kein helles Hemd anzuziehen", geißelte sich Neureuther, dem folglich nach 18 Löchern bei saharahaften Temperaturen nicht nur der chronisch anfällige Rücken zu schaffen machte. Ein Schwung missglückte ihm derart, dass der Ball eine neben dem Platz stehende Frau am Oberschenkel traf. Das dürfte Martin Kaymer nicht passieren, trotz ebenfalls unorthodoxer Vorbereitung. Der 32-Jährige verriet, was er nach seiner Rückkehr von den US Open, wo er 35. wurde, als Erstes getan hatte: Mit Freunden fuhr er zu einer Strandbude am Starnberger See, um Schnitzel mit Pommes zu essen. Mit Sicherheit aber wird Kaymer seinen Ernährungsplan wieder etwas umstellen, seine erste Runde bestreitet Deutschlands bester Golfer ab 8.40 Uhr (Abschlag an Bahn 10); er spielt in einem Flight mit den Spaniern Sergio Garcia und Rafael Cabrero Bello. Letzterer wiederum war auch mit einer eigenwilligen Auftaktbeschäftigung auffällig geworden. Cabrero Bello surfte auf der Münchner Eisbachwelle. Gestartet wird im GC Eichenried ab 7.30 Uhr, der Eintritt für das European-Tour-Turnier ist am Donnerstag und Freitag frei. Am S-Bahnhof Ismaning stehen bis Sonntag kostenlose Shuttle-Busse bereit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/ter-stegen-beim-fc-barcelona-parade-auf-der-mittwochsbuehne-1.2401560
mlsum-de-9615
Hat sich Marc-André ter Stegen beim FC Barcelona durchgesetzt? Mit einem gehaltenen Elfmeter in der Champions League hält er sich zumindest im Gespräch - im Kader der Nationalmannschaft steht er vorerst aber nicht.
Es gibt verschiedene Arten, einen Torwart zu beleidigen. Man kann einen Torwart ignorieren, man kann ihn "Fliegenfänger" nennen, und man kann ihn bei Werder Bremen ins Tor stellen, weil er da immer die meisten Tore kassiert. Die schlimmste Ehrverletzung ist es aber, einen Torwart mit einem englischen Torwart zu vergleichen. Der deutsche Torwart Marc-André ter Stegen ist am Donnerstag in vielen Medien mit dem englischen Keeper Joe Hart verglichen worden, die spanische Zeitung As hat dem Deutschen nach dem Champions-League-Spiel des FC Barcelona gegen Manchester City (1:0) sogar die gleiche Note gegeben wie dem Engländer. Ter Stegen war aber erstaunlicherweise gar nicht beleidigt, er hat die Note gerne akzeptiert. Es war die Bestnote. Hat sich ter Stegen nun bei Barcelona durchgesetzt? "Marc ist jung, aber schon so komplett. Der perfekte Torwart für die Spielweise, die Barcelona hat", lobte Barça-Trainer Luis Enrique, vergaß allerdings nicht hinzuzufügen: "Er kann sich auch mal irren" - eine kleine Anspielung auf ter Stegens riskanten Spielstil. Eigentlich macht dieser ter Stegen gerade eine Karriere, die sich gängigen Zensurmaßstäben entzieht. Hat sich der junge Mann nun beim großen FC Barcelona durchgesetzt, weil er immer in der Champions League ins Tor darf und dort - wie am Mittwochabend - sogar einen Elfmeter hält? Oder ist er gescheitert, weil er im Zuge einer gewöhnungsbedürftigen Arbeitsteilung in jedem Ligaspiel auf der Bank sitzt und zusehen muss, wie der Chilene Claudio Bravo souverän die Bälle fängt? Hat sich ter Stegen einen Gefallen getan, als er im Sommer Mönchengladbach verließ, um sich auf der ganz großen Bühne näher an Manuel Neuers Nationaltor heranzupirschen? Oder ist er vom Nationaltor weiter entfernt als vorher, weil DFB-Torwarttrainer Andreas Köpke viele tolle Torhüter beobachten kann, und zwar auch solche, die jedes Wochenende spielen dürfen? "Natürlich ist es für einen Torwart nicht so einfach, in den Rhythmus zu kommen, wenn er nicht regelmäßig spielt", sagte Köpke am Donnerstag der SZ, "aber bei Marc müssen wir uns da keine Sorgen machen. Er kommt auf genügend Spiele, weil er neben der Champions League ja auch im nationalen Pokal eingesetzt wird." Köpke ist am Donnerstag von einem kurzen Spanien-Abstecher zurückgekehrt, er hat zusammen mit Klaus Thomforde, dem Torwarttrainer der U21, in einem Kompaktseminar jene beiden Keeper studiert, die als größte Begabungen hinter Manuel Neuer gelten. Am Dienstag gab's bei Atlético Madrid erst 120 Minuten lang den Leverkusener Bernd Leno zu sehen, am nächsten Abend folgten 90 Minuten ter Stegen. Köpke versteht solche Ausflüge nicht nur als Weiterbildung, er will auch, dass die jungen Burschen sich betreut und geehrt fühlen. Beide werden an diesem Freitag nicht im A-Aufgebot von Joachim Löw auftauchen, obwohl ihre Perspektive im Verband als verheißungsvoller eingeschätzt wird als die von Ron-Robert Zieler oder gar von Roman Weidenfeller. Aber erst bis Frühjahr 2016 müssen Köpke und Löw ein Gespür für jenes Duo entwickelt haben, das Manuel Neuer bei der EM in Frankreich assistieren wird. Im Moment haben sie keine Eile. "Mit Horst Hrubesch ist abgesprochen, dass ter Stegen und Leno bis zur U21-EM in diesem Sommer in seinem Kader bleiben", sagt Köpke. Bei so einem Turnier, auf diese Meinung haben sie sich beim DFB festgelegt, können die jungen Leute mehr für ihr Fußballleben lernen als mit der A-Elf in Georgien oder Gibraltar. Marc-André ter Stegen hat zurzeit auch ohne A-Elf gut zu tun. Er muss sich in der U21 gegen Bernd Leno durchsetzen und im Verein gegen Claudio Bravo, aber einen Rivalen hat er wenigstens schon mal hinter sich gelassen. Joe Hart ist mit Manchester City ausgeschieden.
https://www.sueddeutsche.de/digital/whatsapp-co-mobil-sicher-kommunizieren-1.3199977
mlsum-de-9616
Whatsapp übermittelt Telefonnummern an Facebook. Diese fünf Apps verschlüsseln Nachrichten genauso zuverlässig - und schützen die Privatsphäre der Nutzer.
Die SMS, einst unverzichtbar für Handynutzer, ist ein Opfer des Internets. Stetig fällt sie in der Gunst der Nutzer. 2015 wurden zwar immer noch stolze 16,6 Milliarden SMS verschickt, das ist aber weit weg von den 60 Milliarden im Rekordjahr 2012. Dabei wird aber nicht weniger kommuniziert, im Gegenteil. Smartphone-Besitzer nutzen dafür jedoch verstärkt Instant Messenger. Das sind Chat-Programme, die vom eigentlichen Mobilfunkvertrag entkoppelt nutzbar sind und zusätzliche Funktionen wie Gruppen-Chats, Videobotschaften oder Sprachnachrichten bieten. Vor allem die junge Generation nutzt Messenger-Dienste sehr intensiv. Dem Branchenverband Bitkom zufolge verwenden 82 Prozent der 14- bis 29-Jährigen eine Chat-App. Die steigende Popularität ruft aber auch Neugierige und Kriminelle, Werbetreibende sowie Behörden auf den Plan. Das Thema Datenschutz wird bei den Chat-Apps als deutlich wichtiger angesehen als bei der SMS, die, gelinde gesagt, allerdings auch kaum Schutz bietet. Zugleich steigt das Bewusstsein der Nutzer, die von den Anbietern verlangen, dass ihre privaten Daten und Kommunikationen geschützt werden. Krypto-Messenger sind eine gute Alternative zu verschlüsselten E-Mails Eine Antwort darauf bieten Instant Messenger mit einer starken Verschlüsselung der Kommunikation. Der Sender verschlüsselt dabei die Nachrichten vor dem Absenden. Und erst auf dem Endgerät des Empfängers werden die Informationen wieder in eine lesbare Form umgewandelt. Dank der rasend schnellen Weiterentwicklung bei der Leistung von Smartphones merkt man als Nutzer davon in den meisten Fällen nichts, lediglich ein kleines Schloss oder ein kurzer Infotext informiert Nutzer, dass die Daten gesichert sind. Dank dieser Sicherungsfunktion sind aktuelle Messenger wie Whatsapp, Threema oder Chatsecure bei der Übertragung von Daten oftmals sicherer als E-Mails. Denn während die Einrichtung und Nutzung einer verschlüsselten E-Mail-Kommunikation noch immer mit zahlreichen Stolpersteinen versehen ist, arbeitet der Schutz in den Apps größtenteils automatisch und transparent. Das geht aber auf Kosten der Wahlfreiheit: E-Mails lassen sich mit beliebigen Systemen empfangen, Instant Messenger binden an ein System. Whatsapp ist sicher, teilt aber Metadaten und Telefonnumer mit Facebook Die sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung liefert einen soliden Schutz gegen Möchtegern-Hacker, allerdings kostet der Betrieb der Systeme Geld. Da die Nutzer nur in den wenigsten Fällen zahlen, greifen Unternehmen gerne zu einer anderen Art der Finanzierung: Sie erstellen Profile ihrer Nutzer, um diese dann gezielt mit Werbung ansprechen zu können - das wiederum schwächt das Vertrauen der Endkunden. Ein aktuelles Beispiel ist die Diskussion um Branchenführer Whatsapp: Der Messenger bietet eine enorm starke Verschlüsselungstechnik, die Nutzer automatisch schützt. Um sich zu finanzieren, gibt das Unternehmen aber Metadaten der Nutzer wie Telefonnummer und Geräteinformationen an den Mutterkonzern Facebook weiter. Dort werden die Daten für die Vermarktung genutzt. Die eigentliche Kommunikation wird nicht ausgewertet. Dennoch reichen diese Pläne, um das Vertrauen massiv zu schädigen. Behörden wollen mitlesen und fordern Hintertüren Die Popularität der verschlüsselten Messenger-Dienste alarmiert auch die Behörden, lokal oder international fordern diese gerne einen "goldenen Schlüssel". Die Idee dahinter klingt verlockend: Über eine geheime Funktion können Regierungsstellen im Notfall auf verschlüsselte Nachrichten zugreifen und diese auslesen. Diese Schlüssel sind, zumindest in der Vorstellung der jeweiligen Politiker, immer unter Verschluss und sicher vor dem Zugriff Unbefugter. Doch diese schöne Vorstellung ist weit von der Realität entfernt. Es gibt keine Garantie, dass diese Hintertür - denn nichts anderes ist der goldene Schlüssel - nicht gefunden und missbraucht wird. Das müssen keineswegs geniale Hacker sein: Was ist, wenn etwa nach einem Putsch ein Regime an die Macht kommt, das diese Funktion missbraucht, um Kritiker zu verfolgen? Wie schwer sich Regierungen mit diesem Thema tun, zeigt eine Anfrage beim Bundesministerium des Inneren. Die Behörde von Innenminister de Maizière will zum einen eine starke Kryptografie nutzen, um den "Schutz (der) digitalen Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger zu garantieren". Zugleich sollen Sicherheitsbehörden jedoch dazu in der Lage sein, unter bestimmten Voraussetzungen die Kommunikation zu entschlüsseln oder zu umgehen. Wie das gehen soll, darüber macht das Ministerium keine Aussagen. Nur eines scheint klar zu sein: "Es wird auch keine gesetzlichen Verpflichtungen zu Schlüsselhinterlegungen oder zur Nutzung von Generalschlüsseln oder gar zu sogenannten 'Backdoors' geben."
https://www.sueddeutsche.de/sport/stuttgart-opfer-der-eigenen-idee-1.2707769
mlsum-de-9617
Der VfB verliert - gegen Leverkusen - erneut ein Spiel, das er eigentlich hätte gewinnen müssen.
Alexander Zorniger blickte ernst, als er gefragt wurde, wann seine Profis das von ihm gewünschte Defensivverhalten wohl umsetzen könnten. Dann zeigte der Stuttgarter Trainer, dass er auch verbal jene Vorwärtsverteidigung bevorzugt, die Spiele seiner Elf so oft in ein Spektakel verwandelt. Er antwortete trocken: "Bis zum 22. oder 24. Februar. Wir arbeiten daran. Die Zeit bekommen die Spieler." So lange könnte also passieren, was dem VfB am Samstag erneut widerfuhr: Die Elf geht mit fliegenden Fahnen unter, verspielt eine 3:1-Führung und bestraft sich selbst für ihr wagemutiges Spiel, so wie bei der 3:4-Niederlage in Leverkusen. Zorniger ist ein entschiedener, offensiver, selbstbewusst auftretender Schwabe. In ihren besten Momenten ist seine Mannschaft sein perfektes Abbild. In ihren schlechten ist sie das überforderte Kellerkind, das zweimal nacheinander nur knapp dem Abstieg entging. Die Frage ist, wie viel von dieser Überforderung derzeit auf den Trainer zurückgeht. In Leverkusen zeigte der VfB zum wiederholten Mal in dieser Saison seine Stärken: Nach dem 3:1 waren die Gäste zehn Minuten lang dem vierten Tor näher als der Champions-League-Vertreter dem Anschluss. Wäre der Treffer oder wenigstens der verdiente Sieg herausgesprungen, wäre Zorniger für seinen Spielstil gefeiert worden. So aber musste er zum wiederholten Mal erklären, ob er nicht generell zu riskant spielen lässt. Bei seinen Ausführungen verstrickte sich Zorniger in Widersprüche. "Am Ende konnten wir die Eins-gegen-eins-Situationen nicht mehr verteidigen", sagte er in breitem Schwäbisch, "Bayer hatte Bewegungen drin und individuelle Klasse, an das Level kommen wir einfach nicht ran." Aber wenn er das wusste: Hätte er nicht vorsichtiger vorgehen müssen, wenigstens beim Stand von 3:1 und in Abwesenheit erfahrener Stützen wie Serey Dié (gesperrt) und Christian Gentner (verletzt)? "Wir können nicht zwischen Aktivität und Passivität hin- und herwechseln", bellte Zorniger. "Soll ich meinen Spielern sagen, sie sollen nach vorne verteidigen und dann passiv hinten stehen? Das kannst du nicht machen." Nein, für ihn war klar: "Wir haben Tore bekommen, die wir aufgrund der Qualität des Gegners zurzeit nicht verteidigen können." In zehn Saisonspielen schon elf Gegentore ab der 70. Minute In der Tat hatten einige Gegentore auf den ersten Blick wenig bis nichts mit Zornigers Vorwärtsverteidigung zu tun. Was aber auffällt: Drei Bayer-Treffer fielen nach der 70. Minute. Das ist ein VfB-Phänomen: Waren die Stuttgarter in den vergangenen Jahren für sehr späte Gegentore bekannt, setzt der Bruch nun früher ein. In sechs der zehn Saisonspiele hat der VfB ab der 70. Minute Gegentore kassiert, insgesamt schon elf; fünf dieser Partien gingen verloren. Und das könnte dann sehr wohl mit dem VfB-Stil zusammenhängen. Den Spielern fehlt im letzten Viertel der Partie offenbar jene Kraft und jene Konzentration, die notwendig ist, um Zornigers fordernde Philosophie durchzuziehen. Dann dauert es eben länger, sich vor einem Eckball zu sammeln wie vor dem Leverkusener 2:3; dann verliert man schon mal die Gegner hinter sich aus dem Auge wie vor dem 3:3, als zwei Werkskicker ungedeckt vor der Torlinie standen; dann wird man in der 89. Minute ausgekontert, weil sechs Spieler am Mittelkreis Pressing betreiben, ohne dass hinten die letzte Absicherung gegeben ist. Zu dem entscheidenden Zweikampf im Mittelfeld, der Leverkusen den Raum zum Konter gab, fiel Zorniger übrigens ein alter Fußballspruch ein: "Ich habe gelernt: Entweder kommt der Ball durch oder der Gegner - aber keinesfalls beide." Sein Leverkusener Kollege Roger Schmidt war erleichtert, auch das zweite Match binnen fünf Tagen gedreht zu haben, nach dem 4:4 gegen den AS Rom diesmal sogar komplett. "Ich bin vor anderthalb Jahren hier angetreten, damit wir ein bisschen anders spielen. Das sieht man jetzt", sagte Schmidt, der wie Zorniger aus der Red-Bull-Fußballschule stammt. Er konnte es sich leisten, drei Dinge zu übergehen: Er ist von der Spektakel-Ideologie des ersten Jahres ein wenig abgerückt, weshalb vor den Spielen gegen Rom und Stuttgart von einer Torkrise geredet wurde (nur acht Treffer in neun Liga-Spielen); zwei Tore am Samstag (das 1:2 und das 4:3) waren wegen eines Fouls und einer Abseitsstellung kaum erkennbar irregulär; und bis zur 70. Minute wurde Bayer zeitweise vorgeführt. Letzteres veranlasste Zorniger zu der Bemerkung, dass er "im Grunde nur Positives aus dem Spiel" mitnehme - "außer das Ergebnis". Vor den Aufgaben in Jena im Pokal ("ekelhaft") und gegen das auswärts unbesiegte Darmstadt in der Liga ("noch ekelhafter") hoffe er "auf einen Lerneffekt" - was er allerdings nicht auf sich, sondern mehr auf die Spieler bezog. Man müsste dennoch ein eingefleischter VfB-Verächter sein oder ein Fan des Verhinderungsfußballs, der derzeit auch in der Bundesliga en vogue ist, um sich zu wünschen, dass das Experiment des VfB Stuttgart scheitert; oder, etwas objektiver formuliert: so früh scheitert.
https://www.sueddeutsche.de/politik/us-wahlkampf-wehe-dem-der-schwaeche-zeigt-1.3158541
mlsum-de-9618
"Überhitzung" oder Lungenentzündung? Hillary Clinton hat bisher alle Gerüchte um ihre Gesundheit als "bekloppt" abgetan. Das geht nun nicht mehr.
Es waren drastische Bilder, die am Sonntagnachmittag im Internet auftauchten, und sie könnten darüber entscheiden, wer Amerikas nächster Präsident wird. Hillary Clinton steht schwankend zwischen zwei Secret-Service-Männern an einer Straße in Manhattan. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin hat gerade hastig eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 verlassen, weil sie sich nicht gut fühlte. Als Clinton versucht, in ihr Auto zu steigen, knicken ihre Beine weg, sie stolpert nach vorne. Die Sicherheitsleute fangen die offenbar bewusstlose Kandidatin auf und heben sie in den Wagen. Clinton verliert dabei einen Schuh. Es dauerte eineinhalb Stunden, bis Clintons Wahlkampfteam eine erste dürre Erklärung abgab. Alles sei in Ordnung, hieß es darin, der Kandidatin sei während der Feierstunde "zu heiß" geworden. Sie sei daraufhin in die nahe gelegene Wohnung ihrer Tochter Chelsea gefahren. Dort habe sie sich erholt. Und tatsächlich verließ Clinton etwa zwei Stunden nach dem Vorfall das Wohnhaus ihrer Tochter. Sie konnte ohne Hilfe zu ihrem Wagen gehen, winkte, posierte mit einem Mädchen für ein Foto und sagte zwei Sätze für die Kameras, um den Schaden wenigsten ein bisschen einzudämmen: "Ich fühle mich großartig. Es ist ein wunderschöner Tag in New York." Doch ein wunderschöner Tag war es für Clinton bestimmt nicht. Im Gegenteil: Bisher waren die Spekulationen und Gerüchte darüber, dass die 68 Jahre alte Demokratin in Wahrheit ernsthaft krank sei, eine Domäne rechter Verschwörungstheoretiker. Im Internet kursieren jede Menge zusammengereimte Diagnosen - von Epilepsie über Gehirnschäden und Autismus bis zur Blasenentzündung; keine davon ist belegt. Doch das stört diejenigen, die sie verbreiten und glauben, nicht. Der Republikaner Donald Trump hat die Zweifel an Clintons Gesundheitszustand immer wieder angefacht, indem er ihr vorwarf, sie habe nicht die "Kraft", um Präsidentin zu sein - ganz im Gegensatz zu ihm selbst, natürlich. Detailansicht öffnen Immer lächeln, selbst wenn man angeschlagen ist: Hillary Clinton am Sonntag in New York. (Foto: Andrew Harnik/AP) Clinton hat all diese raunenden Gerüchte bisher als "bekloppt" abgetan. Aber damit ist es vorerst vorbei. Die Videobilder sind eindeutig. Clintons Sprecher versuchten gar nicht erst, den Zusammenbruch der Kandidatin zu leugnen, sondern nur, eine möglichst harmlose Erklärung zu finden - "Überhitzung". Helfen dürfte das wenig, der Kollaps in New York macht Clintons Gesundheitszustand zu einem Thema, über das von nun an auch alle seriösen Medien intensiv berichten werden. "Sie erholt sich recht gut", sagt jedenfalls ihre Ärztin Das Clinton-Team weiß das und bemühte sich noch am Sonntag, die Kontrolle über die Berichterstattung zu behalten. Clintons Ärztin Lisa Bardack gab am Nachmittag eine Erklärung heraus, wonach die Kandidatin bereits seit Freitag wegen einer Lungenentzündung mit Antibiotika behandelt werde. Das war bis dahin unbekannt. Die Lungenentzündung sei diagnostiziert worden, nachdem Clinton in den Tagen zuvor wegen einer saisonal bedingten Allergie stark hatte husten müssen. Bei der Gedenkveranstaltung zum 11. September sei Clinton "überhitzt und dehydriert" gewesen, teilte Bardack mit. Jetzt gehe es ihr wieder besser, "sie erholt sich recht gut". Über Hillary Clintons Gesundheitszustand weiß die Öffentlichkeit relativ wenig, wenn auch mehr als über Trumps. Die einzige Quelle ist ein zweiseitiges Schreiben von Bardack, das die Internistin 2015 veröffentlichte. Darin ist zu lesen, dass Clinton ein Schilddrüsen-Medikament nimmt, Antihistaminika gegen Allergien sowie einen Blutverdünner. 2012 erlitt sie bei einem Sturz eine Gehirnerschütterung, die zu einem Blutgerinnsel im Gehirn führte. Dieses wurde durch Medikamente aufgelöst. Auch in den Jahren zuvor war Clinton bereits wegen solcher Thrombosen behandelt worden. Laut Bardack ist sowohl die Gehirnerschütterung als auch das Gerinnsel völlig ausgeheilt. Aktuelles Lexikon: Lungenentzündung Die Diagnose einer Lungenentzündung sagt wenig darüber aus, wie es einem Menschen tatsächlich geht. Im günstigen Fall handelt es sich um eine Befindlichkeitsstörung mit etwas Husten, die kaum mehr Beschwerden verursacht als eine Bronchitis. Im schweren Fall kämpfen die Patienten mit dem Tode, etwa 20 000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland an dem Leiden. Dutzende Erreger können die Infektionskrankheit auslösen, darunter Viren, Pilze und Einzeller. Am häufigsten sind jedoch mit mehr als 80 Prozent bakteriell verursachte Lungenentzündungen, zumeist durch Pneumokokken, Staphylokokken oder Haemophilus influenzae. Ärzte teilen Lungenentzündungen nach Erregern, der Schwere des Krankheitsbildes und gegebenenfalls nach dem betroffenen Lungenabschnitt ein - sowie danach, ob die Ansteckung ambulant erfolgte oder im Krankenhaus gleichsam als Begleiterkrankung etwa bei Patienten auf der Intensivstation oder mit medikamentös unterdrücktem Immunsystem aufgetreten ist. Wie schwer Hillary Clinton betroffen ist, lässt sich allein von der Diagnose her nicht sagen. Entscheidend für die Prognose sind die Widerstandskräfte. Nach Durchfallerkrankungen ist die Lungenentzündung die zweithäufigste Infektionskrankheit weltweit. In Deutschland führt sie zu mehr stationären Aufnahmen als Herzinfarkt oder Schlaganfall. Werner Bartens Die Börsianer reagierten nervös. Politische Unsicherheiten nennen sie das Von Bardack - weniger von ihrem ärztlichen Können als von ihrer Glaubwürdigkeit - wird zu einem Gutteil abhängen, ob der Vorfall vom Sonntag eine Episode bleibt oder zu einem ernsten, womöglich wahlentscheidenden Problem wird. Mit den Erklärungen vom Sonntag lässt sich der Vorfall sicher nicht aus der Welt schaffen. Clinton hat einige Wahlkampftermine in dieser Woche abgesagt, die Frage, wie es ihr geht, bleibt damit aktuell. Besonders gefährlich für Clinton ist, dass durch das Internet-Geraune über ihre angeblichen Krankheiten bei vielen Wählern der Boden für Zweifel an ihrer Gesundheit bereits bereitet ist. Die Videoaufnahmen aus New York fallen darauf wie die Saat - und diese könnte aufgehen. Das Risiko, dass sich in den Köpfen der Menschen jetzt die Frage festsetzt, ob Clinton dem anstrengenden Präsidentenamt gewachsen sein wird, ist groß. Mit einem weiteren Arztbrief wird es sich nicht eindämmen lassen. Wie nervös zumindest Teile der Öffentlichkeit bei dem Thema sind, zeigte die Reaktion einiger Wall-Street-Analysten. Ihrer Ansicht nach trugen Clintons Schwächeanfall und die Geheimhaltung darum zum weiteren Verfall der Aktienkurse am Montag bei. "Politische Unsicherheiten" nennen Händler das. Sollte Clinton tatsächlich keine schweren medizinischen Probleme zu verbergen haben, könnte es sinnvoll sein, ihre Krankenakten der vergangenen Jahre möglichst komplett zu veröffentlichen. Dazu hatte sich 2008 der republikanische Kandidat John McCain entschlossen, um allen Gerüchten über seine angeschlagene Gesundheit den Boden zu entziehen. Die Frage ist, ob die notorisch geheimniskrämerische Clinton sich dazu durchringen kann. Bereits ihre Lungenentzündung - eine Krankheit, die jährlich zwei Millionen Amerikaner trifft - hielt sie ja zunächst geheim und änderte ihren Terminplan nicht. Mehr Offenheit am Freitag hätte Clinton vielleicht das Desaster am Sonntag erspart. Donald Trump hielt sich am Montag zurück. Der Republikaner weiß, dass jede fragwürdige Äußerung von ihm nur von Clintons Problemen ablenken würde. "Ich sehe, was ich sehe", sagt er. "Irgendwas ist los, aber ich hoffe einfach, dass es ihr bald besser geht, dass sie wieder Wahlkampf machen kann und wir uns bei der Fernsehdebatte sehen." Das klang ganz freundlich. Aber man kann schon Zweifel haben, dass es wirklich freundlich gemeint war.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/boersenturbulenzen-chinas-pille-wirkt-hier-nicht-1.2621893
mlsum-de-9619
Der Zinssenkung in China kann die Märkte nicht beruhigen: Der zittrige Kursverlauf an der Wall Street verunsichert die Anleger in Frankfurt. Der Dax startet schwach.
Mit einer überraschenden Zinssenkung hatte die chinesische Notenbank am Dienstag die Finanzmärkte nach dem Absturz am Montag kurzzeitig beruhigt. Der Dax machte einen Satz um knapp fünf Prozent nach oben. An diesem Mittwoch startete der Aktienindex allerdings erneut im Minus. Der Grund für die neuerliche Verunsicherung: In den USA war die Wall Street am Vorabend nach zunächst starkem Plus plötzlich wieder ins Minus gerutscht. Da die Wall Street unter den Börsen die Leitfunktion einnimmt, waren auch hierzulande die Anleger irritiert. Chinas Notenbank hatte mit der Zinssenkung versucht, auf den Kursrutsch der chinesischen Aktienmärkte zu reagieren, die zuletzt abgestürzt waren und seitdem weltweit für Börsenturbulenzen sorgen. Als Reaktion auf den Einbruch hatte die Notenbank überdies die Anforderungen für die sogenannte Mindestreserven der Banken verringert - das ist der Betrag, den die Geldinstitute bei der Zentralbank hinterlegen müssen. Je niedriger er erst, desto mehr Geld steht der Wirtschaft zur Verfügung. "Chinas Wirtschaft steht noch immer Druck", hieß es nach der fünften Zinssenkung innerhalb von neun Monaten in einem Statement der Bank. Es sei eine "extrem mühsame Aufgabe", das Wachstum und die Lebensqualität der Menschen zu sichern. Durch die Zinssenkungen sollen die Konjunktur belebt und die Märkte gestützt werden. Nachdem die direkten Interventionen und Stützungskäufe zuletzt nur wenig Erfolg gezeigt hatten, wechselte Chinas Regierung damit ihre Strategie zur Stabilisierung der Börsen. Wenig Wirkung an der Wall Street Am New Yorker Aktienmarkt zeigte Chinas Maßnahme ebenfalls wenig Wirkung. An der Wall Street stiegen die wichtigsten Indizes am Dienstag zwar zunächst so kräftig wie noch nie in diesem Jahr. Gegen Ende des Handels drehte der Dow Jones aber deutlich ins Minus. Anfangs waren viele Anleger noch auf Schnäppchenjagd gegangen, nachdem die US-Börse am Montag den schwächsten Handelstag seit vier Jahren erlebt hatte. Noch während des Höhenflugs an der New Yorker Börse hatten Experten vor übertriebener Euphorie angesichts der Zinssenkung in China sowie eines überraschend deutlich gestiegenen Verbrauchervertrauens in den USA gewarnt: Das weltweite Wirtschaftswachstum bleibe weiter ungewiss, sagte Terry Sandven, Chef-Aktienstratege von U.S. Bank Wealth Management. Ähnlich äußerte sich auch Xavier Smith vom Vermögensverwalter Centre Asset Management: Um die Investoren wirklich zu beruhigen, brauche es positive Wirtschaftsdaten aus China, sagte er.
https://www.sueddeutsche.de/sport/schalke-04-jermaine-jones-wettert-gegen-horst-heldt-1.2238605
mlsum-de-9620
Der Ex-Schalker greift nach der Champions-League-Pleite per Twitter den Sportvorstand an. Generalsekretär Jérôme Valcke sieht das Image der Fifa nachhaltig beschädigt. Dennis Schröder siegt mit Atlanta in der NBA.
Fußball, Schalke 04: Horst Heldt von Fußball-Bundesligist Schalke 04 hat gelassen auf eine scharfe Attacke des Ex-Schalkers Jermaine Jones reagiert. "Ich habe das mitbekommen. Aber das ist nicht mein Niveau", sagte der Sportvorstand der Königsblauen bei Sky. Jones hatte Heldt während der Schalker Champions-Spiel-Pleite gegen den FC Chelsea (0:5) via Twitter angegriffen. "Ich sage nur: Horst Heldt, wen machst du jetzt verantwortlich? Es ist schlimm, dass jemand einen Klub so ruinieren kann", twitterte Jones, der im Januar 2014 nach sieben Jahren auf Schalke zu Besiktas Istanbul gewechselt war. Wenig später löschte Jones seinen Eintrag. NBA: Der deutsche Basketball-Nationalspieler Dennis Schröder hat mit den Atlanta Hawks das Spitzenspiel im Osten der nordamerikanischen Profiliga NBA gewonnen. Der Braunschweiger setzte sich mit seinem Team bei den Washington Wizards mit 106:102 durch und feierte damit den sechsten Erfolg aus den vergangenen acht Spielen. Mit einer Bilanz von 7:5 Siegen belegt Atlanta in der Eastern Conference Platz vier, Washington (9:4) ist Zweiter. Schröder kam in über 16 Minuten Spielzeit auf vier Punkte, einen Rebound und zwei Assists. Erfolgsgaranten für die Hawks waren Jeff Teague mit 28 Punkten sowie Paul Millsap mit 17 Zählern und 11 Rebounds. "Wir haben diesen beiden vertraut. Sie glauben auch an sich selbst. Sie können jederzeit ein Spiel entscheiden", sagte Atlantas Coach Mike Budenholzer. Einen schweren Abend hatten die Miami Heat. Der Titelverteidiger musste sich in eigener Halle den Golden State Warriors mit 97:114 geschlagen geben und rangiert im Osten mit 8:7 Siegen nur auf dem sechsten Platz. Matchwinner bei den zum sechsten Mal in Folge siegreichen Gästen war Stephen Curry mit 40 Punkten. Bei Miami war Chris Bosh mit 26 Zählern bester Schütze. Die Warriors sind mit 11:2 Siegen die Nummer zwei im Westen hinter den Memphis Grizzlies (12:2). NHL: Das deutsche Eishockey-Toptalent Leon Draisaitl hat mit den Edmonton Oilers die siebte Niederlage in Serie in der nordamerikanischen Profiliga NHL kassiert. Der 19-Jährige unterlag mit dem fünfmaligen Stanley-Cup-Sieger bei den Dallas Stars mit 2:3 und ziert mit nur 14 Punkten aus 22 Spielen weiter das Tabellenende in der Western Conference. Draisaitl stand insgesamt 11:05 Minuten auf dem Eis, kam aber zu keinem Scorerpunkt. Nachdem Boyd Gordon im ersten Drittel die Führung der Gastgeber ausgeglichen hatte, legte Tyler Seguin mit seinem beiden Treffern zum 3:1-Zwischenstand den Grundstein zum Erfolg der Stars. Für Seguin waren es bereits die Saisontreffer Nummer 16 und 17, damit führt er auch die Torschützenliste der NHL an. Für die Oilers reichte es nur noch zum Anschluss durch Taylor Hall in der 46. Minute. Fußball, Fifa: Generalsekretär Jérôme Valcke sieht das Image des Fußball-Weltverbandes Fifa durch den WM-Skandal auf lange Zeit beschädigt. Es werde "Jahre dauern, um den Ruf wieder herzustellen", sagte der Franzose nach der Sitzung des Regelgremiums IFAB am Dienstag in Belfast. Das Ansehen der Fifa habe "ein Level erreicht, das definitiv ein Level ist, das wir nicht mehr unterschreiten werden", sagte Valcke. Einen Zusammenhang zwischen den Ermittlungen zum Korruptionsverdacht gegen die WM-Gastgeber Russland und Katar und dem erwarteten Ausstieg der Fifa-Sponsoren Emirates und Sony zum Jahresende wies Valcke zurück.
https://www.sueddeutsche.de/politik/afd-schleswig-holstein-extreme-kontakte-1.4239424
mlsum-de-9621
Sie soll einen rechtsextremen Verein unterstützt haben: Die AfD-Fraktion in Kiel schließt die Landeschefin aus.
In Kiel hat die AfD-Landtagsfraktion die Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein aus ihren Reihen ausgeschlossen. Letzter Anlass für den Schritt war dem Vernehmen nach der Kontakt der Parteichefin zum "Verein Gedächtnisstätte", der vom Verfassungsschutz in Thüringen als rechtsextremistisch eingestuft wird. Dieser 1992 gegründete Verein agitiert laut dem Bericht des Thüringer Verfassungsschutzes aus dem Jahr 2017 "unter dem Deckmantel des Gedenkens an die deutschen Opfer des Zweiten Weltkriegs gegen den demokratischen Verfassungsstaat und versucht, geschichtsrevisionistisches Gedankengut in demokratische Bevölkerungskreise zu transportieren". Vergangene Woche war bekannt geworden, dass Sayn-Wittgenstein offenbar zu seiner Unterstützung aufgerufen hatte. Zu Einzelheiten ihrer Kontakte zu dem Verein gab es unterschiedliche Darstellungen. Der AfD-Fraktionschef in Kiel, Jörg Nobis, hatte nach einem Gespräch mit Sayn-Wittgenstein erklärt, dass der Verein auf der "Unvereinbarkeitsliste der AfD" stehe. Er kündigte Konsequenzen an. Am Dienstagmittag erklärte Sayn-Wittgenstein nach dem Verlassen einer Fraktionssitzung, sie sei ausgeschlossen worden. Sie sagte dem NDR, dass sie ihr Mandat behalten wolle. Zwischen der Landesvorsitzenden der AfD und dem Rest der Fraktion gab es seit deren Einzug in den Kieler Landtag immer wieder heftige Konflikte. Sayn-Wittgenstein wird dem äußerst rechten AfD-Flügel zugeordnet. Im vergangenen Jahr scheiterte sie knapp mit ihrer Kandidatur für den Posten der Bundesvorsitzenden. Auf dem Parteitag in Hannover trat sie gegen den als gemäßigt angesehenen Berliner Fraktionschef Georg Pazderski an. Nach einem Patt in der Abstimmung zogen beide ihre Kandidaturen zurück, als neuer Bewerber wurde Alexander Gauland gewählt.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schmiergeldaffaere-bei-siemens-anklage-in-athen-1.2236648
mlsum-de-9622
Die Vergangenheit holt Siemens erneut ein: In Athen wollen Staatsanwälte 64 Beschuldigte in einem Korruptionsfall vor Gericht stellen, darunter ehemalige deutsche Mitarbeiter des Konzerns - und vielleicht sogar Ex-Chef Heinrich von Pierer.
Für die Siemens AG ist die weltweite Schmiergeldaffäre, die den Konzern vor Jahren schwer belastete, inzwischen längst ausgestanden. Nicht aber für einige ihrer ehemaligen Manager und Geschäftspartner. In Griechenland zeichnet sich ein Prozess ab, bei dem geklärt werden soll, wer bei einem Milliardengeschäft zwischen Siemens und der nationalen Telefongesellschaft OTE bestochen hat, bestochen wurde oder als Mittler fungierte. Die Staatsanwaltschaft Athen will 64 Angeklagte wegen Korruption beziehungsweise Geldwäsche vor Gericht bringen, wie am Montag bekannt wurde. Darunter sind 19 frühere Siemensianer, 14 ehemalige OTE-Beschäftigte sowie Mittelsleute. Bei den 19 Ex-Siemensianer handelt es sich um 13 Deutsche und sechs Griechen. Es ist damit zu rechnen, dass der Richterrat beim Obersten Landgericht in Athen einen Prozess eröffnet. Vermutlich kommen aber nicht alle 64 Angeklagten vor Gericht. Auch von Pierer könnte dabei sein Unter den deutschen Beschuldigten könnte auch der frühere Siemens-Vorstandschef Heinrich von Pierer sein. Gegen ihn und weitere 12 Ex-Konzernmanager aus Deutschland hatte die Staatsanwaltschaft Athen bereits vor längerem Anklage erhoben. Pierer und die meisten anderen deutschen Angeklagten waren dann nach Athen gefahren, um dort die Vorwürfe gegen sie auszuräumen. Die Staatsanwaltschaft Athen hatte in der damals vorliegenden Anklage keine Nachweise für eine persönliche Verwicklung des Ex-Konzernchefs erbracht, sondern lediglich auf dessen Gesamtverantwortung abgestellt. Bei Pierer hatte bereits die Münchner Staatsanwaltschaft intensiv geprüft, ob ihm strafrechtliche Vorwürfe zu machen seien. Am Ende kam ein Bußgeld über 250 000 wegen der Vernachlässigung interner Aufsichtspflichten heraus. In Europa darf niemand wegen ein- und desselben Falles zwei Mal juristisch verfolgt werden darf. Ein Gerichtsverfahren gegen Pierer gilt als unwahrscheinlich. Andere deutsche Ex-Manager von Siemens müssen aber davon ausgehen, dass ein Prozess gegen sie angesetzt wird. In Athen wird ausgeschlossen, dass der Richterrat das Verfahren nur gegen eigene Landsleute eröffnet. Siemens hatte ab Ende der neunziger Jahre von Deutschland aus hohe Schmiergeldbeträge gezahlt, um einen Milliarden-Auftrag für die Modernisierung des griechischen Telefonnetzes zu bekommen.
https://www.sueddeutsche.de/digital/videoplattform-so-viel-verdienen-youtube-stars-1.2349565
mlsum-de-9623
Sie sind der Traum der Werbewelt: Menschen wie Nilam Farooq sind Stars, so alt wie ihr Publikum und glaubwürdig. Durch ihre Youtube-Videos verdienen sie sehr viel Geld - womöglich auch deshalb, weil Werbung darin oft nicht klar erkennbar ist.
Nilam Farooq sagt, sie habe gute Laune. Dann stellt sie Produkte vor, fast 13 Minuten lang. Sie hält ein Enzympeeling in die Kamera, eine Tagescreme, eine Schönheitsdusche, einen Lippenstift, eine Fitness-DVD und einen Haarentfernungslaser. Das Markenlogo ist jedes Mal gut zu erkennen. Zur Sicherheit nennt Farooq aber auch den vollständigen Produktnamen, den Hersteller. Und natürlich findet sie alle Produkte gut. Im Netz nennt sich die 25-Jährige "daaruum". Sie ist einer der Top-Youtube-Stars aus Deutschland. Bald wird sie eine Million Abonnenten haben, also Menschen, die regelmäßig ihre Videos gucken, vor allem Mädchen und junge Frauen. In der Beschreibung des Videos - eine Art Kleingedrucktes - sagt Farooq, dass sie mit keiner Firma zusammengearbeitet hat. Sie sagt also, dass sie kein Geld für dieses Video bekommen hat. Stars wie Farooq sind ein Traum für die Werbewelt. Sie sind so alt wie die Zielgruppe, sprechen deren Sprache und präsentieren Produkte meist in der eigenen Wohnung. Die Aufnahmen vermitteln vor allem zwei Botschaften: Nähe und Glaubwürdigkeit. Dieses Umfeld ist perfekt für Markenwerbung. Die Videos werden hunderttausendfach geklickt. Die Reichweite ist teilweise größer als die von vielen Fernsehsendungen. Firmen zahlen fünfstellige Beträge Für Firmen ist es deshalb sinnvoll, mit ihren Marken in den Videos aufzutauchen. Firmen zahlen für Kooperationen, bei denen ein Produkt "redaktionell eingebunden" wird, mitunter fünfstellige Beträge. Der Preis richtet sich nach der Beliebtheit des Stars. Die Verträge sind geheim, die Stars zum Schweigen verpflichtet. Nach internen Preistabellen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, erhält Nilam Farooq 12 800 Euro pro Kooperation. Auch außerhalb von Youtube kann man mit ihr werben, ein Post auf ihrem Instagram-Account kostet 2970 Euro. Farooq selbst will die Zahlen nicht kommentieren. Im vergangenen Jahr sei in acht ihrer ungefähr 150 Videos eine solche Kooperation erfolgt. Sie habe das stets gekennzeichnet. Es gibt in Deutschland längste eine professionelle Youtube-Szene. Sie organisiert sich heute vor allem in Agenturen, auch Netzwerke genannt. Die bekannteste heißt Mediakraft und geriet zuletzt vor allem deswegen in die Schlagzeilen, weil bekannte Youtube-Stars das Netzwerk öffentlichkeitswirksam verließen. Die Austritte haben Mediakraft enorm geschadet, der Geschäftsführer Christoph Krachten musste gehen. Netzwerke stehen für ein Geschäftsmodell, das aus Youtubern Geldmaschinen macht, indem sie Verträge und Werbedeals vermitteln und dafür Provision kassieren. Mediakraft hat für alle Mitglieder eine interne Preisliste. Bis 10 000 Aufrufe kostet eine Produktplatzierung 525 Euro, bis 25 000 Aufrufe 1750 Euro, bis 50 000 Aufrufe 3500 Euro. Bei mehr Aufrufen - wie etwa bei Farooq - wird separat verhandelt. Mediakraft wollte sich zu den Zahlen nicht äußern.
https://www.sueddeutsche.de/digital/google-pixel-2-google-baut-das-beste-smartphone-das-nicht-iphone-heisst-1.3712332
mlsum-de-9624
Und selbst mit den neuen Apple-Handys kann das Pixel 2 mithalten. Es hat nur ein Problem: den Preis.
Eine Frage wird dieser Text nicht beantworten können: Android oder iOS? Die Vorteile der Betriebssysteme sind bekannt, die Entscheidung bleibt eine Geschmacksfrage, für manche Nutzer gar eine Glaubensfrage. Die Antwort auf eine andere Frage kann dieser Text geben: Welches ist das aktuelle beste Android-Smartphone auf dem Markt? Sie lautet: Es ist das Google Pixel 2 XL - wenn Sie kein Problem damit haben, mindestens 939 Euro auszugeben. Wer auf ein randloses Display verzichtet, erhält das Pixel 2 ohne XL-Zusatz für 140 Euro weniger. Vom Bildschirm und der Größe abgesehen sind beide Smartphones identisch. Auch HTC, LG und vor allem Samsung bauen Geräte, die mit Googles zweiter Pixel-Generation mithalten können - allerdings nur in Sachen Hardware. Genau wie Apple hat Google den Vorteil, dass Hard- und Software aus einer Hand kommen, und das merkt man. Kein anderes Android-Smartphone fühlt sich derzeit so rund an wie das Pixel 2. Die wichtigsten Merkmale von Googles Premium-Smartphone: Kamera Sensationelle 98 Punkte im Test von DxO-Mark - das ist das beste Ergebnis, das eine Smartphone-Kamera je erzielt hat. Warum diese Zahl für sich betrachtet jedoch wenig Aussagekraft besitzt, erklärt Youtuber Marques Brownlee in diesem Video. Zusammengefasst: Die höchste Gesamtpunktzahl bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Kamera für jeden Nutzer gleichermaßen gut geeignet ist. Wer etwa viele Portraitfotos schießt, ist mit einem anderen Smartphone besser bedient. 98 Punkte sind auch kein "fast perfektes Testergebnis", wie etliche Schlagzeilen nahelegen. Der aktuelle Bestwert liegt bei 108 Punkten für einen professionellen 8K-Sensor. Die Skala endet also nicht - wie sich vermuten ließe - bei 100 Punkten. Unabhängig davon ist die Pixel-Kamera sehr gut - und für den Großteil der Nutzer tatsächlich das Nonplusultra. Die Hauptkamera auf der Rückseite liefert 12,2 Megapixel bei einer f/1.8-Blende. Für Selfies verbaut Google eine Frontkamera mit acht Megapixel und einer Blendenöffnung von f/2,4. Als erstes fällt der Autofokus auf, der auch bei schwierigen Lichtverhältnissen schnell und zuverlässig scharf stellt. Die Farben wirken natürlich und kräftig, der automatische Weißabgleich funktioniert einwandfrei. Der HDR+-Modus schießt bei Bedarf mehrere Fotos mit unterschiedlicher Belichtungsdauer und setzt sie zu einem einzelnen Bild zusammen. So lassen sich Motive mit großen Helligkeitsunterschieden abbilden, ohne dass helle Flächen alles überstrahlen oder Details in dunklen Bereichen verschwinden. Der hohe Dynamikumfang geht beim Pixel nicht zu Lasten der Bildqualität. Selbst bei Motiven, die sich schnell bewegen, sind kaum Artefakte zu erkennen. Der HDR+-Modus ist nur eines von mehreren Beispielen, wie Google die Fotoqualität optimiert: Die Kernkompetenz des Unternehmens ist Software. Niemand kennt sich besser mit Algorithmen, Machine Learning und riesigen Datenmengen aus. Apple hat mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung mit Smartphone-Kameras und mag die besseren Linsen und Sensoren bauen, doch Googles automatische Postproduktion verwandelt das Rohmaterial in beeindruckende Bilder. Das funktioniert bei fast allen Fotos - mit einer Ausnahme: Portraits kann die Konkurrenz besser. Google verzichtet auf eine Doppelkamera, wie sie iPhone 8 und Samsung Galaxy Note 8 bieten. Zwei Linsen mit unterschiedlichen Brennweiten und Lichtstärken erzeugen einen Bokeh-Effekt, der beinahe mit den Ergebnissen von Spiegelreflex-Kameras mithalten kann. Beim Pixel müssen Algorithmen die Tiefenschärfe nachträglich ins Bild hineinrechnen. Das klappt gut, solange Vordergrund und Hintergrund deutlich zu unterscheiden sind. Details wie Haarspitzen oder Grashalme werden aber manchmal verschluckt. Dennoch überzeugt der Portraitmodus in den meisten Fällen. Für Selfie-Fans hat die Software-Berechnung einen großen Vorteil: Während iPhone und Galaxy Note nur mit der Doppelkamera auf der Rückseite einen Bokeh-Effekt produzieren, bringen Googles Algorithmen auch bei Aufnahmen mit der Frontkamera Tiefenschärfe ins Bild. ‹ › Der Baum grenzt sich klar vom Hintergrund ab, hier leistet der Portrait-Modus gute Arbeit. Bild: Simon Hurtz ‹ › Bei den Blättern dagegen scheint die künstliche Intelligenz überfordert. Hier fransen die gezackten Ränder aus und verschwimmen mit dem Hintergrund. Bild: Simon Hurtz ‹ › Haare überfordern die KI ebenfalls, etliche Strähnen und Haarspitzen werden verschluckt. Allerdings sind bei anderen Smartphones mit der Frontkamera gar keine Portraitaufnahmen mit Tiefenschärfe möglich. Bild: Simon Hurtz Wird geladen ... Wer viele Videos aufnimmt, wird mit dem Pixel ebenfalls glücklich. Die Bildqualität überzeugt in allen Lichtverhältnissen, das Rauschen bleibt erfreulich gering, und der Autofokus liefert auch bei bewegten Bildern gute Ergebnisse. Besonders beeindruckend ist die Kombination aus optischer und elektronischer Bildstabilisierung. Ohne Nachbearbeitung lassen sich damit selbst beim Joggen oder Fahrradfahren nahezu wackelfreie Videos drehen. Im Unterschied zum iPhone 8 nimmt das Pixel 4K-Videos allerdings nur mit 30 Frames pro Sekunde auf. Für 60 fps muss die Auflösung auf 1080p reduziert werden. Hobbyfotografen müssen mit dem Pixel 2 nicht fürchten, dass ihnen der Speicherplatz ausgeht. Alle Fotos und Videos, die bis zum 16. Januar 2021 aufgenommen werden, werden in voller Auflösung auf Googles Servern gespeichert, verspricht das Unternehmen. Bei der ersten Generation galt das noch lebenslang. Allerdings dürften die meisten Nutzer in drei Jahren ohnehin ein neues Smartphone gekauft haben, insofern fällt die Befristung nicht allzu sehr ins Gewicht. Display Das kleine Pixel 2 bietet 5 Zoll und Full-HD Auflösung bei einem Seitenverhältnis von 16:9, sein großer Bruder kommt mit einem 6-Zoll-QHD+-Panel und ungewöhnlichem 2:1-Seitenverhältnis. Beide Displays sind auf hohen Helligkeitsstufen auch bei direkter Sonneneinstrahlung noch gut ablesbar. Farben werden kräftig dargestellt, aber nicht übertrieben knallig. Dank OLED-Technologie erscheinen schwarze Bildinhalte auch wirklich tiefschwarz. Während LCD- und IPS-Displays die entsprechenden Bereiche anstrahlen, bleiben die selbstleuchtenden OLED-Pixel einfach komplett dunkel. Das resultiert in einem nahezu unendlich großen Kontrastverhältnis und hat einen weiteren angenehmen Nebeneffekt: Einige Apps bieten einen Dark-Mode an, den viele Nutzer als angenehm empfinden. Bei OLED-Smartphones schonen diese Modi nicht nur die Augen, sondern auch den Akku. Wenn das Smartphone häufig dunkle und schwarze Farben darstellt, steigt die Laufzeit spürbar, da dunkle Pixel keinen Strom fressen. Auch mit einem dunklen Wallpaper lässt sich Akku sparen. Das ermöglicht es Google, eine Always-on-Funktion anzubieten. Das Display erlischt nur, wenn man das Smartphone in die Tasche steckt. Liegt es auf dem Tisch, sieht man permanent die Uhrzeit und eingehende Benachrichtigungen. Da nur wenige Pixel weiß leuchten und der Rest schwarz bleibt, belastet die Funktion den Akku kaum. Wer darauf keinen Wert legt, kann sie abschalten. Akkulaufzeit Beim iPhone 8 hat Apple den Akku geschrumpft, Google macht es dem Konkurrenten zumindest teilweise nach: 2700 mAh beim Pixel 2 bedeuten 70 Milliampere weniger, die 3520 mAh der XL-Version sind dagegen etwas mehr als beim Vorgänger. Die nackten Zahlen allein haben aber wenig Aussagekraft. iPhone-Akkus sind deutlich kleiner als die der meisten Android-Smartphones. Apple gleicht diesen vermeintlichen Nachteil durch energieeffiziente Prozessoren und Grafikchips aus und hat das Zusammenspiel aus Hard- und Software optimiert. Nach ein paar Tagen mit dem Pixel 2 XL lässt sich noch kein abschließendes Urteil fällen. Während des Testzeitraums wurde das Gerät ungewöhnlich intensiv genutzt und musste teils zwischendurch geladen werden. Bei normaler Nutzung sollte die Kapazität für einen Arbeitstag reichen. Wer das Smartphone nicht ständig aus der Tasche zieht und auf Spiele verzichtet, wird vermutlich zwei Tage mit einer Akkuladung hinkommen. Praktisch ist die Schnelladefunktion: Wenige Minuten an der Steckdose reichen, um den Akku für mehrere Stunden Nutzung mit Energie zu versorgen. Google spricht von sieben Stunden binnen 15 Minuten. Diese Angabe hängt allerdings stark von der individuellen Nutzung ab. Auf jeden Fall lädt der Akku sehr schnell, und das dürfte für die meisten Nutzer entscheidend sein. Nur auf Wireless Charging müssen sie verzichten.
https://www.sueddeutsche.de/sport/joel-matip-funkstille-1.2747444
mlsum-de-9625
Schalkes Innenverteidiger erhält gegen den FC Bayern einen Spezialauftrag - und erfüllt den mit Bravour. Ob Schalke über die Saison hinaus auf Matips Fertigkeiten zurückgreifen darf, ist ungewiss.
Joel Matip streckte sein Bein, und irgendwie bugsierte er den Ball dann auch noch in Richtung Tor des FC Bayern München. Doch dem Innenverteidiger des FC Schalke 04, der sich in der vorletzten Minute mit letzter Kraft in die Offensive eingeschaltet hatte, fehlte die nötige Präzision, den Ball in die optimale Richtung zu drücken. Das 2:2 sollte nicht mehr fallen, am Ende stand es sogar 3:1 für die Münchner. "Wenn Joel da noch getroffen hätte, da wäre ich direkt nach Hause gegangen", sagte Schalkes Manager Horst Heldt: "Spaß beiseite, er hat sehr stark gespielt." Matip und seine Teamkollegen hatten tatsächlich alles versucht, den übermächtigen Münchnern beizukommen. Der 24-Jährige hatte dabei einen Spezialauftrag erhalten. Er schob sich immer wieder aus der von Trainer André Breitenreiter eigens für diese Partie entworfenen Fünfer-Abwehrkette vor und attackierte den jeweils ballführenden Bayern-Spieler so geschickt, dass er viele Zweikämpfe für sich entschied und so manchen Angriff der Münchner unter- oder abbrechen konnte. Thomas Müller, Robert Lewandowski und Douglas Costa blieben immer wieder an Matips spinnenartigen Beinen hängen. Und obwohl der schlaksige Matip häufig so auftritt, als sei er mit nicht allzu viel technischem Können gesegnet, passte er den Ball doch immer wieder geschickt zwischen zwei Münchner Spieler hindurch und leitete so die Angriffe seines Teams ein. Seit Wochen versucht Heldt, Matip für einen neuen Vertrag zu begeistern Meistens zeigten seine Mitspieler in der Folge allerdings weniger Geschick. Es war eine dieser Partien, in denen Matip seine Qualitäten und seine enorme Bedeutung für die Schalker Mannschaft wieder deutlich nachweisen konnte, auch gegen einen qualitativ so stark besetzten Gegner. Ob Schalke auch über die Saison hinaus auf diese Fertigkeiten zurückgreifen darf, wird immer unwahrscheinlicher. Matips Vertrag endet am Saisonende. "Die Verhandlungen haken", sagte Heldt, "an mir liegt es nicht." Seit einigen Wochen versucht der Manager, Matip zu einer Unterschrift zu überreden. Bislang ohne Erfolg. "Er will erst mal die Entwicklung hier abwarten", sagt Heldt. Das ist keine gute Nachricht für den Revierklub, denn der gebürtige Bochumer wird stark und vor allem von englischen Premier-League-Klubs umworben. Dass er dabei mit einem Manager verhandelt, der selbst nicht so recht weiß, wie lange er noch in Schalker Diensten Verträge aushandeln darf, muss nichts Gutes heißen, zumindest für Schalke. Matip gilt als äußerst sensibel, er macht, wenn möglich, einen großen Bogen um alles, was mit öffentlichen Auftritten zusammenhängt. Auch an diesem Abend schlich er sich wieder einmal an allen Fragestellern vorbei.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hongkong-zu-feierlichkeit-verpflichtet-1.3238460
mlsum-de-9626
Peking will Hongkonger Abgeordneten die Ämter im Stadtparlament entziehen - die vormaligen jungen Aktivisten wollten China bei ihrem Eid nicht ehren.
Der Nationale Volkskongress (NVK) in Peking hat am Montag einen Erlass verkündet, der in der Anwendung zwei frisch gewählten Hongkonger Abgeordneten den Einzug ins Hongkonger Parlament verwehrt. Der Schritt wurde im offiziell autonomen Hongkong als gravierendste Einmischung Chinas in die Politik Hongkongs seit der Rückkehr der Stadt nach China im Jahr 1997 wahrgenommen. Bürgerrechtler und Demokraten zeigten sich entsetzt, Mitglieder der Anwaltskammer kündigten für Dienstag einen Schweigemarsch durch die Stadt an. Der Schritt Pekings richtet sich gegen die im September zu Parlamentariern gewählten Aktivisten Yau Wai-ching, 25, und Sixtus Baggio Leung, 30. Sie hatten bei ihrer offiziellen Vereidigung die Eidesformel abgewandelt und den Eid statt auf China auf die "Nation Hongkong" geschworen, dazu enthüllten sie ein Banner, auf dem stand: "Hongkong ist nicht China". Die ehemalige britische Kronkolonie gehört seit 1997 wieder zu China. Peking hatte damals den Slogan geprägt "Ein Land, zwei Systeme", und der Stadt weitgehende Autonomie für 50 weitere Jahre zugesagt. Grundlage für die Verwaltung Hongkongs und das Verhältnis zu Peking sollte das zwischen England und China ausgehandelte "Basic Law" sein, eine Art Grundgesetz für Hongkong. Der NVK in Peking hat dem Basic Law zufolge grundsätzlich das Recht auf die Interpretation strittiger Fragen, doch hatte er in all den Jahren erst viermal davon Gebrauch gemacht. Was den Eingriff diesmal besonders gravierend macht, ist die Tatsache, dass Pekings Edikt mitten in ein Hongkonger Gerichtsverfahren platzt, das den Streit um die beiden Abgeordneten eigentlich hätte klären sollen. Anders als in den Fällen zuvor auch hatten weder Hongkongs Regierung noch die Gerichte der Stadt Peking um eine Klärung angerufen. Pekings Intervention sei "im Effekt eine Aushöhlung der Unabhängigkeit der Hongkonger Justiz", urteilte Amnesty International am Montag. Maya Wang, Chinaexpertin der Organisation Human Rights Watch, sprach von "einem plumpen politischen Schritt, um Dissens auszuschalten, gerade so wie in China". Die 59-jährige Claudia Mo, Abgeordnete der Civic-Partei und Veteranin der Demokratiebewegung, befürchtet "den Anfang vom Ende von Hongkong": "Rechtsstaatlichkeit existiert hier nicht mehr." Sixtus Baggio Leung und Yau Wai-ching waren zwei der etwas mehr als eine Handvoll junger Aktivisten, die sich während der Regenschirmrevolte vom Sommer vor zwei Jahren einen Namen gemacht hatten und im September ins Parlament gewählt wurden. 2014 waren Zorn und Frust über wachsende soziale Ungleichheit, die Einmischung Pekings und schwindende Freiheiten in Hongkong übergekocht. Hunderttausende vor allem junge Hongkonger hatten die Straßen besetzt. Hongkongs Regierung und Peking hatten die Demonstranten und ihre Forderungen damals ignoriert, in der Folge hielten auch radikalere Ideen wie die von der Selbstbestimmung oder gar Unabhängigkeit Hongkongs Einzug in den Diskurs der Aktivisten und fanden auch bei manchen Wählern Widerhall. Das Ständige Komitee des NVK verfügte nun am Montag, Abgeordneter dürfe in Zukunft nur werden, wer die Eidesformel "komplett und feierlich" verlese. Jeder, der das "in unernster oder würdeloser Manier" tue, verliere seinen Sitz. Pekings Parteipresse hatte Leung und Yau zuvor schon mit "Eiterbeulen" und "bösartigen Tumoren" verglichen. Li Fei, der Vorsitzende des Basic-Law-Komitees in Peking, sprach am Montag von der Notwendigkeit, im Interesse der nationalen Sicherheit hart gegen Unabhängigkeitsbestrebungen vorzugehen. "Die chinesische Nation hat eine große patriotische Tradition", sagte Li Fei. "Vaterlandsverräter werden kein gutes Ende nehmen."
https://www.sueddeutsche.de/stil/essay-gute-gaben-1.3277928
mlsum-de-9627
Nichts zu schenken ist ziemlich angesagt. Aber auch ziemlich langweilig. Ein Geschenk kann zu einem großen Moment zwischen zwei Menschen werden.
Detox sagt man heute, wenn man weniger von dem tun möchte, was man davor zu viel getan hat. Das Wort ist beliebt, weil es nicht ganz so nach verkorkstem Leben und Arztgespräch klingt wie das alte "Abgewöhnen". Instagram-Detox erlegen sich also die einen auf, andere spüren wegen der US-Wahl das dringende Bedürfnis nach News-Detox. Und für den Heiligen Abend steht bei vielen wieder die Idee eines umfassenden Geschenke-Detox im Raum. Mit keinem Satz erntet man jedenfalls derzeit so beifälliges Gemurmel wie mit "Ich mache dieses Jahr bei dem Geschenkewahnsinn nicht mit." Das ist schon verständlich, schließlich kann die Schenkerei unterm Jahr ungesunde Ausmaße annehmen. Wer's nicht glaubt, möge sich nur mal in einem mittleren Bürobetrieb mit gutem Arbeitsklima und leichter Frauenüberzahl zum Stichwort "kleines Geschenk für den Kollegen" erkundigen. Das Ergebnis ist meistens imposantes Augenrollen. Denn wenn nicht irgendwann ein Machtwort gesprochen wurde, entwickelt sich so eine herzensgute Belegschaft über die Jahre oft zu einem irr drehenden Gabenkarussell, mit immer höheren Einsätzen. Geburtstag, Beförderung, erfolgreiche Elternschaft, Einstand, Ausstand, Namenstag und am Ende auch der Urlaubsbeginn jedes einzelnen Kollegen werden dann mit "netten Kleinigkeiten" bedacht, die freilich weder nett noch klein sind, sondern eher der eigentliche Grund für kalte Progression und Mobbing-Gelüste. Dieses pflichtorganisierte Schenken ist tatsächlich zum Abgewöhnen. Aber: Was kann Weihnachten dafür? Nur weil sich am Ende des Jahres bei vielen Menschen das Gefühl breitmacht, sie hätten täglich "einen Fünfer für das Geschenk von der Ute" lockermachen müssen, sollten doch nicht diejenigen bestraft werden, über deren Beglückung man sich noch ein bisschen mehr freut als über Kollegin Utes gelungene Weisheitszahn-OP. Deshalb an dieser Stelle noch mal: Es tut gut zu schenken. Und es ist schön, beschenkt zu werden. Aber eben nur, wenn noch ein Hauch Überraschung dabei ist. Die lebensklugen Schweden haben diese Überraschung in einem uralten Brauch verankert, dem Julklapp. Dabei ging es ursprünglich darum, dass ein Fremder an Weihnachten eine Kiste ins Wohnzimmer wirft und danach unerkannt entkommt. Hej, was für ein Schreck! Und was für eine Freude, wenn in der Kiste lauter feine Sachen sind, die man erstens nicht erwartet hatte, denn dazu dient der Überfallcharakter. Und für die man zweitens keine Kratzfüße, Dankesworte oder Gegenleistung entbieten muss, das garantiert die Anonymität dieser nordischen Bescherung, die übrigens schon Theodor Fontane bekannt war: "Dann ging sie auf Innstetten zu, um ihm zu danken, aber eh sie dies konnte, flog, nach altpommerschem Weihnachtsbrauch, ein Julklapp in den Hausflur: eine große Kiste, drin eine Welt von Dingen steckte." (Effi Briest) Sicher, in den heutigen Zeiten sind Fremde, die kistenförmige Objekte herumschleudern, vermutlich nicht besonders gut gelitten. Aber der originale Julklapp wäre doch grundsätzlich ein wohltuender Gegenentwurf zu der nüchtern und kalendarisch absolvierten Schenkerei unter Paaren und Familien heute. Denn dabei wird oft weder zeitlich noch inhaltlich gesteigerter Wert auf die besagte Überraschung gelegt. Schließlich ist der Termin von Geburtstag und Bescherung bekannt, und was dabei ausgepackt wird, wurde vorher per Whatsapp und Amazon-Links geklärt. Dieser pragmatische Austausch von Wertsachen mag die allgemeine Ratlosigkeit lindern, aber er befördert eben meistens nicht das Königliche, das einem wahren Geschenk innewohnt. Das zarte Gefühl nämlich, kurz ganz allein von der ungeteilten Aufmerksamkeit des anderen gestreichelt zu werden. Ein gutes Geschenk erzählt dem Beschenkten davon, wie jemand heimlich über sein Glücklichsein nachgedacht hat. Und das ist ein seltener Moment reiner Freude. Die Soziologie kleidet den Vorgang in dürre Worte: Durch Gabentransfer werden Beziehungen gefestigt. Aber es ist ja mehr. Ein Kind schenkt dem anderen seine Schaufel. Ein getunter Audi-Fahrer schenkt einem ungetunten Polo-Fahrer die Vorfahrt. Eine Frau schenkt einem Mann nach langer Zeit einen Bund Freesien. Der Effekt ist immer der gleiche. Einen Augenblick lang sieht man sich neu an. Die besten Geschenke sind also nicht die, mit denen man Weihnachten nur abhakt, sondern diejenigen, bei denen man spontan im Geschäft, in der Galerie oder auf dem Flohmarkt denkt: Das wäre was für den! Und dann nimmt man es mit und schenkt es, ohne etwas dafür zu erwarten, außer eben ein überraschtes Hurra! Die SZ-Redaktion hat hier solche Hurra-Ideen gesammelt. Vielleicht fällt Ihnen, liebe Leser, ja ein Wohnzimmer ein, in das Sie eine davon schleudern könnten?
https://www.sueddeutsche.de/politik/griechenland-hilfspakete-reizthema-schuldenschnitt-1.3238454
mlsum-de-9628
Der IWF zögert, sich am dritten Hilfspaket für Griechenland zu beteiligen. Sehr zum Ärger von Bundesfinanzminister Schäuble - denn dem droht somit ein massives innenpolitisches Problem.
Wolfgang Schäuble bleibt hart: Für ihn gibt es in Sachen Griechenland nichts zu diskutieren. "Wir haben dazu im Mai alles gesagt", erklärte der Bundesfinanzminister beim Treffen der Euro-Gruppe am Montag in Brüssel. Bereits im Frühjahr sei verabredet worden, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) sich nach der zweiten Runde der Reformüberprüfungen am Griechenland-Programm beteilige. Läuft alles nach Plan, könnte die Überprüfung noch im Dezember abgeschlossen werden. Doch von einer Vereinbarung, dass der Fonds dann am laufenden Kreditprogramm mitmache, will man beim IWF in Washington nichts wissen. Im Gegenteil: Der Fonds stellt seinerseits Bedingungen - und die gefallen der Bundesregierung überhaupt nicht. "Was Schäuble fordert, geht einfach nicht", sagt ein Diplomat in Brüssel Wie es aussieht, gewinnt der Streit zwischen Berlin und dem IWF nun wieder deutlich an Schärfe. Der Bundesfinanzminister gerät dabei zunehmend unter Druck. Denn keiner seiner europäischen Kollegen ist so auf eine Beteiligung des IWF angewiesen wie er. Der Bundestag hatte sie einst zur Bedingung für seine Zustimmung zum dritten Griechenland-Programm gemacht. Und Schäuble hat dies stets glaubhaft versichert. Was aber, wenn der IWF sich nun doch nicht am laufenden Programm beteiligt? Dann hätte Schäuble ein gewaltiges innenpolitisches Problem. Es gibt Unionsabgeordnete, die dann den Beschluss zum dritten Paket für Griechenland für nichtig erklären und erneut darüber abstimmen lassen wollen. Dabei ist die Position des Währungsfonds seit Langem eindeutig: Der IWF darf sich nach seinen eigenen Regeln nur an einem Kreditprogramm beteiligen, wenn das betroffene Land seine Staatsschuld wieder tragfähig machen kann, wenn also die begründete Aussicht besteht, dass es sich wieder selbst am Kapitalmarkt finanzieren kann. Angesichts der griechischen Staatsschulden in Höhe von etwa 315 Milliarden Euro - das sind fast 180 Prozent der Wirtschaftsleistung - kann man daran zu Recht zweifeln. Kein Wunder also, dass der IWF weitere Schuldenmaßnahmen von den Europäern fordert. Nun ist es nicht so, dass noch keinerlei solcher Schritte gemacht wurden. Die Kreditlaufzeiten und die Fälligkeiten wurden verlängert, die Zinsen liegen nahe null. Aber das alles reicht dem IWF nicht. Wenn der Fonds also dabei bleiben soll, dürfte kein Weg daran vorbeiführen: Die Europäer müssen mittelfristig einen weiteren Schuldenerlass gewähren, der im Grunde einem Schuldenschnitt zulasten ihrer Haushalte gleichkommt - egal, wie man ihn dann auch bezeichnen mag. Schäuble nannte diese "Spekulationen" am Montag "völlig sinnlos". Über weitere schuldenerleichternde Maßnahmen werde erst nach Abschluss des laufenden Programms diskutiert. Also 2018, Hauptsache nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Schäuble will das Reizthema Schuldenerlass auf keinen Fall hochkochen lassen. Doch in der Euro-Gruppe stößt er damit auf Widerstand. Es mehren sich die Stimmen, die darauf dringen, schon vor dem Ende des laufenden Programms weitere konkrete Schritte für Schuldenerleichterungen zu beschließen. So könnten die Europäer den IWF überzeugen, an Bord zu kommen. "Was Schäuble fordert, geht einfach nicht", sagte ein EU-Diplomat, "er will den IWF dabei haben, aber dessen Bedingungen nicht akzeptieren." Ökonomisch wäre es für die Europäer kein Problem, ohne den Fonds aus Washington auszukommen; auch die Expertise haben sie sich in den vergangen Jahren erworben. Allen voran die griechische Regierung hätte nichts dagegen: Athen müsste für IWF-Kredite weitaus höhere Zinsen bezahlen als für jene des Euro-Rettungsfonds ESM. Seit 2010 wird das hoch verschuldete Land mit Krediten vor der Pleite bewahrt. Die Regierung in Athen hatte zuletzt im Sommer 2015 im Gegenzug für ein Kreditpaket von bis zu 86 Milliarden Euro umfangreiche Reformen zugesagt. Die Kreditraten werden stets in Schritten für erreichte Reformen ausgezahlt. Der IWF war bei den bisherigen Überprüfungen dabei - wenn auch nicht finanziell. Eurogruppen-Präsident Jeroen Dijsselbloem erklärte, dass der Fonds beim Treffen am Montag seine Absicht bekräftigt habe, bis Ende des Jahres über eine Beteiligung am dritten Griechenland-Programm zu entscheiden. "Es ist wichtig, so viel Fortschritt wie möglich zu machen, damit der IWF Klarheit bekommt", sagte Dijsselbloem. Es sei jedoch unmöglich, schon jetzt vorherzusehen, welche Schuldenerleichterungen 2018 nötig seien. Dies alles werde man bei der nächsten Sitzung Anfang Dezember besprechen. Mit dem IWF.
https://www.sueddeutsche.de/sport/handball-em-frankreichs-handballer-scheitern-an-spanien-1.3843413
mlsum-de-9629
Erst wirft Spanien das deutsche Team aus dem EM-Turnier, nun auch den großen Titelfavoriten. Im Finale kommt es zum Duell mit Schweden.
Deutschland-Bezwinger Spanien hat Frankreich entzaubert und steht im Finale der Handball-EM in Kroatien. Der Vize-Europameister besiegte den großen Turnierfavoriten im Halbfinale überraschend mit 27:23 (15:9) und greift nun im Endspiel am Sonntag gegen Schweden (Anpfiff 20.30 Uhr) nach seinem ersten EM-Titel. Die Franzosen, für die es nach zuvor sechs Siegen die erste Turnier-Niederlage war, spielen gegen Dänemark um Bronze. Bester Torschütze bei den Spaniern war Ferran Sole mit sieben Treffern. Aufseiten der Franzosen traf Kreisläufer Cedric Sorhaindo am häufigsten (6 Tore). Spanien überzeugte wie schon am Mittwoch gegen Deutschland (31:27) mit einer kompakten Defensive und konzentriertem Angriffsspiel. Immer wieder bissen sich die französischen Rückraumstars um Nikola Karabatic (3 Tore) an der beweglichen spanischen Abwehr die Zähne aus, vorne führten Daniel Sarmiento und der Ex-Kieler Joan Canellas geschickt Regie. Plötzlich sitzt Arpad Sterbik auf der Bank Schon vor Anpfiff der Partie gegen den sechsmaligen Weltmeister warteten die Iberer mit einer Überraschung auf. Der 38-jährige Arpad Sterbik, der seine internationale Karriere eigentlich beendet hatte, stand nach der Verletzung von Keeper Gonzalo Perez de Vargas plötzlich im Aufgebot. Und die bloße Anwesenheit des Weltmeisters von 2013 schien die Franzosen zu lähmen. Zwar saß Sterbik zunächst nur auf der Bank, doch Spanien führte schnell mit 6:3 (10.). Das französische Spiel wirkte uninspiriert und lethargisch. Bezeichnend, dass Nikola Karabatic wenige Sekunden vor dem Seitenwechsel einen Pass unbedrängt ins Seitenaus spielte und Spanien im Gegenzug mit dem Pausenpfiff auf 15:9 erhöhte. Auch im zweiten Abschnitt kamen die Franzosen nicht zum Zug. Egal was das französische Trainergespann Didier Dinart und Guillaume Gille versuchte, Spanien hatte immer die passende Antwort parat. Nach einem weiteren gehaltenen Siebenmeter von Sterbik und dem Treffer zum 23:14 (45.) war die Partie praktisch entschieden. Selbst einen 6:0-Lauf der Franzosen überstanden die Iberer unbeschadet. Spanien zählt im Handball seit Jahren zu den Top-Nationen. Das Team stand zwischen 2011 und 2016 bei allen großen Turnieren mit Ausnahme der Olympischen Spiele 2012 mindestens im Halbfinale, einen EM-Titel gab es allerdings noch nie. Dies soll sich am Sonntag ändern. Im Finale wartet Schweden Im Endspiel am Sonntag (20.30 Uhr) kommt es zum Duell mit Schweden. Die Skandinavier siegten überraschend 35:34 (28:28, 16:14)-Erfolg nach Verlängerung gegen Olympiasieger Dänemark. Beste Spieler bei den Schweden waren Torhüter Andreas Palicka vom deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen sowie Mattias Zachrisson: Der Spieler der Füchse Berlin war mit acht Treffern erfolgreichster schwedischer Torschütze. Den Dänen halfen dagegen auch die zwölf Tore von Mikkel Hansen nicht. Während Schweden oder Spanien damit die Nachfolge von Titelverteidiger Deutschland antreten werden, müssen die Dänen noch im Spiel um den dritten Platz gegen Weltmeister Frankreich antreten.
https://www.sueddeutsche.de/politik/raetselhafter-tod-eines-staatsanwalts-argentiniens-praesidentin-will-geheimdienst-aufloesen-1.2322684
mlsum-de-9630
Nach dem mysteriösen Tod des Staatsanwaltes Alberto Nisman plant die argentinische Präsidentin Kirchner die Auflösung des Geheimdienstes. Sie sieht den Fall als Teil einer Verschwörung gegen die Regierung, Agenten wirft sie "Komplizenschaft" vor.
Kirchner plant Auflösung des Geheimdienstes Rund eine Woche nach dem mysteriösen Tod des Staatsanwaltes Alberto Nisman hat Argentiniens Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner eine grundlegende Reform der Geheimdienste angekündigt. Das bisher als Geheimdienst fungierende "Secretaría de Inteligencia" (SI) soll demnach aufgelöst und durch eine Bundesagentur für Geheimdienste ersetzt werden, sagte Kirchner in einer TV-Ansprache. Ein entsprechender Gesetzentwurf soll dem Parlament vorgelegt werden. Der bisherige Geheimdienst habe ganz offensichtlich nicht den nationalen Interessen gedient, sagte Kirchner, die die Geheimdienste in den vergangenen Tagen mehrfach in Verbindung mit dem Tod Nismans gebracht hatte. Die Reform sei eine "Schuld", die seit der Rückkehr Argentiniens zur Demokratie im Jahr 1983 bestehe. Die Führungsspitze der neuen Agentur soll nach Kirchners Plänen zwar weiter von der Regierung benannt werden, aber der Zustimmung des Senates bedürfen. Agenten des SI warf Kirchner vor, in "Komplizenschaft" mit Staatsanwälten und Journalisten, Angriffe und haltlose Klagen gegen sie zu führen. Kirchner wittert Kampagne gegen die Regierung Vorige Woche hatte die Präsidentin im Zusammenhang mit Nismans Tod zudem von einer Kampagne gegen sie und die Regierung gesprochen und bestritten, dass der Tod des Sonderermittlers ein Suizid war. Zuvor war sie allerdings noch ganz anderer Meinung gewesen und hatte sich hinter die Selbsttötungs-Theorie gestellt. "Der Suizid, der (davon bin ich überzeugt) kein Suizid war", schrieb die Staatschefin in einem langen via Twitter zugänglich gemachten Brief. "Ich habe heute keine Beweise, aber ich habe auch keine Zweifel", schrieb sie. Aus Kirchners Sicht wurde Nisman für eine Operation gegen die Regierung missbraucht, ohne es zu wissen. "Sie haben ihn lebend benutzt und brauchten ihn dann tot. So traurig und schrecklich", schrieb sie, ohne konkrete Angaben über etwaige Hintermänner zu machen. Hintergründe zum Tod von Staatsanwalt Nisman Nisman hatte den Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus Amia von 1994 mit 85 Toten untersucht. Der Staatsanwalt warf Kirchner und Außenminister Héctor Timerman in einer Anklage vor, sie wollten wegen einer Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zu Iran die Strafverfolgung mutmaßlicher iranischer Drahtzieher des Attentats vereiteln. Nisman war am 18. Januar tot in seiner Wohnung gefunden worden. Der 51-Jährige starb durch einen Schuss aus nächster Nähe in den Kopf. Die Tatwaffe hatte er einen Tag vor seinem Tod von einem Mitarbeiter bekommen. Kirchner betonte in ihrer Fernsehansprache, dass es sich bei diesem Mitarbeiter um einen überzeugten Regierungsgegner handele. Hinweise auf Fremdeinwirkung hat die Untersuchung der Leiche nach Justizangaben nicht ergeben, aber auch an den Händen Nismans fanden sich keine Schmauchspuren. Die müsste es normalerweise geben, wenn sich jemand selbst erschießt. Die Justiz ermittelt auch wegen möglicher Anstiftung zur Selbsttötung durch Druck und Drohung.
https://www.sueddeutsche.de/geld/gartenabfaelle-verbrennen-verboten-1.3117096
mlsum-de-9631
Pflanzliche Überreste sollen künftig kompostiert oder zu Sammelstellen gebracht werden, um die Rohstoffe zu nutzen und die Umwelt zu schonen. Doch das Vorhaben stößt auf Kritik.
Der Ausblick auf eine blühende Kleingartenanlage kann den gefühlten Wohnwert der eigenen vier Wände beträchtlich steigern - gerade jetzt im Sommer. Doch dann naht die Herbstzeit, und die bunte Pracht zeigt ihre Schattenseiten, wenn die fleißigen Gärtner den Rasenschnitt, gefallenes Laub und morsche Äste entsorgen müssen. Eine gängige Methode ist das Verbrennen. Dann steigen vielerorts dicke Rauchschwaden in die Luft, und tränende Schleimhäute lassen die Anwohner die sommerliche Augenweide vergessen. Eigentlich ist das Verbrennen von Gartenabfällen laut dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) seit dem 1. Januar 2015 verboten. In etlichen Bundesländern und Kommunen gibt es jedoch Ausnahmeregelungen. An sogenannten Brenntagen dürfen zu genau festgelegten Zeiten Gartenbesitzer ihre Bioabfälle dem Feuer übergeben. Dass viele Gärtner es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen, erkennen Experten schon am Aufkommen kommunaler Kompostieranlagen, das deutlich höher sein müsste, wenn alle pflanzlichen Überreste brav abgeliefert würden. Diesem Missstand will man im Bundesumweltministerium ein Ende machen, wie ein Sprecher bestätigt. Bau- und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) arbeitet an einer Neufassung der Bioabfallverordnung, mit der auch das Verbot explizit festgeschrieben werden soll, Gartenabfälle zu verbrennen. Dies folgt dem Grundgedanken der gesamten Gesetzgebung zum Thema Müll, Abfälle als Rohstoff zu betrachten und so weit wie möglich wiederzuverwerten. So können Gartenabfälle durch Kompostierung zu Torfersatz und in begrenztem Maß zu Düngemitteln umgewandelt werden. Hinzu kommt, dass die Umweltbelastung etwa durch Feinstaub, der bei der Verbrennung von Gartenabfällen anfällt, reduziert wird. Zumindest die Anwohner der kokelnden Gartenfeuer dürften es den Hendricks-Beamten danken. Die Betroffenen sehen das womöglich ein wenig anders. Holger Becker, Pressesprecher des Verbands deutscher Grundstücksnutzer, bezweifelt, dass die neue Verordnung wirklich nötig ist. Er sieht zusätzliche Kosten auf die Gartenbesitzer zukommen, wenn sie ihre Abfälle künftig in eine kommunale Kompostieranlage bringen müssen. "Das macht den Leuten das Leben ein bisschen schwerer", meint Becker. "Man muss nicht päpstlicher sein als der Papst. Wir sind bisher gut gefahren mit dem, wie es ist." Zustimmung kommt hingegen vom eher ökologisch ausgerichteten Bundesverband der Gartenfreunde. "Für uns ist das Verbrennen seit vielen Jahren tabu", sagt ein Sprecher. Es gehe nicht nur um saubere Luft, sondern auch um den Schutz vieler Kleintiere, die in Laub-und Holzhaufen Unterschlupf fänden. Die Kirche im Dorf lassen will man allerdings auch im Umweltministerium. Man werde mit Augenmaß an die Neufassung der Verordnung gehen, heißt es. Die eigene Biotonne und der Komposthaufen bleiben als private Alternative zur amtlichen Sammelstelle. Und sogenannte Brauchtumsfeuer, etwa zu Ostern oder zur Sommersonnenwende, sollen weiterhin gestattet sein. Zudem wird auch im Ministerium nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ursprünglich sollte der Entwurf der novellierten Vorschrift noch in diesem Jahr fertig sein. Nun muss eine neue europäische Düngemittelverordnung abgewartet werden. In dieser Legislaturperiode, die im Herbst 2017 endet, dürfte es mit dem Verbrennungsverbot für Gartenabfälle wohl nichts mehr werden.
https://www.sueddeutsche.de/politik/afghanistan-deutsche-entwicklungshelferin-freigelassen-1.2696896
mlsum-de-9632
Ihr geht es "den Umständen entsprechend gut": Nach zwei Monaten Geiselhaft ist eine deutsche GIZ-Mitarbeiterin wieder auf freiem Fuß.
Die Reaktionen auf die Freilassung Die Geiselnahme einer deutschen Entwicklungshelferin in Afghanistan hat nach zwei Monaten ein glückliches Ende gefunden. "Wir sind sehr erleichtert und glücklich, dass unsere Mitarbeiterin wieder in Freiheit ist", teilte Tanja Gönner, Vorstandssprecherin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), am Samstagabend mit. Gesundheitlich gehe es der Mitarbeiterin "den Umständen entsprechend gut". Frank-Walter Steinmeier (SPD) zeigte sich am Rande seines Iran-Besuchs froh über die Freilassung der Frau: "Ich bin sehr erleichtert, dass die Deutsche wieder auf freiem Fuß ist", sagte der Bundesaußenminister. Er dankte den afghanischen Behörden und Deutschlands internationalen Partnern in Afghanistan für ihre Unterstützung. In diplomatischen Kreisen hieß es, die GIZ-Mitarbeiterin sei am Samstagmittag in der afghanischen Hauptstadt Kabul freigekommen. Sie befinde sich inzwischen in der Obhut der deutschen Botschaft. Die genauen Hintergründe der Freilassung waren zunächst unklar. Wie sich die Entführung abgespielt hat Die Frau war am 17. August in Kabul auf offener Straße verschleppt worden. Sie wurde von zwei bewaffneten Männern aus ihrem Auto gerissen. Die Entführung hatte sich im Stadtteil Kala-e-Fatullah ereignet, wo viele Entwicklungsorganisationen arbeiten. Dort leben auch viele Ausländer. "Die Frau wurde gekidnappt, als sie ihr Büro gerade verlassen wollte", sagte ein Polizeisprecher damals. Die beiden Männer hätten das Seitenfenster eingeschlagen, als die Deutsche bereits im Auto saß. Nach Angaben der Polizei fielen keine Schüsse. Weitere Geiselnahmen von Entwicklungshelfern Im Frühjahr war ein Bundesbürger, der für die GIZ arbeitete, im Norden des Landes von den radikal-islamischen Taliban verschleppt worden. Dem Mann gelang im Mai - nach etwa sechs Wochen in Geiselhaft - die Flucht. Zuvor war im vergangenen Oktober ein Mitarbeiter der Welthungerhilfe nach mehr als zweieinhalb Jahren Geiselhaft freigekommen. Das ist die GIZ Die GIZ ist die größte Entwicklungshilfeorganisation des Bundes. Nach ihren Angaben setzen sich in Afghanistan 180 deutsche und internationale sowie 1600 afghanische Mitarbeiter für die Entwicklung des Landes ein. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich zuletzt nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen deutlich verschlechtert. Nach UN-Angaben wurden im vergangenen Jahr 57 Entwicklungshelfer in den Land getötet. Afghanistan ist damit einer der gefährlichsten Einsatzorte für Helfer weltweit. Die Eskalation der Gewalt trifft aber vor allem die Einheimischen, die weit häufiger Opfer von Entführungen, Anschlägen und Angriffen werden als Ausländer.
https://www.sueddeutsche.de/sport/remis-in-letzter-minute-vertauschte-rollen-1.3755253
mlsum-de-9633
Frankfurt bestimmt die Partie bei der TSG, bis Uth spät auf Boatengs Führungstreffer antwortet. Derweil gehen die Transferdiskussionen um den Hoffenheimer Mittelstürmer Wagner weiter.
Nur wenige Klubs kennen die Binsenweisheit, nach der ein Fußballspiel tatsächlich erst fertig ist, wenn der Schiedsrichter es abpfeift, so gut wie die TSG Hoffenheim und Eintracht Frankfurt. Die Hoffenheimer kassierten in dieser Spielzeit in den Schlussphasen ihrer Spiele schon so oft Gegentore, dass sie lieber nicht die verlorenen Punkte addieren wollen. Die Eintracht dagegen gewann durch Tore in den letzten Sekunden ihrer Partien schon einige Zähler. An diesem Samstag aber tauschten die beiden Klubs die Rollen: Das Ausgleichstor der Hoffenheimer zum 1:1 durch Mark Uth in der Nachspielzeit verwehrte den Frankfurtern den vorübergehenden Sprung auf Rang 3. Die Badener halten nun mit 20 Punkten auf Tabellenplatz 5 den einen Punkt Abstand zur Eintracht. "So ist Fußball", meinte Eintracht-Trainer Niko Kovac: "In den letzten Wochen hatten wir oft das Glück am Ende auf unserer Seite, heute war es umgekehrt." Kovac sprach von einem "gerechten Ergebnis", aber als er dann doch "ganz ehrlich" war, gab er zu: "Dieses Spiel musst du gewinnen." Und nicht nur deshalb, weil seine Elf ein einziges Mal nach einer umstrittenen Freistoßentscheidung in der Entstehung des Gegentores schlecht verteidigte. "Machen wir das 2:0, dann ist das Ding gegessen", kritisierte Kovac. Doch weder Marc Stendera (29.), noch Mijat Gacinovic (38.) und zwei Mal Ante Rebic (76., 79.) nutzen ihre guten Möglichkeiten zum Ausbau der 1:0-Führung. Diese hatte Kevin Prince Boateng mit einem sehenswerten Schuss aus 20 Metern besorgt, der Hoffenheimer Lukas Rupp hatte ihm durch einen Fehlpass die Chance ermöglicht (13.). "Solche Flatterbälle trainiert man im Training, da gehen die Bälle normalerweise über den Zaun. Heute ist der Ball richtig gefallen", freute sich Boateng. Nach der Führung tat die Eintracht das, was sie am besten kann: verteidigen. In der zweiten Hälfte aber beschränkte sie sich nur darauf und geriet immer stärker unter Druck. Der eingewechselte Serge Gnabry dribbelte sich bis zur Grundlinie durch und bediente Uth, der die Kugel aus fünf Metern ins Tor drosch. Danach sank Uth mit schmerzverzerrten Gesicht zu Boden: Krampf im linken Bein. Später sagte er wieder sichtlich entspannt: "Das war heute ein Willenspunkt." Die Eintracht baut auf ihre Bissigkeit - Kevin Prince Boateng Mehr war nicht drin gegen diese Eintracht, die erneut zeigte, dass sie sich gegen jeden Gegner der Liga behaupten kann. Der Abstand nach unten ist nach zwölf Spieltagen groß genug, um nach oben schauen zu können. Das ist nach über einem Drittel der Saison eine Perspektive, die der im Sommer neu zusammengestellten Mannschaft kaum jemand zugetraut hätte. Der Trainer hat es verstanden, aus vielen Profis aus vielen Ländern eine bissige und funktionierende Mannschaft zu formen. Und Kevin Prince Boateng unterstrich auch in Hoffenheim wieder, wie wichtig er für diese Elf sofort nach seinem mitunter kritisch begleiteten Wechsel aus Las Palmas geworden ist. Im zentralen Mittelfeld ist er das Herz der Eintracht. Der 30-Jährige gewinnt die Mehrzahl seiner Zweikämpfe, spielt kluge Pässe und ist torgefährlich. Wie selbstverständlich dominiert er trotz einer langen Verletzungsgeschichte das Frankfurter Spiel mit seinen strategischen Fähigkeiten. Nicht seinen besten Tag hatte dagegen TSG-Stürmer Sandro Wagner. Er verlor viele Bälle und vergab nach einem Fehler von Eintracht-Torwart Lukas Hradecky die einzige Großchance der TSG (41.). In der zweiten Hälfte wechselte Trainer Julian Nagelsmann den Nationalstürmer aus. Wagner wurde dabei mit vereinzelten Pfiffen aus dem Hoffenheimer Fanblock begleitet. Unter der Woche war bekannt geworden, dass der FC Bayern Interesse hat, den Stürmer als Backup für Robert Lewandowski in der Winterpause zu verpflichten. Wagner, dessen Frau mit beiden Kindern in seiner Geburtsstadt München lebt, will angeblich auch gerne zu seinem Jugendverein wechseln. Die schwache Leistung Wagners sei aber nicht mit dem Bekanntwerden der Verhandlungen in Verbindung zu bringen, meinte Nagelsmann: "Das wäre viel zu plump." Und TSG-Manager Alexander Rosen betonte, dass die Geschichte intern ja schon rund zwei Wochen bekannt sei. Über den Stand der Verhandlungen um die Ablösesumme werde die TSG keine Zwischenstände abgeben, erklärte Rosen. Zwar sagte er, dass es auch sein könne, dass Wagner in Hoffenheim bleibe, schränkte jedoch ein: "Es gibt eben in der Nahrungskette des Transfermarkts Vereine, die über uns stehen. Das muss man akzeptieren." Hoffenheim verkaufte in den letzten zwei Jahren viele wichtige Spieler gewinnbringend und schaffte es dennoch, die beste Phase der Vereinshistorie einzuleiten, gab Rosen zu bedenken.
https://www.sueddeutsche.de/sport/champions-league-psg-neapel-1.4185502
mlsum-de-9634
Der deutsche Trainer hat ein Problem: Sein Fußball wirkt bei Paris Saint-Germain zu brav und zu verkopft. In der Champions League könnte ihm bald ein Endspiel drohen.
War da was? "Wie schön, wieder mal hier zu sein", sagte Carlo Ancelotti: "Ich habe einige Leute wiedergesehen, die mit mir Meister geworden sind." 2013 war das, Ancelotti trainierte damals Paris St. Germain. Doch vor einem Jahr hatte er im Stadion Parc des Princes auch Stunden größter Schmach erlebt, als sein FC Bayern gegen PSG 0:3 unterging - und er tags darauf gefeuert wurde. Schnee von gestern. Am Mittwochabend ging Ancelotti als Sieger vom Platz, auch wenn der SSC Neapel in der Nachspielzeit noch den Ausgleich hinnehmen musste. Das 2:2 von Angel Di Maria, ein perfekt in den Torwinkel geschraubter Ball aus 25 Metern, kam erst in der 93. Minute. "Ich bin ihm trotzdem ewig dankbar, für alles, was er als Spieler für mich getan hat," seufzte Ancelotti: "Sicher, wenn er heute danebengehauen hätte, wäre ich es noch mehr." So spricht ein Grandseigneur. Einer, der eigentlich alle Großen schon mal irgendwo trainiert hat, natürlich auch Di Maria - damals bei Real Madrid. Und einer, der bei diesem 2:2 wieder bewiesen hat, dass man keine Giganten braucht, um das eigene Spiel zu machen - sondern einen Trainer, "der uns seine ganze Erfahrung und Gelassenheit eingeimpft hat", wie Neapels Torschütze Lorenzo Insigne schwärmte. Nicht Neymar, nicht Kylian Mbappé, auch nicht der ehemals für Napoli fliegende Erzengel Edinson Cavani haben die Show bestritten, sondern Ancelottis kleine Männer. Der 163 Zentimeter kurze Insigne eröffnete den Reigen mit einem lässigen, federleichten Lupfer zum 1:0 (29.), vorbei an einer viel zu hölzernen Pariser Abwehr, die mit dem Spielwitz der Südländer dauerüberfordert wirkte. Vom furiosen Start der französischen Riesen ließen sich die Neapolitaner nicht lang bluffen, der Einschüchterungsversuch verpuffte beim zweiten Konter. Danach tricksten sich Insigne und die anderen unablässig nach vorn. Viele Chancen, nur zwei Tore, das war Ancelottis einziger Vorwurf an seine hinreißend leichtfüßige Elf: "Wir waren zu verschwenderisch." Auch der Tuchels Taktikwechsel auf eine Abwehr-Dreierkette brachte nicht die Wende So gelang Paris der zwischenzeitliche Ausgleich durch ein Eigentor des Spaniers Mario Rui (61.), bevor der unermüdliche Belgier Dries Mertens hellwach die Konfusion im Strafraum nutzte (2:1/77.). Mertens ist mit 169 Zentimetern nur wenig größer als der Irrwisch Insigne, genauso flink, ebenso sprühend. Die Frechheit der Flöhe siegte, hochverdient führte Neapel 2:1. Thomas Tuchels Taktikwechsel in der Pause mit der Umstellung auf eine Dreierabwehr hatte den farblos agierenden Juan Bernat den Platz gekostet, die Gäste jedoch nicht aus dem Konzept gebracht. Immerhin verlieh der eingewechselte frühere Schalker Thilo Kehrer der PSG-Defensive mehr Stabilität, aber Paris litt weiter. Keine Leichtigkeit, keine Struktur, keine Dominanz, analysierte gewohnt selbstgeißelnd Tuchel: "Neapel ist seit Jahren aufeinander eingespielt. Wir aber arbeiten erst seit ein paar Monaten zusammen." Tuchel übersieht, dass der Kollege Ancelotti auch erst im Sommer in Neapel eingetroffen ist. Dort übernahm er ein Team, das regelmäßig seine Besten ziehen ließ, unter anderem zu PSG, das Ancelottis Vorgänger Maurizio Sarri aber gerade deshalb zu einem eingeschworenen Kollektiv geformt hatte. In Paris erwies sich, dass Sarris strenger Offensivfußball noch besser funktioniert, wenn er mit Ancelottis Lässigkeit abgerundet wird.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeskanzlerin-fluechtlingsmaedchen-streichelt-merkel-1.2570372
mlsum-de-9635
Die hölzerne Reaktion der Kanzlerin auf das Schicksal eines Flüchtlingsmädchens hat viele Menschen wütend gemacht. Die 14-Jährige selbst nimmt Merkel in Schutz - und bleiben darf sie vielleicht auch.
"Sie hat zugehört und ihre Meinung gesagt" Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf das Schicksal und die Emotionen des Flüchtlingsmädchens Reem Sahwil hat im Netz für einen Sturm der Entrüstung gesorgt. Nun hat sich die 14-Jährige selbst geäußert - und sich mit Kritik an der Kanzlerin zurückgehalten. "Sie hat zugehört und hat ihre Meinung dazu gesagt, und das finde ich auch in Ordnung", sagte Reem Sahwil im ARD-Morgenmagazin. Enttäuscht zeigte sie sich darüber, dass die Kanzlerin ihr in Bezug auf ihren Aufenthaltsstatus in Deutschland nichts versprechen wollte. Die 14-Jährige Palästinenserin kam vor vier Jahren über Libanon nach Deutschland, hat aber kein Bleiberecht. Merkel kündigte bei dem Bürgerdialog in Reem Sahwils Schule in Rostock nur an, Fälle wie ihren in Zukunft schneller prüfen zu wollen. "Ich werde mich jetzt erst mal damit abfinden und hoffen, dass es was bringt", sagte Reem Sahwil. Eine Abschiebung droht wohl nicht Eine Abschiebung muss sie wohl nicht mehr befürchten. Im Juni verabschiedete der Bundestag eine Reihe von Gesetzesänderungen, die den Status von Flüchtlingen in Deutschland betreffen. Eine Regelung sieht vor, dass jugendliche Flüchtlinge, die in Deutschland eine Schule besuchen, nach vier Jahren ein Bleiberecht erhalten sollen. Auch Aydan Özoğuz, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, machte Reem Sahwil im Gespräch mit Spiegel-Online Hoffnung, in Deutschland bleiben zu können. Unklar ist, warum Merkel gegenüber dem Mädchen nicht auf diese neue Rechtslage einging. In einem Interview mit dem ARD-Morgenmagazin, das bereits vor dem Aufeinandertreffen mit der Bundeskanzlerin entstand, hatte Reem Sahwil auch über die Angst gesprochen, die ihr Leben begleitet habe, bevor sie nach Deutschland kam. "Ich hatte viel mit Krieg und Unsicherheit zu tun", sagte sie. "Solange ich hier bin, werde ich die Angst zwar in mir behalten, aber es wird immer besser." Am Mittwoch hatte sich die Bundeskanzlerin in Rostock bei einem Bürgerdialog den Fragen von Schülern einer Schule für Körperbehinderte gestellt. Die Fragen von Reem Sahwil, ob sie in Deutschland bleiben könne, hatte Merkel unverblümt beantwortet. "Politik ist manchmal hart", sagte sie. "Es werden manche wieder zurückgehen müssen." Als Reem zu weinen anfing, nahm die Bundeskanzlerin offenbar Lampenfieber als Grund an. "Du hast das doch prima gemacht", sagte sie zu dem Mädchen und streichelte ihm über den Kopf. Unter #merkelstreichelt kritisierten viele Internetnutzer die Kanzlerin und warfen ihr herzloses Verhalten vor.
https://www.sueddeutsche.de/geld/neuer-plan-zur-suchtbekaempfung-kneipen-sollen-auf-spielautomaten-verzichten-1.1057403
mlsum-de-9636
Die Drogenbeauftragte des Bundes will die Spielsucht bekämpfen und Glücksspielautomaten aus Gaststätten verbannen. 50.000 Geräte sollen abmontiert werden.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), will Glücksspielautomaten aus Gaststätten verbannen und drastische Auflagen für die mehr als 10.000 Spielhallen in Deutschland durchsetzen. "Das höchste Suchtpotential beim Glücksspiel gibt es bei den Automaten", sagte Dyckmans der Süddeutschen Zeitung. Deshalb müsse die Regierung hier tätig werden. Detailansicht öffnen 50.000 Spielautomaten will die Suchtbeauftragte der Bundesregierung aus Gaststätten entfernen. (Foto: ddp) Auf viele Kneipen kommt damit nach dem Rauchverbot die nächste Einschränkung zu. Die 50.000 Automaten, die derzeit dort wie auch in Tankstellen, Einkaufszentren oder Flughäfen aufgestellt sind, sollen abmontiert werden. Schon heute dürfen Gaststättenbesucher unter 18 Jahren nicht an den Automaten spielen. Die Vorschrift wird jedoch Dyckmans zufolge "meist nicht eingehalten". Es sei kaum möglich, die Gaststätten zu beaufsichtigen und vorbeugende Maßnahmen gegen Spielsucht sicherzustellen. "Viele Jugendliche werden dort anfällig für das Automatenspiel." Der Grundstein für eine Sucht werde im Jugendalter gelegt. "Das haben wir beim Alkohol, ganz extrem bei Zigaretten, und eben auch beim Glücksspiel." Nach Angaben von Dyckmans sind bis zu 400.000 Menschen in Deutschland dem Glücksspiel verfallen. Sie seien in Gefahr, viel Geld zu verlieren. Konflikte in der Familie und am Arbeitsplatz seien die Folge. Deshalb müsse der Staat "mehr für die Prävention tun, damit die Menschen erst gar nicht süchtig werden". Bei den staatlichen Casinos, Sportwetten und Lotterien ist das bereits der Fall. Die Bundesländer, die diese Glücksspiele regeln, haben strenge Auflagen verfügt. So werden in den Casinos die Gäste namentlich erfasst. Wer süchtig nach Roulette oder Black Jack wird, der erhält deutschlandweit ein Zutrittsverbot. Höchstgewinne und -verluste Dyckmans will nun auch bei den privat betriebenen Spielhallen durchgreifen, die mit den Automaten jährlich über drei Milliarden Euro Umsatz machen. "Für süchtige und suchtgefährdete Spieler brauchen wir hier ebenfalls ein bundesweites Sperrsystem", sagte sie. Auf diese Weise könnte ein Zutrittsverbot erlassen werden. Zudem soll vorgeschrieben werden, dass die Besucher solcher Hallen nur noch mit einer Spielerkarte zocken dürften. Auf diese Weise könne verhindert werden, "dass die Leute an mehreren Automaten gleichzeitig spielen". Die Drogenbeauftragte fordert außerdem höhere Bußgelder bei Verstößen. Bisher sind maximal 2500 Euro möglich. Die Sanktionen müssten bis zum Konzessionsentzug reichen, "wenn jemand sehenden Auges an seinen Automaten einen Spielsüchtigen zocken lässt". Dyckmans muss nun das Gespräch mit ihrem Parteifreund Rainer Brüderle suchen, der als Bundeswirtschaftsminister für die Spielhallen zuständig ist. Eine Ministeriumssprecherin sagte auf Anfrage, Brüderle wolle "die Regulierung von Spielautomaten in Gaststätten drastisch verschärfen". So könnten etwa Höchstgewinne und -verluste vorgeschrieben und die Zahl der Geräte pro Kneipe streng reglementiert werden. Von einem völligen Verbot der Automaten in Gaststätten halte der Minister allerdings bisher nichts. Dyckmans will sich dennoch nicht von ihren Plänen abbringen lassen. "Meine Forderungen sind dem Wirtschaftsministerium bekannt", sagt sie.
https://www.sueddeutsche.de/sport/mats-hummels-und-jerome-boateng-die-schmerzensmaenner-des-fc-bayern-1.3469122
mlsum-de-9637
Obwohl sie sichtlich leiden, halten Hummels und Boateng gegen Real Madrid 120 Minuten durch. Nicht nur ihr Auftritt zeigt: Trotz der Niederlage kann der FC Bayern auf einiges stolz sein.
Die gute alte Pferdesalbe hat zu Unrecht schon lange keine Erwähnung mehr gefunden, wenn es ums Lindern von Schmerzen bei Fußballspielern geht. Das Zeug wärmt das Gewebe und umschmeichelt malade Muskeln. Neben dem Eisspray hat es im Fußball eine steile Karriere hingelegt, und wahrscheinlich haben sich auch Mats Hummels und Jérôme Boateng in Madrid eine Ladung der Creme gegönnt. Oder haben sie einen Wunderheiler konsultiert? Einen Druiden mit weißem Rauschebart? Überliefert ist nur: Beide absolvierten das 2:4 im Estadio Santiago Bernabéu stehend auf zwei Haxen und mussten nicht etwa in den Mannschaftsbus getragen werden. Dass sie nach ihren diversen Verletzungen zuvor überhaupt mitspielten - und vor allem, wie sie mitspielten -, verlangte selbst den Hartgesottensten Respekt ab. Vielleicht haben beim FC Bayern, wo ein gewisser Oliver Kahn einst das Credo "Eier, wir brauchen Eier" predigte, in dieser Schmerzensnacht tatsächlich zwei seiner Nachfolger ihr Titanen-Diplom abgelegt. Hummels etwa konnte mit seinem zuvor umgeknickten Fuß bis einen Tag vor dem Rückspiel in Madrid kaum seriös sprinten - als es gegen Ronaldo, Benzema und den Rest der königlichen Raser ging, war er aber da. Hummels verteidigte. Und wie. Obwohl er sichtlich humpelte und rumpelte, flickte und stopfte der Innenverteidiger Löcher, wo es ging. Er grätschte an der Mittellinie, er flog in einen Kanonenschuss von Toni Kroos, der seinen Weg ins Tor gefunden hätte. Er fischte Gegnern Bälle vom Fuß, einmal sogar Reals Mittelfeldspieler Luka Modric, der so gut wie noch nie in seinem Leben einen Ball verloren hat. "Jérôme und ich sind weit über die Schmerzgrenze gegangen" "Wir haben alles auf den Platz geworfen, was wir zur Verfügung hatten", sagte Hummels hinterher. Dass dazu konstante Selbstüberwindung nötig war, bekamen alle Beobachter mit. Hummels' Zuspielen wohnte jenes Flattern inne, das verriet: Hier spielt einer, der gegen Mainz, Ingolstadt oder beim Paulaner Cup sicher nicht dabei wäre. "Jérôme und ich haben das ausgeblendet und sind weit über die Schmerzgrenze gegangen", erzählte Hummels noch, er habe sich selbst gewundert, wie das funktionierte. Wohl eine Mischung aus Pferdesalbe, erlaubten Schmerzmitteln und Wille, mindestens. Ebenso deutlich trat in diesem Rückspiel die körperliche Versehrtheit bei Boateng zum Vorschein. Beim sonst so dynamischen, vor Wucht strotzenden Innenverteidiger schwanden ab dem Seitenwechsel die Kräfte. In der zweiten Halbzeit beugte er sich bald im Minutentakt nach vorne, fasste sich an die Muskulatur, trabte nur mehr. Und trotzdem blockte auch er ein Kroos-Geschoss. Trotzdem rannte er Bälle vor Ronaldo ab. Trotzdem stand er immer wieder auf, wenn doch Liegenbleiben aus medizinischer Sicht wohl die vernünftigste Variante gewesen wäre. Es waren Bilder, die bleiben - Momente, von denen man sich noch lange erzählen wird. "Es ist schon brutal, wenn man sieht, was wir alles reingehauen haben", fand Thomas Müller, der spät ins Spiel gekommen war. Nicht etwa für Hummels oder Boateng, die sich die vollen 120 Minuten durchtankten, wie es so schön heißt. Sondern für Mittelfeldspieler Xabi Alonso, dessen Auswechslung den Münchnern leider erneut ihre Stabilität raubte. "Männerfußball" sei das gewesen, ereiferte sich der emotional aufgeladene Müller. Auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ließ neben seinem Ärger auf den Schiedsrichter ("Wir wurden beschissen, ich fühle große Wut!") salbungsvolle Worte verlauten: "Ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut vor diesen Spielern." Dass auch Stürmer Robert Lewandowski seine lädierte Schulter kompromisslos in jedes Duell mit Sergio Ramos keilte und Nationaltorhüter Manuel Neuer die Schlussminuten mit gebrochenem Fuß (er fällt acht Wochen aus) durchstand, verdeutlichte den Eindruck: Es gab in dieser Nacht der Niederlage einiges, auf das die Bayern stolz sein können. Die Ahnengalerie der Schmerzensmänner, aus der verwundete Durchhalter wie Schweinsteiger (Veilchen, Platzwunde, Knöchel), Beckenbauer (Schlinge um den Arm) oder Dieter Hoeneß (Turban) grüßen, ist nun um einige Bayern-Spieler reicher.
https://www.sueddeutsche.de/sport/doping-franzoesischer-ex-fussballer-wir-haben-gedopt-die-deutschen-aber-noch-mehr-1.3754335
mlsum-de-9638
Jean-Francois Larios war einer der besten französischen Fußballer. Nun packt er über Doping aus - und beschuldigt auch deutsche Klubs.
Eine neue Fußballer-Biografie liegt vor, und auch das nächste Geständnis: Jean-Francois Larios packt aus, Frankreichs Fußballer des Jahres 1980 hat sich gern mit Amphetaminen vollgepumpt, beichtet er im Buch "Ich habe mit dem Feuer gespielt". Und wie: Einmal, so der 61-Jährige, sei er in einem Spiel "geradezu explodiert"; er habe einen Tag gebraucht, "um runterzukommen". Das war selbst für einen wie ihn, der vor großen Spielen Captagon einwarf, zu viel. Die Gesundheit habe er durchs Doping drangegeben, schreibt Larios. "Die Medikamente haben mein Hirn angegriffen. Hätte ich gewusst, was Captagon mit mir anstellt, ich hätte die Finger weg gelassen." Larios hatte seine beste Zeit bei AS St. Etienne, an der Seite der nationalen Ikone Michel Platini. Der französische Topverein, der 1975 das Landesmeister-Finale 0:1 gegen Bayern München verlor, zählte mit Ajax Amsterdam und Real Madrid zu den großen Teams jener Ära. Larios beschreibt, mit Amphetaminen habe er Allmachtsgefühle statt Müdigkeit erlebt, auch Teamkollegen hätten gedopt. Trotzdem habe es damals auch in dieser Hinsicht schon Bessere gegeben, behauptet er. So habe er das erste Mal im Herbst 1976 im Uefa-Cup gegen Eindhoven gedopt. Der Grund: "Die Holländer und auch die Deutschen waren damals allen anderen physisch überlegen." "Sie hatten etwas anderes, einen Cocktail, den wir nicht kannten" Seinen Verdacht gegen Teams aus diesen Ländern präzisierte Larios nun gegenüber der Zeitung Le Parisien. Er habe nur vor großen Anlässen gedopt: "Wenn es darum ging, mit Holländern oder Deutschen gleichzuziehen." Dazu schildert er ein Uefa-Cup-Heimspiel, das St. Etienne 1:4 gegen Borussia Mönchengladbach verlor. "Ich hatte Captagon, aber sie hatten etwas anderes, einen Cocktail, den wir nicht kannten. Sie waren hoch überlegen." Profiklubs in Deutschland und anderswo haben Dopingpraktiken stets bestritten. Als Nationaltorwart Toni Schumacher 1986 per Biografie Dopingexzesse ausplauderte, warf ihn der Deutsche Fußball-Bund gar aus der Nationalelf; er musste von Köln in die Türkei wechseln. Larios hält es auch für naiv zu glauben, dass Ajax Amsterdam mit "Johan Cruyff und seiner Clique" dreimal Europacupsieger ohne Hilfsmittel geworden sei. Er deutet an, wie er solche öffentlichen Behauptungen abgesichert hat: In St. Etienne und Bastia spielte er mit einem aus jener Clique, Johnny Rep, zusammen. Auch Nationalspieler Rep hat schon von Doping im Fußball berichtet, auch im Team um den späteren Uefa-Präsidenten Platini. All das passt perfekt ins Raster des Fußballs, der gern so tut, als habe Doping just in dieser bestbezahlten Sprint-Ausdauer-Sparte keinen Platz; was mit negativen Dopingtests begründet wird, die im Fußball noch ineffektiver sind als anderswo. Enthüllungen gibt es also nur, wenn große Spieler in Frankreich, England, Italien, Portugal auspacken.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/telekom-spitzelaffaere-ein-letzter-vorwurf-1.957862
mlsum-de-9639
Einfach mal durchschnaufen: Die Staatsanwaltschaft prüft bei dem früheren Telekom-Spitzenduo Ricke und Zumwinkel nur noch den Verdacht der üblen Nachrede.
Seit Monaten schon haben Kai-Uwe Ricke und Klaus Zumwinkel, die einst das Spitzenduo bei der Deutschen Telekom bildeten, auf einen für sie positiven Bescheid der Bonner Staatsanwaltschaft gewartet. Diese Woche war es so weit. Die Strafverfolger teilten den beiden mit, gegen sie werde in der Spitzelaffäre bei der Telekom nicht mehr wegen Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses ermittelt. Ex-Vorstandschef Ricke und der frühere Aufsichtsratschef Zumwinkel können durchschnaufen. Sie werden nicht angeklagt, sie werden nicht für die Bespitzelung von Aufsichtsräten, Betriebsräten und Journalisten verantwortlich gemacht. Die Telekom hatte illegal Telefonverbindungsdaten erhoben und ausgewertet, um herausfinden, wer geheime Unterlagen des Telefonkonzerns an die Presse weitergegeben hat. Detailansicht öffnen Gegen Kai-Uwe Ricke (links) und Klaus Zumwinkel wird nicht mehr mehr wegen Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses ermittelt. (Foto: ag.ddp) Ganz aufatmen kann das einstige Spitzenduo der Telekom aber noch nicht. Einen Verdacht gegen die beiden prüft die Staatsanwaltschaft noch gesondert, nämlich den Vorwurf der üblen Nachrede. Das ergibt sich aus dem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Bescheid der Bonner Strafverfolgungsbehörde. Darin wird auf den früheren Bundesinnenminister Gerhard Baum und Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin Bezug genommen. Sie vertreten als Rechtsanwälte die meisten der gut 50 ausspionierten Betriebs- und Aufsichtsräte und Journalisten. Baum und Däubler-Gmelin haben die Staatsanwaltschaft vor zwei Monaten darauf hingewiesen, Ricke und Zumwinkel hätten einigen Aufsichts- und Betriebsräten fälschlicherweise vorgeworfen, Dienstgeheimnisse verraten zu haben. Das erfülle den Straftatbestand der üblen Nachrede. Dieser Anzeige geht die Staatsanwaltschaft, damit sie das eigentliche Ermittlungsverfahren nach zwei Jahren abschließen konnte, nun gesondert nach. Zumwinkels Anwalt Hanns W. Feigen sieht dem neuen Verdacht gelassen entgegen. "Das kann nur kalter Kaffee sein." Und der Hauptvorwurf, Ricke und Zumwinkel hätten das Post- und Fernmeldegeheimnis verletzt, ist nun vom Tisch. Dazu schreibt die Staatsanwaltschaft in ihrem Bescheid, sie habe nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen können, dass Ricke und Zumwinkel vom illegalen Gebrauch von Telefonverbindungsdaten zu Spitzelzwecken gewusst hätten. Bei Ricke führen die Strafverfolger noch aus, man habe "erhebliche Zweifel", dass der damalige Konzernchef über diese Methoden in seiner Firma informiert gewesen sei oder diese Nachforschungen gar in Auftrag gegeben habe. Mangels hinreichenden Tatverdachts sei das Verfahren gegen Ricke daher einzustellen. Das geschieht auch deshalb, weil sich ein Kernvorgang nicht aufklären lässt. Und das wiederum ist deshalb der Fall, weil einer der Hauptzeugen, Ex-Konzernanwalt Michael Hoffmann-Becking, am Ende seine Aussage verweigerte, nachdem er das einstige Spitzenduo zuerst belastet hatte. Hoffmann-Becking hatte den Ermittlern von einem Treffen Ende Oktober 2005 berichtet. Damals hatte Zumwinkel im Beisein von Ricke und Hoffmann-Becking einem Aufsichtsratsmitglied vorgehalten, internes Material an die Presse gegeben zu haben. Dieser Aufsichtsrat, Telekom-Betriebsratsschef Wilhelm Wegner, bestritt das. Hoffmann-Becking berichtete den Ermittlern auch von einem Vorgespräch mit Ricke und Zumwinkel vor diesem Treffen mit Wegner. In dem Vorgespräch sei über die Erhebung von Telefonverbindungsdaten von Wegners Handy gesprochen worden. Ricke und Zumwinkel seien wegen der ganzen Sache besorgt gewesen; womöglich auch darüber, dass der Gebrauch von Telefonverbindungsdaten für interne Nachforschungen bei der Telekom öffentlich bekannt werden könne, sagte Hoffmann-Becking aus. Ricke und Zumwinkel widersprachen dem Zeugen Hoffmann-Becking. Die Staatsanwaltschaft wollte daraufhin Hoffmann-Becking noch einmal befragen, um die widersprüchlichen Angaben aufzuklären. Doch der Starjurist, der auch Konzerne wie Siemens vertritt, berief sich nunmehr auf seine anwaltliche Schweigepflicht und sagte nicht mehr aus. Das Amtsgericht Bonn bestätigte im März 2010, dass Hoffmann-Becking die Aussage verweigern dürfe. Der Vorgang blieb im Dunkeln. Andere Beschuldigte sollen vor Gericht. Drei Ex-Mitarbeiter der Telekom sind wegen der Spitzeleien angeklagt, ebenso wie der Chef der Berliner Firma Network, der dabei geholfen hatte. Dem Network-Chef wird auch versuchte Erpressung vorgeworfen. Bei weiteren sieben Beschuldigten von Telekom und Network wird eine Verfahrens-Einstellung etwa gegen eine Geldzahlung geprüft.
https://www.sueddeutsche.de/sport/werder-bremen-finales-angebot-fuer-eichin-1.2652949
mlsum-de-9640
Der Geschäftsführer muss über seinen Verbleib bei Werder Bremen entscheiden. Saskia Bartusiak wird neue Spielführerin der DFB-Frauen. Barcelonas Rafinha reißt das Kreuzband.
Werder Bremen: Fußball-Bundesligist Werder Bremen hat seinem Geschäftsführer Thomas Eichin ein finales Angebot für eine Vertragsverlängerung unterbreitet. Beide Seiten konnten sich in den vergangenen Monaten nicht einigen. "Seit Mittwoch habe ich das Angebot vorliegen. Ich muss jetzt überlegen, ob ich es annehme", sagte Eichin am Donnerstag zu Bremer Journalisten. Angeblich bietet der Werder-Aufsichtsrat um den Vorsitzenden Marco Bode dem früheren Gladbacher Bundesliga-Profi Eichin einen Vertrag bis 2018 inklusive einer Gehaltserhöhung. Nach Informationen von bild.de soll der 48-Jährige statt bislang 300 000 demnächst 500 000 Euro pro Jahr erhalten. Thomas Eichin hatte im Dezember 2012 seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Eishockey-Traditionsclubs Kölner Haie beendet und im Februar 2013 die Nachfolge des heutigen Wolfsburger Managers Klaus Allofs an die Weser angetreten. Sein derzeitiger Vertrag beim SV Werder läuft im Sommer 2016 aus. Frauenfußball, Nationalmannschaft: Saskia Bartusiak ist neuer Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Die Frankfurterin wurde von Bundestrainerin Silvia Neid und dem Trainerteam zur Nachfolgerin von Nadine Angerer bestimmt, die ihre Laufbahn beendet hat. Bartusiak führt die deutsche Auswahl am Freitag in Halle/Saale erstmals als Spielführerin in die EM-Qualifikations-Begegnung gegen Ungarn. Ihr Team ist in Staffel 3, zu der noch Russland und Kroatien gehören, der klare Favorit auf die Fahrkarten zum Championat 2017 in den Niederlanden. Basketball, Dennis Schröder: Spielerberater Ademola Okulaja hat seinen Schützling Dennis Schröder gegen die Kritik nach der Basketball-EM in Schutz genommen. "Es sagt niemand, dass Dennis keine Fehler gemacht hat, aber es ist so typisch Deutsch, dass er sofort perfekt sein muss", sagte Okulaja dem Online-Portal sport1.de. Zuletzt hatte Marko Pesic, Geschäftsführer vom FC Bayern München, Schröder in einem Interview der Süddeutschen Zeitung attackiert. "Wenn Schröder in Zukunft Anführer der Nationalmannschaft sein möchte, wird das so nicht funktionieren: ich, ich, ich! Dann werden sich sehr bald Teamkollegen von ihm abwenden", hatte Pesic gesagt. Okulaja, Berater von Schröder, stören vor allem die ständigen Vergleiche mit Superstar Dirk Nowitzki. "Beide sind eigenständige Persönlichkeiten, damit müssen sich langsam mal alle abfinden. Und das ist auch gut so. Warum soll sich Dennis für irgendwelche Kritiker verbiegen, wenn er mit seiner Art erfolgreich ist", sagte Okulaja. "Dennis ist der beste Point Guard, den Deutschland jemals hatte. Punkt", meinte der 40-jährige Ex-Nationalspieler. Schröder hatte bei der EM mit der Vorrunde in Berlin, bei der die deutschen Mannschaft bereits in der Gruppenphase gescheitert war, im letzten Spiel gegen Spanien in den Schlusssekunden den entscheidenden Freiwurf vergeben. Für Aufsehen hatte zudem seine öffentliche Kritik an der Taktik von Bundestrainer Chris Fleming nach dem Italien-Spiel gesorgt. Fußball, FC Barcelona: Mittelfeldspieler Rafinha vom FC Barcelona hat sich einen Kreuzbandriss im rechten Knie zugezogen und fällt für mehrere Monate aus. Der Bruder von Fußball-Profi Thiago vom FC Bayern München, der wegen drei Innenbandrissen am rechten Knie ebenfalls über ein Jahr verletzt gefehlt hatte, soll in den kommenden Tagen operiert werden, teilte sein Club am Donnerstag mit. Der 22-Jährige hatte sich die Verletzung am Mittwochabend beim 1:1 in der Champions League gegen den AS Rom zugezogen. Er war in der 61. Minute eingewechselt worden, musste nach einem Foul von Roms Radja Nainggolan aber nur wenige Minuten später wieder vom Platz gebracht werden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/formel-1-man-sollte-ihnen-nicht-mal-erlauben-zu-reden-1.2930820
mlsum-de-9641
Vermarkter Bernie Ecclestone gegen die Fahrer: In der Formel 1 spitzt sich ein Machtkampf zu. Die Zuschauer ärgern sich deshalb auch in Bahrain über das verwunderliche Qualifying.
Gut drei Minuten vor Schluss stellen die Top-Teams in der Qualifikation zum Großen Preis von Bahrain die Arbeit ein; die Vernunft, die Reifen und die neuen Regeln verhindern das große Finale. Immerhin verbessert sich Weltmeister Lewis Hamilton in seinem zweiten Versuch von Rang vier auf die Pole-Position. Damit ist die Reihenfolge am Start die gleiche wie schon beim Saisonauftakt in Australien: Hamilton vor seinem Teamkollegen Nico Rosberg und den beiden Ferrari von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Das Silberpfeil-Duo konnte einmal mehr von der besten Motorenleistung auf der schnellsten Runde profitieren, die Italiener setzen auf das Rennen und eine andere Reifenstrategie. Erfreulich aus deutscher Sicht auch das Abschneiden von Nico Hülkenberg, der seinen Force-India-Mercedes auf den achten Platz stellte und Neuling Pascal Wehrlein, der seinen Manor-Mercedes auf Rang 16 platziert. "Das war meine einzige optimale Runde bisher, ich hoffe, im Rennen kommen noch einige hinzu", sagt Hamilton. In der Steinwüste wird unter Flutlicht gefahren, Rennstart ist daher um 17 Uhr deutscher Zeit. Lauda wettert, Todt will sein Gesicht wahren Die Kritik am wenig transparenten Qualifikationsmodus mildert der neuerliche Schlagabtausch Silber/Rot nicht, RTL-Kommentator Niki Lauda spricht weiterhin von einem "Griff ins Klo". Sich auf die langsamsten Fahrer konzentrieren zu müssen, das ist die Umkehr des Grundgedankens der Formel 1 - und das Prinzip der umstrittenen Qualifikationsregelung, die in Bahrain zum zweiten und vielleicht letzten Mal in dieser Form stattgefunden hat. Jean Todt, Präsident des Automobilweltverbandes FIA hat für Sonntagvormittag ein Treffen mit Vermarkter Bernie Ecclestone und den elf Teamchefs einberufen, um endlich ein Reglement zu finden, das möglichst viele zufriedenstellt und vor allem den Rest der Saison gelten kann. Der Franzose will zumindest teilweise sein Gesicht wahren und daher den 90-Sekunden-K.O. in den ersten beiden Abschnitten beibehalten, und am liebsten nur die Top Ten wie in den letzten Jahren frei bis zum Schluss fahren lassen. Das war schon nach dem Fiasko in Melbourne sein Plan, aber die notwendige Einstimmigkeit konnte nicht erreicht werden. Für die neue Abstimmung jedoch sei er "optimistisch". Das, was da wider besseren Wissens samstags auf den Rennstrecken getrieben wird, wertet Sebastian Vettel in klaren Worten: "Das ist so, als würdest du partout Vanille-Eis verkaufen, obwohl alle deine Kunden Schokolade-Eis wollen." Aus Fortschritt wird Stillstand Mehr und mehr wird klar, dass der für das Publikum wie für viele Beteiligte obskure Streit auch ein Machtkampf zwischen dem Formel-1-Management und den Rennfahrern wird. Zuerst hatte die Fahrergewerkschaft GPDA in Form eines offenen Briefes einen Notruf abgesetzt: "Wir haben das Gefühl, dass einige Regeländerungen, seien sie sportlicher, technischer oder geschäftlicher Art, zerstörerisch sind, die wirklich großen Probleme unseres Sports nicht lösen und daher den Erfolg der Formel 1 aufs Spiel setzen." Aus Fortschritt werde Stillstand, wie das aktuelle Beispiel des Qualifyings zeige. Die Piloten forderten verklausuliert die Ablösung von Ecclestone: "Wir drängen darauf und bitten die Inhaber und alle Verantwortlichen der Formel 1, ihre Führungsstruktur zu überdenken." Weltmeister Lewis Hamilton legte in Sakhir nochmal nach: "Es gibt keine geradlinigen Entscheidungen, sondern es ist ein ständiges Hin und Her. Zuerst wird so entschieden, eine Minute später ist es schon wieder anders. So ist die Formel 1." Hamilton, den momentan Ecclestone wie auch Renndirektor Charlie Whiting auf dem Kieker zu haben scheinen, spielt im Machtkampf die Praktiker-Karte: "Wir wollen nicht die Entscheider sein. Aber wir Fahrer wissen am besten, was das Racing spannend machen könnte."
https://www.sueddeutsche.de/politik/asyl-gabriel-kommunen-sollen-fuer-fluechtlingsaufnahme-belohnt-werden-1.3804255
mlsum-de-9642
Die Gemeinden dürften nicht vor der Entscheidung stehen, ob sie Flüchtlinge integrieren oder ihr Schwimmbad sanieren. Der Vizekanzler will deshalb mehr Geld bieten.
"So können wir auch verhindern, dass bei den Bürgern der Eindruck entsteht: Für die Flüchtlinge wird alles getan, für uns nichts." Vizekanzler Sigmar Gabriel will die Flüchtlingspolitik neu regeln. Kommunen, die Asylbewerber aufnehmen, sollen nach dem Willen des SPD-Politikers mehr Geld aus Bundesmitteln erhalten. "Wir müssen die Städte und Gemeinden dafür belohnen, dass sie Flüchtlinge aufnehmen", sagte Gabriel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Kommunen sollen "die Kosten der Integration vom Bund ersetzt bekommen. Und sie sollen den gleichen Betrag obendrauf bekommen für ihre Bürger." Deutschland verteilt Flüchtlinge nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer. Dabei kommt es darauf an, wie dicht das Land besiedelt ist und wie viele Steuern gezahlt werden. Die Länder verteilen die Ayslbewerber dann nach unterschiedlichen Kriterien auf die Kommunen weiter. Nach Ansicht des SPD-Politikers dürfen Städte und Gemeinden bei der Aufnahme von Flüchtlinge nicht vor der Entscheidung stehen, ob sie diese integrieren oder ihr Schwimmbad erneuern. Der Bund müsse ihnen die Möglichkeit geben, beides zu tun. "Auf dieser Basis sollten die Kommunen selbst entscheiden, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen", sagte er. "So können wir auch verhindern, dass bei den Bürgern der Eindruck entsteht: Für die Flüchtlinge wird alles getan, für uns nichts." Gabriel regte an, solche Maßnahmen auch außerhalb der Bundesrepublik zu diskutieren. "Die EU könnte ein Programm auflegen, um Kommunen in ärmeren Mitgliedstaaten bei der Finanzierung zu helfen", sagte er. So würden Länder belohnt, die Flüchtlinge aufnehmen. CDU-Vize Strobl fordert Begrenzung auf 65 000 Flüchtlinge Gabriel betonte zugleich Grenzen der Integrationsfähigkeit. Für eine Million Flüchtlinge seien 25 000 zusätzliche Lehrer, 15 000 zusätzliche Erzieher und Tausende neue Wohnungen erforderlich. "Es reicht nicht zu sagen, Zuwanderung ist schön", sagte Gabriel. Er forderte eine "aufgeklärte Diskussion darüber, wie groß unsere Integrationsfähigkeit für die ist, die nicht als Asylbewerber zu uns kommen, sondern weil ihr Leben zu Hause elend ist". Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl fordert, den Zuzug von Flüchtlingen weitaus drastischer zu begrenzen als bislang von der Union verlangt. In einem Interview mit der Heilbronner Stimme nannte er die Zahl von 65 000 Menschen, die Deutschland im Jahr verkraften und integrieren könne."Ich mache mich dafür stark, dass wir wieder normale Zuzugszahlen bekommen - dabei denke ich gar nicht an die viel diskutierten 200 000 pro Jahr", sagte der baden-württembergische Innenminister der Zeitung. "Ich möchte gerne jährliche Zugänge ansteuern, die weit darunter liegen." Die Zielmarke sollte eher die Zahl aus dem Jahr 2012 sein, so Strobl. "Damals kamen rund 65 000 Flüchtlinge. Diese Zahl hat uns nicht an Belastungsgrenzen gebracht und wurde von der Öffentlichkeit akzeptiert."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-partner-aufmarsch-der-skeptiker-1.2564217
mlsum-de-9643
In manchen Euro-Staaten dürfte es schwierig werden, die Zustimmung der Parlamente zu erhalten. Wenn sich nur ein Land verweigert, platzt die Einigung mit Griechenland.
Der Gipfel in Brüssel ist zu Ende - aber die Debatten gehen an anderen Orten weiter. In einigen Euro-Ländern müssen die Parlamente zustimmen, bevor Hilfen für Griechenland endgültig auf den Weg gebracht werden können. Schon vor dem Gipfel hatte sich abgezeichnet, dass ein Ja vielerorts nicht selbstverständlich ist. Scharfe Kritik an Griechenland war in den vergangenen Monaten oft aus Helsinki zu hören gewesen. Entsprechend zurückhaltend kommentierte der finnische Ministerpräsident Juha Sipilä am Montag die Einigung. Die Vorschläge des Gipfels seien "ein Schritt in die richtige Richtung". Dass Finnland der Einigung zustimmen wird, wollte er jedoch nicht garantieren. Die Regierung werde die weitere Entwicklung verfolgen und erst dann entscheiden, ob die neuen Vorschläge "eine ausreichende Grundlage bilden, Verhandlungen mit Griechenland einzuleiten". Sipilä muss sich die Aufnahme weiterer Verhandlungen von einem Ausschuss genehmigen lassen, dem 25 der insgesamt 200 Abgeordneten des finnischen Parlaments angehören. Zu Sipiläs Regierungskoalition zählt die rechtspopulistische Partei Die Finnen. Sie ist zweitstärkste Kraft im Parlament. Der Vorsitzende Timo Soini, derzeit Außen- und Europaminister, hatte sich mehrfach für einen Grexit ausgesprochen. Berichten zufolge hatte er im Falle weiterer Griechenland-Hilfen mit dem Koalitionsbruch gedroht. Dies dementierte Soini allerdings am Montag. In einem Blog vertrat er die gleiche Linie wie der Ministerpräsident: abwarten. Insgesamt bewertete Soini die Ergebnisse positiv. Die neuen Sparvorschläge seien noch härter als jene, die vor einer Woche im Referendum abgelehnt wurden. Detailansicht öffnen SZ-Grafik; Quelle: eigene Recherche "Moralisches Recht, hart gegen die Griechen zu sein" Eine kompromisslose Haltung gegenüber den Griechen hatten auch osteuropäische Staaten gefordert, die selbst über Jahre einen harten Sparkurs gefahren haben, um die Euro-Kriterien zu erfüllen, und deren Renten heute unter denen der Griechen liegen. Daraus leitete der slowakische Premier Robert Fico ein "moralisches Recht, hart gegen die Griechen zu sein", ab. Gleich nach seiner Ankunft auf dem Gipfel empfahl Fico den Griechen, freiwillig aus dem Euro auszusteigen: "Dann sollen sie ihre Hausaufgaben machen und versuchen zurückzukommen." Das Gezerre sei "Folter für uns alle". Nach der Einigung machte Lettlands Regierungschefin Laimdota Straujuma Druck: "Wir erwarten konkrete Entscheidungen des griechischen Parlaments in den kommenden Tagen", sagte sie. Eine sofortige Umsetzung der versprochenen Reformen bei Renten und Steuern sei die einzige Chance, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Der Slowake Fico ist skeptisch, dass das gelingt: "Es käme einem Wunder gleich, wenn die Griechen ihre Hausaufgaben in so kurzer Zeit schaffen würden", erklärte er. Estlands Regierungschef Taavi Rõivas schrieb nach den 17-stündigen Verhandlungen auf Twitter: "Europa hat sich auf einen Fahrplan festgelegt. Jetzt hängt alles von der Umsetzung ab." Es werde schwierig, das Parlament zu überzeugen Die Zustimmung des Parlaments in Tallinn dürfte indes gesichert sein, die Regierungskoalition verfügt über eine solide Mehrheit. In der Slowakei muss lediglich der Auswärtige Ausschuss des Parlaments zustimmen. Probleme könnte es in Lettland geben: Es werde "sehr schwierig" werden, das Parlament zu überzeugen, warnte Ministerpräsidentin Straujuma. In Österreich, wo ebenfalls das Parlament zustimmen muss, gilt ein Ja als gesichert, ebenso in Frankreich. Staatspräsident François Hollande bekam am Montagmorgen, was er immer gewollt hatte: einen Kompromiss zwischen deutscher Härte und dem, was den Griechen aus seiner Sicht maximal zumutbar zu sein schien. "Das Ziel war, die Euro-Zone als ganze zu erhalten, aber auch, den Griechen nach den Jahren des Leidens eine neue Hoffnung zu geben", sagte der Sozialist nach dem Gipfel. Premier Manuel Valls überhäufte den Präsidenten am Montag mit Lob. Hollande sei es gewesen, der den Kompromiss zustande gebracht habe, nicht mit Krach, sondern mit einem ruhigen und klugen Auftritt, als Mittler: "Er ist ein großer Präsident!"
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/landwirtschaft-20-cent-milchpreis-auf-ruinoesem-niveau-1.2996263
mlsum-de-9644
Binnen weniger Wochen ist der Preis für Milch nochmals gefallen, auch in den Supermärkten. Agrarminister Schmidt will Bauern nun mit Geld helfen.
Der Milchpreis für Bauern ist drastisch gefallen und und ist damit so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, erhalten die deutschen Milchbauern derzeit weniger als 20 Cent für ein Kilogramm Frischmilch. Der Preis, den Landwirte von den Molkereien bekommen, ist damit innerhalb weniger Wochen um weitere 30 Prozent gesunken. Preisverhandlungen zwischen Molkereien und Landwirten ergaben in manchen Regionen demnach Auszahlungspreise von 19 oder 18 Cent. Wegen eines Überangebots sind aktuell die Milchpreise in ganz Europa im Keller. Supermarkt-Ketten haben ihre Preise für Molkerei-Produkte bereits deutlich gesenkt. Um kostendeckend wirtschaften zu können, bräuchten die rund 75 000 Milchbauern in Deutschland einen Erzeugerpreis von etwa 40 Cent pro Liter. Finanzielle Hilfe für Milchbauern Agrarminister Christian Schmidt sprach sich im Interview mit der Süddeutschen Zeitung dafür aus, die Milchproduktion einzudämmen. "Nur wenn wieder weniger Milch auf den Markt kommt, steigt der Preis", sagte Schmidt. Eine Rückkehr zur Milchquote, die erst im vergangenen Jahr EU-weit abgeschafft wurde, schließt Schmidt aber aus. "Angebot und Nachfrage müssen durch die Marktteilnehmer selbst in Einklang gebracht werden", sagte Schmidt. Er will den Landwirten lieber mit Steuererleichterungen und Liquiditätshilfen zur Seite stehen. "Denkbar wären etwa Bürgschaften, damit die Betriebe trotz Krise leichter Rendite bekommen", sagte Schmidt der SZ. Aus dem Agrarministerium hieß es der FAZ zufolge zuletzt, dass Hilfszahlungen von 60 bis 100 Millionen Euro möglich seien. Darüber soll Ende des Monats bei einem Milchgipfel gesprochen werden.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/thronverzicht-von-juan-carlos-neuer-koenig-in-zwei-wochen-1.1984597
mlsum-de-9645
Abdankung im Eilverfahren: Prinz Felipe soll bereits in zwei Wochen zum neuen König aufsteigen. Mit seinem Thronverzicht verliert Juan Carlos automatisch seine Immunität. Dann könnten ihm zwei Vaterschaftsklagen drohen.
Tausende von Spaniern haben auch am Dienstag für ein Referendum über die Abschaffung der Monarchie demonstriert. Am Vorabend hatten wenige Stunden nach der überraschenden Ankündigung von König Juan Carlos, er werde zu Gunsten seines Sohnes Felipe abdanken, in zwei Dutzend Städten Demonstranten die Einführung der republikanischen Staatsform gefordert. Allein an der Puerta del Sol in Madrid waren es mehr als 20 000, die sich unter den rot-gelb-violetten Fahnen der spanischen Republik versammelten. Sie waren vor allem über soziale Netzwerke mobilisiert worden. Politiker linksgerichteter Oppositionsgruppen schlossen sich der Forderung nach einem Referendum an. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte hingegen, der künftige König, der den Namen Felipe VI. tragen wird, könne sich auf eine breite Unterstützung der Bevölkerung stützen. Doch erlaube es die demokratische Ordnung jedem, für eine Änderung der Verfassung einzutreten. Das Kabinett trat am Dienstag zusammen, um über die gesetzliche Regelung für die Thronfolge zu beraten. Die Verfassung hat dazu keine Einzelheiten festgelegt, das Parlament hat es in der 39 Jahre währenden Amtszeit des Königs versäumt, das nötige Gesetz auszuarbeiten. Nach Berichten der Madrider Medien hat die große Mehrheit der Parlamentsfraktionen, die zusammen neun Zehntel der Sitze ausmachen, bereits ihre Zustimmung zur Inthronisierung Felipes signalisiert, der im Parlament einen Eid auf die Verfassung ablegen muss. Volksbefragung zur staatlichen Unabhängigkeit Bei der Abstimmung über das Gesetz zur Thronfolge werden sich nach eigenem Bekunden die Abgeordneten aus dem Baskenland enthalten, Gegenstimmen werden von den Vertretern Kataloniens im Parlament in Madrid erwartet. Der katalanische Ministerpräsident Artur Mas erklärte, die Abdankung des Königs ändere nichts an dem Plan der Regierung in Barcelona, am 9. November eine Volksbefragung über den Weg zur staatlichen Unabhängigkeit durchzuführen. Bei den Europawahlen vor zehn Tagen hatten in der Region Katalonien Parteien, die für die Loslösung von Madrid eintreten, mehr als 60 Prozent der Stimmen erhalten. Barcelona war im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) Hochburg der Republik. Das Gesetzesprojekt muss nun erst alle parlamentarischen Instanzen durchlaufen. Wie aus Parlamentskreisen verlautet, soll der 46 Jahre alte Felipe dann am 18. Juni die Nachfolge seines 76-jährigen Vaters antreten. Dieser war als Enkel des letzten spanischen Königs Alfons XIII. vom Diktator Francisco Franco als neuer Herrscher auserkoren worden. Zwei Tage nach dessen Tod hatte Juan Carlos 1975 seinen Amtseid als König abgelegt. Doch entgegen den Erwartungen der Anhänger Francos trieb er dann die Demokratisierung und Modernisierung des Landes voran. Auch die spanischen Sozialisten (PSOE), die eine der tragenden Säulen der Republik (1931-1939) waren, arrangierten sich mit ihm. Im auf beiden Seiten mit größter Brutalität ausgetragenen Spanischen Bürgerkrieg hatten sie noch die Monarchisten, die sich mit Franco verbündet hatten, erbittert bekämpft. Verlust der Immunität Bei den Kundgebungen der Antiroyalisten wurde auf Plakaten auch auf das Beispiel Alfons XIII. verwiesen. Dieser hatte 1931 einen reibungslosen Übergang von der Monarchie zur Republik ermöglicht: Als bei den damaligen Kommunalwahlen in 41 von 50 Provinzstädten Gegner der Monarchie gewannen, erkannte er die Ausrufung der Republik als Volkswillen an und ging ins Exil. Allerdings verzichtete er nie formal auf den Thron. Seinem von Franco zum Thronfolger bestimmten Enkel Juan Carlos wird heute vorgeworfen, er habe wenig zur Bewältigung der Folgen des Bürgerkriegs beigetragen, der die spanische Gesellschaft nach wie vor spaltet. Mit der Abdankung als Staatsoberhaupt verliert Juan Carlos wohl seine politische Immunität. Königshausexperten in der Madrider Presse schließen nicht aus, dass dann ein neues Problem auf ihn zukommen könnte: Die Anwälte eines 57-jährigen Kellners aus Katalonien sowie einer 47-jährigen Hausfrau aus Belgien wollen ihn zu einem Vaterschaftstest zwingen lassen. Beide sind nach den Angaben der Anwälte laut einem DNA-Test Halbgeschwister und haben den Bourbonen als Erzeuger benannt. Ein Madrider Gericht hatte die Klage mit dem Hinweis auf die rechtliche Immunität des Königs abgewiesen. Der frühere sozialistische Ministerpräsident José Luis Zapatero erklärte, er erwarte von Felipe Anstöße zur Modernisierung der Gesellschaft und der Bewältigung der Vergangenheit. Zapatero hatte in seiner Amtszeit (2004-2011) versucht, eine staatliche Aufarbeitung der Folgen des Bürgerkriegs einzuleiten, war dabei aber auf heftigen Widerstand der konservativen Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy sowie der katholischen Kirche gestoßen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/bundesliga-voeller-schimpft-ueber-eine-sauerei-1.3374765
mlsum-de-9646
Sky hatte vor dem 3:0 gegen Frankfurt berichtet, Leverkusen werde Trainer Roger Schmidt entlassen. Bayers Sportdirektor Rudi Völler ist wütend - und zieht Konsequenzen.
Oft genug enden Fußball-Nachmittage ganz anders, als sie begonnen haben. Aber nur selten sind die Unterschiede so groß wie am Samstag in Leverkusen. Dort machte am frühen Nachmittag zunächst die Nachricht von einer Trainerentlassung die Runde. Wenige Stunden später wirkte die Meldung wenigstens an diesem Tag deplatziert. Denn Leverkusen gewann ein Spiel, in dem die Werkself lange dominiert wurde, noch 3:0 gegen Frankfurt - und damit am Ende um ein paar Tore zu niedrig. Noch bevor die Partie angepfiffen wurde, sah sich Bayer-Geschäftsführer Michael Schade gezwungen, ein Dementi abzugeben. Nein, es habe keine Sitzung des Leverkusener Gesellschafterausschusses gegeben. Und deshalb auch keinen Beschluss, Trainer Roger Schmidt nach der Reihe von Enttäuschungen und Niederlagen zu entlassen. Weder an diesem Spieltag noch nach der Saison. "Eine Sauerei", nannte Sportdirektor Rudi Völler den ungewöhnlichen Vorfall, niemand habe sich dafür entschuldigt - und solange das nicht passiere, werde er mit den Verantwortlichen nicht mehr reden. Wie Schade gab er dem TV-Sender Sky kein Interview. Schmidt selbst sagte, er habe nichts von alldem mitbekommen, bis ihm gesagt wurde, dass er vor dem Anpfiff nicht zum Interview müsse, "das war mir ganz recht". Der 17-jährige Havertz setzt viele Ausrufezeichen Als die Begegnung begann, blieben augenfällig viele Plätze der Dauerkartenbesitzer leer - wahrscheinlich die Quittung für schon vier Heimniederlagen des Werksklubs. Als wollten die Gastgeber die Abwesenden bestrafen, warteten sie rasch mit der ersten spektakulären Aktion auf. Der gerade mal 17-jährige, hoch talentierte Kai Havertz schnappte sich in der fünften Minute kurz vor dem Gäste-Strafraum einen Abpraller und marschierte einfach frech drauf los - durch die winzige Gasse, die vier verblüffte Frankfurter hinterließen. Als der fünfte Gegner (Hector) den Ball im Strafraum klären wollte, kam ein weiterer Querschläger zustande, der exakt auf dem rechten Fuß von Javier "Chicharito" Hernandez landete, der volley aus neun Metern zum 1:0 abschloss. Doch ähnlich wie beim vergangenen Heimspiel gegen Gladbach, als Leverkusen eine 2:0-Führung nicht langte, wurde die Werkself durch den Vorsprung nicht sicherer. Auch diesmal lag das am Gegner. Frankfurt steckte den Rückstand cool weg und bestätigte danach seine gute Form. Seit dem vergangenen Auftritt in Leverkusen (einer 0:3-Niederlage im Abstiegskampf Mitte April 2016) ist die Eintracht punktemäßig der zweitbeste Bundesliga-Klub mit 13 Siegen bei nur fünf Niederlagen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/belustigung-ein-paradies-fuer-lego-shooter-1.669522
mlsum-de-9647
Die Welt im Miniaturformat: Im Günzburger Freizeitpark kann man sich unter Robotern und Ravern, Seiltänzern und steinernen Schafen amüsieren - und alles Erdenkliche im Lego-Look konsumieren
Achterbahn fahren? Bist du völlig Banane?" Till hatte noch heute morgen gegen Übelkeit zu kämpfen und findet die Idee, trügerisch langsam auf dem Rücken des Feuerdrachens gen Himmel zu steuern, um dann mit Karacho in die Tiefe zu stürzen, alles andere als angenehm. Auch die Techno-Schleuder scheidet aus, eine Ansammlung rasend rotierender Sitzschüsseln auf einer ebenfalls rotierenden Scheibe. Da macht sich eine Fahrt mit dem Legoland-Express schon besser. Detailansicht öffnen Die Riesen von Berlin! Das Legoland Günzburg bietet Erstaunliches für jung und alt. (Foto: Foto: AP) Gemütlich tuckert die Bimmelbahn an Neuschwanstein, Holland und Berlin im Kleinformat vorbei. Hin und wieder sind wilde Tiere zu sehen, diesmal im Großformat. Nashörner und Gnus zum Beispiel. Eine Lautsprecherstimme heißt alle Gäste im Legoland willkommen. Das ist nett. Dann erklärt sie, was es hier alles zu sehen gibt und dass allein im Miniland 25 Millionen Legosteine verbaut wurden. Das ist interessant. Schließlich lädt sie alle ein, "im größten Lego-Shop der Welt" vorbeizuschauen. Das ist Marketing. Im Mai 2002 wurde im bayerischen Günzburg der weltweit vierte Themenpark der Lego Company eröffnet. Seither haben sich hier fast drei Millionen Besucher vergnügt. Denn dazu ist ein Freizeitpark da: zum Vergnügen. Und auch wenn diese Mischung aus Hightech-Kirmes im Lego-Look und Lego-Figurenkabinett auf den ersten Blick wie eine monumentale Verkaufsschau für Legosteine aussieht und damit nahe legt, dass Vergnügen und Konsumieren dasselbe sind, lässt doch die liebevolle Ausgestaltung der mehr als 40 Attraktionen - so heißt das nun mal in Vergnügungsparks - den ersten Eindruck schnell verblassen. "Unglaublich", sagt Till mehr als einmal während des ausführlichen Besuchs im Miniland. "So fein alles", lobt er. Er ist zehn, eigentlich fast elf, und hat selbst schon jede Menge Erfahrung im Planen und Bauen von Miniaturwelten. Ganze Dörfer mit kompletter Infrastruktur hat er in selbst gestaltete Landschaften gesetzt und ein Kreuzschiff mit Fitnessraum, X-Box und allem Pipapo für seine persönliche Weltfußballermannschaft entworfen. Daher kann er das, was er hier vor sich hat, gut beurteilen. Zunächst einmal den schier überwältigenden Gesamteindruck: Venedig sieht dermaßen nach Venedig aus, dass einem der Mund offen steht: "Unglaublich!" Da ist - im Maßstab eins zu zwanzig - der Markusplatz mit dem freilich etwas rot geratenen Campanile und San Marco. Da ist die Seufzerbrücke mit den Bleikammern, wo einst Casanova einsaß; die Rialtobrücke, die Markthallen, der Canale Grande. Am Lido lässt Till begeistert per Joystick einen Drachen steigen. Es stimmt alles, von der Stadtsilhouette bis zur Geräuschkulisse: Die Lieder der Gondolieri, die über die Kanäle schallen, das Getucker der Vaporetti, die japanischen Touristen mit Kamera im Anschlag nach Zattere schippern, und der Applaus, der ertönt, als ein Artist einen gefährlichen Drahtseilakt vollendet. Die vielen kleinen Gimmicks, die man erst bei aufmerksamer Betrachtung entdeckt, kommen eindeutig am besten an. Besonders die, die man selbst per Knopfdruck in Gang setzt. Der Chor der schwäbischen Schafe, Schweine und Kühe, die in ihrer jeweiligen Sprache "Old McDonald had a farm" zum Besten geben, der Hubschrauber am Flughafen München, der auf Knopfdruck in die Luft geht. Sehr gelungen auch der Kaiserwalzer tanzende Kinni in Neuschwanstein, die liebevoll bepflanzten Bonsailandschaften mit Jägern und Dackel. Am Vierwaldstätter See kann man in der Pension "Zum Verwirt" logieren und Seilbahn fahren. In Berlin gibt es Abbruchhäuser zu sehen, zuckende Raver auf der Loveparade, den Zoo mit Flamingos, Robben und ein entflohenes Kamel, das gemütlich die Straße entlang spaziert. Auffällig sind die vielen roten Ferraris, die man vom Hamburger Hafen bis zum Frankfurter Römer findet. "Is ja cool", sagt Till dazu. Vermutlich ist unter den140 Modelldesignern, die hier drei Jahre lang gewerkelt haben, ein großer Schumi-Fan.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/insolvenz-flexstrom-glaeubiger-brauchen-geduld-1.2463125
mlsum-de-9648
Das Unternehmen wurde 2013 insolvent. Gemessen an den Gläubigerzahlen ist es eine der größten Pleiten der deutschen Geschichte.
Die ehemaligen Kunden des insolventen Stromanbieters Flexstrom werden weiter auf ihr Geld warten müssen. Die Gläubiger könnten frühestens Ende 2018 mit einer Auszahlung rechnen, sagte die Berliner Rechtsanwältin Astrid Düring, die den Fall an der Seite von Insolvenzverwalter Christoph Schulte-Kaubrügger betreut. "Derzeit steht noch kein Betrag zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung." Zwei Jahre nach der Pleite sei noch immer nicht klar, wie viel von ihrem Geld die Ex-Kunden überhaupt wiedersehen werden. 835 000 Gläubiger gibt es in dem Fall, rund 594 000 davon haben bislang Forderungen angemeldet. Insgesamt gehe es um eine Summe von rund 569 Millionen Euro, sagte Düring. Gemessen an der Gläubigerzahl ist es das größte Insolvenzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei den Gläubigern handelt es sich vor allem um Strom- und Gaskunden, die vorab oft dreistellige Euro-Beträge an Flexstrom oder eine der Töchter Optimalgrün, Löwenzahn Energie und Flexgas überwiesen hatten. Einen Teilbetrag will der Insolvenzverwalter zurückholen - und dafür auch Haftungs- und Anfechtungsansprüche gegen die Geschäftsleitung geltend machen. Eine mögliche Quote hänge maßgeblich von Verhandlungen und eventuellen Rechtsstreits ab, erklärte Düring. Das brauche Zeit. Flexstrom war mit einem umstrittenen Geschäftsmodell groß geworden. Der Anbieter hatte Kunden mit Stromtarifen gelockt, die die Kosten erst im zweiten oder dritten Jahr nach Vertragsschluss deckten. Kunden bekamen die günstigsten Tarife, wenn sie lange im Voraus zahlten, häufig für ein Jahr. Viele kündigten nach einem Jahr, so dass die Rechnung nicht aufging. Eigentlich hätten sich betroffene Gläubiger bis zum Jahresende 2013 beim Insolvenzverwalter melden sollen. Doch auch jetzt können noch Ansprüche erhoben werden. Die Kosten der Prüfung müssen die Antragsteller dann aber selbst tragen. Und ob Gläubiger ihr Geld erhalten, ist immer noch fraglich. Nach Einschätzung der Verbraucherzentralen sind die einfachen Kunden mit ihren Ansprüchen bei vielen Insolvenzverfahren das letzte Glied in der Kette. Oft erhalten sie nur einen kleinen Teil des Gelds zurück.
https://www.sueddeutsche.de/sport/neustart-in-der-dritten-liga-duisburg-setzt-auf-baumann-und-grlic-1.1716736
mlsum-de-9649
Zwangsabsteiger präsentiert Karsten Baumann als neuen Trainer. Honduras siegt beim Gold Cup gegen Haiti. Chris Kaman verlässt die Dallas Mavericks und wechselt zu den Los Angeles Lakers.
Fußball, MSV Duisburg: Karsten Baumann ist neuer Trainer beim Zweitliga-Zwangsabsteiger MSV Duisburg. Das teilte der Verein am Montag mit, wenige Stunden, nachdem feststand, dass er die Lizenz für die 3. Liga erhalten wird. Der ehemalige Fußball-Profi von Borussia Dortmund trainierte bisher Rot-Weiß Erfurt, den VfL Osnabrück und Erzgebirge Aue. Er tritt die Nachfolge von Kosta Runjaic an. Außerdem verlängerte der MSV den Vertrag mit Sportdirektor Ivica Grlic bis 2016. Grlic absolvierte als Spieler insgesamt 300 Ligaspiele für die Duisburger und ist seit 2011 Sportchef an der Wedau. Fußball, Gold Cup: Die Fußball-Auswahl von Honduras hat beim Gold-Cup des Nord- und Mittelamerika-Verbandes CONCACAF nach dem ersten Spieltag in der Gruppe B die Führung übernommen. Zum 2:0 (1:0) über Haiti trafen am Montag (Ortszeit) in Harrison bei New York Rony Martinez (4.) und Marvin Chavez (78.). In der zweiten Partie der Staffel trennte sich Trinidad und Tobago 2:2 (1:1) von El Salvador. Rodolfo Zelaya (21./68.) erzielte beide Treffer für El Salvador, Kenwyne Jones (72.) rettete einen Punkt für Trinidad und Tobago, das durch Keon Daniel (10.) in Führung gegangen war. Basketball, NBA: Dirk Nowitzkis bisheriger Teamkollege Chris Kaman verlässt die Dallas Mavericks und spielt in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA künftig für die Los Angeles Lakers. Der deutsche Nationalspieler bestätigte seinen Wechsel am Montagabend im Kurznachrichtendienst Twitter. "Es stimmt, ich werde nach LA zurückgehen, um für die Lakers zu spielen", schrieb der zuvor schon acht Jahre bei Ortsrivale Los Angeles Clippers tätige Center. "Ich freue mich auf den Wechsel und kann es nicht abwarten, zu spielen", erklärte der 31-Jährige. Die Lakers teilten lediglich mit, sie wollten Kaman verpflichten. Nach Informationen des US-Sportsenders ESPN soll er einen mit knapp 3,2 Millionen Dollar dotierten Einjahresvertrag erhalten. Kaman soll helfen, die Lücke zu schließen, die durch den Wechsel von Center Dwight Howard zu den Houston Rockets entstanden ist. Auch Dallas war an einer Verpflichtung von Howard interessiert. Leichtathletik: Die ivorische Sprinterin Murielle Ahoure hat beim Leichtathletik-Meeting im französischen Sotteville-lès-Rouen für die Top-Leistung gesorgt. Über 100 m siegte Ahoure mit dem Landesrekord von 10,91 Sekunden und setzte sich damit im WM-Jahr auf Platz fünf der Weltbestenliste. Deutlich verbessert zeigte sich in der Normandie Kubas früherer Hürdensprint-Weltrekordler Dayron Robles, der in 13,18 Sekunden bei regulärem Rückendwind (1,8 m/s) die beste Zeit nach seiner langen Verletzungspause lief und sich vor Ex-Weltmeister Ryan Brathwaite (Barbados/13,24) durchsetzte. Handball, HBL: Handball-Bundesligist VfL Gummersbach hat zwei Tage vor dem offiziellen Trainingsstart den Schweden Joakim Larsson verpflichtet. Der 29-jährige Kreisläufer spielte in den letzten fünf Jahren für den TV Großwallstadt und erhält einen Vertrag für die kommende Saison plus die Option auf Verlängerung. Bereits zum Trainingsauftakt am Mittwoch werde Larsson mit seiner neuen Mannschaft trainieren, teilte der Verein am Montag mit.
https://www.sueddeutsche.de/sport/vfl-wolfsburg-vfl-wolfsburg-erteilt-frauen-ein-partyverbot-1.3522348
mlsum-de-9650
Die Frauen des VfL Wolfsburg wollten am Sonntag ihre Meisterschaft feiern. Geht nicht, sagt der Verein: Es bibbern ja noch alle um den Klassenverbleib der Männer.
Wolfsburg ist gelähmt. Eine ganze Stadt im Ausnahmezustand, die Werkshallen verwaist, die Produktionsbänder lahmgelegt, 125 000 Menschen sitzen stumm an den Nägeln kauend zuhause, mit bangen Herzen und nur noch schwach lebenserhaltender Hoffnung. So ähnlich darf man sich das vorstellen, wenn man dem ansässigen Bundesliga-Verein glauben darf: Erst am Montag entscheidet sich ja, ob der VfL Wolfsburg die Relegation überlebt und in der Bundesliga verbleiben darf. Bis dahin gilt: Jeder Anschein von Freude ist untersagt. Dabei hätte der VfL einen gewichtigen Grund zum Feiern: Die Frauen-Mannschaft, seit Jahren bestimmend in ihrem Sport, hat ihren dritten Meistertitel gewonnen. Am Samstag spielt das Team von Trainer Ralf Kellermann gegen den SC Sand um den Titel im DFB-Pokal. Dass sich der VfL nach dem Finale Double-Sieger nennen darf, ist das wahrscheinlichste Szenario. Und natürlich würdigt man sowas in Wolfsburg, mit einem Siegeszug durch die Stadt und einem Besuch im Rathaus. Hallo, 2017! Da unterscheidet doch keiner mehr zwischen Männer- und Frauenerrungenschaften. Außer halt... naja... wenn die Männer Relegation spielen. "Eigentlich ist es schon gute Tradition, dass die Wölfinnen nach dem letzten Pflichtspiel von Oberbürgermeister Klaus Mohrs im Wolfsburger Rathaus empfangen werden und anschließend mit den VfL-Fans die errungenen Titel und die erfolgreiche Saison feiern", schrieb der Verein auf seiner Homepage und das Wörtchen "eigentlich" ist hier immerhin ein Verlegenheitssymbol. Synonym zu verstehen für "immer, außer dieses Mal". Die gute Tradition muss in diesem Jahr leider pausieren. Wird aber nachgeholt, versprochen! Es geht weiter: "Allerdings fokussiert sich der gesamte VfL in diesen Tagen natürlich" - natürlich(!) - "komplett auf die Relegation, weshalb die grün-weiße Party für die Frauenmannschaft bewusst erst zum Start der kommenden Saison stattfinden wird." Man möchte den Spielerinnen einen würdigen Rahmen für ihre Erfolge gönnen, heißt es aus dem Verein, sie dürfen das also als Gefallen verstehen. "Wir werden zum Start der neuen Saison die Frauenmannschaft gebührend feiern. Das haben sich unsere Wölfinnen und unsere Fans verdient", lässt sich VfL-Geschäftsführer Dr. Tim Schumacher zitieren. Hurra! Ob der Verein sich selber mal die Frage gestellt hat, wie es im umgekehrten Fall wäre? Eine Meisterfeier der Männer absagen, weil die Frauen eine heikle sportliche Phase durchmachen? Alles viel zu hypothetisch, der VfL hat in der Männer-Bundesliga mit Pokalen ja aktuell aber auch gar nichts zu tun. Im September, wenn fünf Spielerinnen bereits den Verein verlassen haben, dürfen die Spieler um Mario Gomez und Co. aber dann vielleicht zum Beifallklatschen vorbeikommen. Wobei: Die Erlaubnis zur verspäteten Jubelarie ist sicher noch nicht abgesegnet - könnte ja sein, dass die Männer doch in der zweiten Liga antreten müssen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gerichtsurteil-in-den-usa-18-jahre-gefaengnis-fuer-betreiber-einer-racheporno-seite-1.2422570
mlsum-de-9651
Der Kalifornier verdiente viel Geld: Zuerst ermöglichte er anderen Männern, Intimfotos von deren Ex-Partnerinnen im Netz zu veröffentlichen. Danach erpresste er die Opfer. Nun wurde er zu einer extrem langen Haftstrafe verurteilt.
Lange Haftstrafe für Online-Erpresser Weil er Tausende pornografischer Fotos auf einer sogenannten Racheporno-Website ins Netz gestellt hat, muss ein US-Bürger in Kalifornien 18 Jahre hinter Gitter. Der 28-Jährige war bereits im Februar verurteilt worden, am Freitag verkündete das Gericht in San Diego das Strafmaß. Die Generalstaatsanwältin von Kalifornien, Kamala Harris, erklärte, eine solche Tat sei bisher einzigartig. Der 28-Jährige habe die Opfer durch die "öffentliche Bloßstellung zu einer Ware gemacht". Zumindest die Höhe der Strafe dürfte tatsächlich einzigartig sein. "Mein Leben geriet in einen Abwärtsstrudel", sagte eines der weiblichen Opfer im Prozess. Sie sei von ihrer Mutter verbannt worden, weil sie Schande über die Familie gebracht habe. Eine weitere Betroffene sagte, ihr falle es schwer, den Website-Betreiber als "menschliches Wesen" zu betrachten. Er habe ihr Leben zerstört. Wie die New York Times berichtet, haben einige Opfer ihren Job verloren oder wurden von ihrem Partner verlassen Die Methode des Täters Der Täter, der im Dezember 2013 festgenommen wurde, hatte zwei Websites betrieben. Auf der einen - ugotposted.com - veröffentlichte er explizite Fotos von Männern und Frauen, die deren frühere Partner bereitstellten. Name, Wohnort, Alter und ein Link zu den Facebook-Profilen der Betroffenen wurden mit angegeben. Auf einer zweiten Website ermöglichte er den Opfern, ihre Fotos von der ersten Website löschen zu lassen. Dafür mussten sie ihm 350 Dollar (320 Euro) zahlen. Das Phänomen der "Rache-Pornos" beschäftigt Ermittler schon seit Jahren. Dabei stellen Nutzer Intimfotos ihrer Ex-Partner ins Netz, um sich an ihnen für ihre Trennung zu rächen. Im Dezember vergangenen Jahres wurde ein Kalifornier zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, weil er auf Facebook Nacktbilder seiner Exfreundin verbreitet hatte. Die rechtliche Lage in Deutschland In Deutschland kann man als Opfer von sexuellem Cybermobbing eine einstweilige Verfügung erwirken, was aber bis zu zehn Tage dauern kann. Darüberhinaus sieht das deutsche Recht in einem Racheporno eine schwere "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" nach Paragraf 201a des Strafgesetzbuches. Diese Straftat kann eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Außerdem steht dem Opfer ein Schmerzensgeld zu.
https://www.sueddeutsche.de/politik/berlin-kreuzberger-maechte-1.3152034
mlsum-de-9652
Reden statt Razzien, Drogen legalisieren, Dealern Jobs besorgen: Im grün regierten Bezirk will man neue Wege gehen. Vielen Konservativen passt das gar nicht.
Wenn in diesen letzten Sommertagen die Sonne über dem Görlitzer Park aufsteigt, hat er etwas von einer Idylle nach Kreuzberger Art. Entspannt liegen junge Leute auf dem Rasen, Kinder spielen, Touristen spazieren hindurch. An einigen Eingängen warten junge Afrikaner auf Kundschaft. Wer einen Moment stehen bleibt und schaut, wird angesprochen, flüsternd. Es gibt Cannabis zu kaufen, kompliziert wirkt der Handel nicht. Spätestens am Abend muss man schon ein raues Gemüt haben, um überhaupt noch eine Idylle zu sehen. Es gibt Warnungen, besser nicht allein durch den Park zu gehen. Im "Görli" gab es schlimme Überfälle. Das hat ihn zu einer Berühmtheit gemacht. Vor mehr als einem Jahr erklärte Berlins Innensenator Frank Henkel von der CDU dem Drogenhandel auf dem Platz den Kampf. Für Dealer sollte es keine Toleranz mehr geben. Mit großem Aufwand durchkämmte die Polizei den Park, nahm einige Dealer fest. Sobald die Beamten sich zurückzogen, waren sie wieder da. "Hätten die Razzien etwas genützt, dann wäre es ja gut", sagt die Bürgermeisterin Monika Herrmann, "aber es funktioniert ja nicht." Nun gibt es seit einigen Wochen einen Masterplan für den Park, wie ihn nur die Kreuzberger ausdenken können. Wenn es danach geht, soll niemand vertrieben werden, nicht die Roma-Familien, die oft hier campieren, die Stadtstreicher und auch die Dealer nicht. Es soll ein Parkmanager angestellt werden, dazu Parkläufer geben, die bis in die Nachtstunden Konflikte regeln könnten. Dealern will man Hilfe anbieten, damit sie Jobs finden. Ein Kreis von Anwohnern hat den Plan mit Initiativen und dem Bezirk entwickelt, darin steht, dass der Görli "der Rowdy unter den Berliner Parks bleiben wird, ob wir es wollen oder nicht". Der Görli werde der "Rowdy" unter den Parks bleiben, steht im Konzept Kurt Wansner braucht wenige Sekunden, um in die Luft zu gehen, wenn er nach der Bürgermeisterin gefragt wird. "Ich halte sie für eine Katastrophe für diesen Bezirk", schimpft er, "sie hat Kreuzberg nie verstanden. Sie macht es kaputt." Er ist hier in der Görlitzer Straße geboren. Schlimm findet er das Konzept für den Park. Drogendealer dürfe man nicht einbinden. Seine Partei mache die Bürgermeisterin zum Haupt-Wahlkampfthema. Wansner ist freilich Politik-Veteran und weiß, dass er auf verlorenem Posten kämpft. In zehn Tagen wird in Berlin gewählt, der Ausgang scheint offen zu sein, Regierungschef Michael Müller von der SPD bangt um sein Amt. In Friedrichshain-Kreuzberg zweifelt niemand daran, dass die Grünen hier wieder klar vorn liegen und ihre Bürgermeisterin im Amt bleiben wird. Der CDU-Kreisvorsitzende Wansner dürfte bangen, ob die Partei ihr Ergebnis von 2011 halten kann, 7,4 Prozent.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wie-damit-umgehen-im-zweifel-lieber-fragen-1.3830803
mlsum-de-9653
Angestellte sollten beim Vorgesetzten klären, was sie mitnehmen dürfen. Sonst werden sie unverhofft zum Straftäter.
Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssten einfach besser miteinander kommunizieren. Dann wäre so mancher Diebstahl im Büro zu vermeiden, sagt die Kölner Arbeitsrechtlerin Nathalie Oberthür. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass den Mitarbeitern "gerade bei Werbemitteln wie Kugelschreibern oder USB-Sticks oft das Bewusstsein dafür fehlt, dass die Geschenke für die Kunden - und nicht auch automatisch für sie zum Mitnehmen bestimmt sind". Sie rät Angestellten, lieber einmal zu oft beim Vorgesetzten nachzufragen, um nicht unverhofft zum Straftäter zu werden. Umgekehrt sieht sie auch die Unternehmen in der Pflicht: "Missverständnisse lassen sich leicht vermeiden, wenn Unternehmen klar kommunizieren, was geduldet wird und was nicht", sagt Oberthür. Wenn trotzdem Dinge wegkommen, sollten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter darum bitten, die Augen offen zu halten, rät der Detektiv Jochen Meismann. Werde ein Vorfall gemeldet, dann habe das "nichts mit Denunzieren zu tun, sondern mit kaufmännischem Denken". Klaut ein Angestellter, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, ihm außerordentlich und fristlos zu kündigen. Um vor Gericht mit der Kündigung zu bestehen, müssen Arbeitgeber allerdings auch immer den Einzelfall betrachten. "Dabei spielt es eine Rolle, wie groß der Schaden ist, aber auch, wie lange der Mitarbeiter bereits im Unternehmen arbeitet", sagt Anwältin Oberthür. Im berühmten Fall der Kassiererin "Emmely", die zwei fremde Pfandbons zu ihrem Vorteil eingelöst hatte, erklärte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2010 die Kündigung gegen die Frau für unwirksam und verwies dabei auch auf die 30-jährige Betriebszugehörigkeit. Doch viel darf man sich nicht erlauben, auch dann nicht, wenn man schon lange in der Firma tätig ist. Tendenziell gilt: Geld aus der Bürokasse zu klauen, geht gar nicht, einen Stift einzustecken, ist zwar nicht erlaubt, wenn es der Arbeitgeber nicht explizit duldet, fällt aber eher unter die Bagatelldelikte. Arbeitgeber dürfen stichprobenartig kontrollieren, ob ihre Angestellten etwas eingesteckt haben, das nicht ihnen gehört. Auch können Unternehmen Verkaufsräume per Video überwachen, wenn Mitarbeiter und Kunden darüber Bescheid wissen. Gezielt dürfen Angestellte aber nur ausgespäht werden, wenn ein konkreter Verdacht besteht. Die Persönlichkeitsrechte der Angestellten wiegen schwerer als vage Vermutungen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/winterchaos-nichts-geht-mehr-1.1034428
mlsum-de-9654
Der Winter lähmt Europa: In Polen gibt es 68 Kältetote, Deutschland versinkt im Schnee, in Paris regiert das Chaos.
Man muss schon optimistisch sein, um im Dezember mit einer Tournee nach Europa zu kommen, die den Titel "The Sun comes out" ("Die Sonne kommt raus") trägt. Die 11.000 Fans von Shakira, die Mittwochabend in der Frankfurter Festhalle auf die kolumbianische Sängerin warteten, wurden prompt enttäuscht: Statt Sonne und Gesang gab es Schneechaos. Shakira blieb in Paris stecken, wo mehr als hundert Flüge gestrichen wurden, das Konzert wurde abgesagt. Nach einer kurzen Verschnaufpause mit milderen Temperaturen hat der Winter Deutschland wieder fest im Griff, vor allem in der Mitte des Landes hat es am Mittwochabend heftig geschneit. Die meisten Flocken fielen im hessischen Bad Nauheim - laut Deutschem Wetterdienst waren es in wenigen Stunden 20 Zentimeter. Fast im ganzen Land kam es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. 805 witterungsbedingte Unfälle zwischen Mittwochmittag und Donnerstagmorgen registrierte allein die Polizei in Nordrhein-Westfalen - elf Menschen wurden schwer, 60 leicht verletzt. Auf der A 9 und der A 7 blieben Hunderte Autofahrer stundenlang liegen. In Thüringen waren Tausende Menschen im Saale-Orla-Kreis sowie im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt vom Stromnetz abgeschnitten und mussten der Kälte trotzen, weil umstürzende Bäume Leitungen beschädigt hatten. In Leipzig stellten die Verkehrsbetriebe am Mittwochnachmittag den Straßenbahnverkehr ein, weil durch Eisregen Oberleitungen eingefroren waren und für Fahrgäste Gefahr durch Funkenflug bestand. Am Donnerstag konnten die Wagen nur langsam wieder starten. Tatra-Bahnen, die aus DDR-Zeiten stammen, aber modernisiert worden sind, kamen als Ersatzzüge zum Einsatz. Sie seien zwar besonders anfällig, klagte ein Sprecher der Verkehrsbetriebe: "Aber es bleibt uns nichts anderes übrig." Das Enteisungsmittel wird knapp Auch im Flugverkehr kam es wieder zum Stillstand, Zehntausende Passagiere waren betroffen. In Frankfurt mussten die Landebahnen in der Nacht zum Donnerstag für vier Stunden komplett gesperrt werden, mehr als 2000 Reisende saßen fest. Knapp 900 weitere Passagiere wurden nach Hannover umgeleitet, viele schliefen dort auf Feldbetten. In Berlin kam es ebenfalls zu erheblichen Verspätungen und zu Annullierungen. Den Flughäfen in der Hauptstadt geht nun auch noch das Enteisungsmittel aus. Das Problem soll europaweit bestehen, die wenigen Hersteller kommen bei der großen Nachfrage nicht hinterher. Auch bei der Deutschen Bahn kam es bundesweit zu Störungen, mit Verspätungen von 90 Minuten und vereinzelten Ausfällen. Bahnreisende können wegen der Witterungsprobleme bis Sonntag ihre Fahrkarten und Reservierungen kostenlos zurückgeben. Kunden der Fluggesellschaft Air Berlin konnten am Donnerstag betroffene Flüge von und nach Berlin sowie Frankfurt am Main umtauschen oder stornieren. Bei der Lufthansa sind Umbuchungen oder Rückzahlungen bei einer Annullierung des Flugs möglich. Wenn ein Passagier - ohne, dass sein Flug gestrichen worden sei - entscheide, die Reise (etwa wegen Verspätungen) nicht antreten zu wollen, könne das jedoch bedeuten, dass nicht der volle Ticketpreis zurückgezahlt werde, sagte ein Lufthansa-Sprecher. Zudem gelte das Winterwetter als "außerordentlicher Umstand" - daher seien die Fluggesellschaften von der Verpflichtung zur Zahlung von Entschädigungen befreit. Selbst der Premier sitzt fest Verglichen mit anderen europäischen Ländern geht es in Deutschland noch harmlos zu: In Polen stieg die Zahl der Kältetoten seit November auf 68 Menschen. In der schottischen Hauptstadt Edinburgh, wo teils bis zu 70 Zentimeter Schnee lagen, rückte die Armee aus, um beim Räumen zu helfen. Auch in Frankreich führte der Wintereinbruch zu chaotischen Straßenverhältnissen, Paris wurde fast komplett lahmgelegt. Am Mittwochnachmittag gingen über der Hauptstadt die heftigsten Schneefälle seit mehr als 20 Jahren nieder. Viele Autofahrer ließen ihre Wagen irgendwo am Straßenrand stehen und gingen zu Fuß weiter. Der Flughafen Charles de Gaulle wurde zeitweilig geschlossen. Etwa tausend Menschen mussten die Nacht zum Donnerstag in ihren Autos verbringen. Abertausende übernachteten in ihren Betrieben. Das Militär schleppte liegengebliebene Fahrzeuge ab, die Regierung setzte 5000 zusätzliche Polizisten ein, um den Verkehr notdürftig zu regeln. Innenminister Brice Hortefeux forderte die Bürger auf, ihre Autos nicht zu benutzen. Schulen blieben geschlossen. Auf den Autobahnen nördlich von Paris waren 3000 Schwerlaster wegen Schnee und Glätte blockiert. Auch Premier François Fillon bekam das Wetterchaos zu spüren. Sein Abflug nach Moskau verzögerte sich um mehrere Stunden. "Endlich ist das Wetter in Paris genauso wie in Moskau", empfing ihn schließlich der russische Präsident Dmitrij Medwedjew. Fillon antwortete: "Nein, in Paris ist es schlimmer."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schwarzgeld-frech-belogen-1.4134532
mlsum-de-9655
Der Anti-Geldwäsche-Einheit beim Zoll droht neuer Ärger. Bundestagsabgeordnete von FDP und Linkspartei fordern Aufklärung um die Arbeitsqualität bei der Zollabteilung. Es geht um Terrorismusfinanzierung.
Bundestagsabgeordnete von FDP und Linkspartei fordern Aufklärung um die Arbeitsqualität bei der Zollabteilung zur Bekämpfung von Geldwäsche, womöglich durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Hintergrund ist eine durch das Bundesfinanzministerium angekündigte Aufarbeitung der Arbeitsprozesse in der so genannten Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls. Das Ministerium hatte eine Überprüfung der Behörde angekündigt, nachdem unter anderem durch Berichte von NDR und SZ bekannt geworden war, dass die FIU mehrere Zehntausend Geldwäscheverdachtsmeldungen nicht bearbeitet und auch sonst erhebliche organisatorische Schwierigkeiten hatte. Das Ministerium hatte im August auf Anfrage der FDP-Fraktion schriftlich mitgeteilt, dass "derzeit eine Evaluierung (Der FIU-)Prozesse und Abläufe sowie eine verbesserte Einbindung der Verpflichteten und Bedarfsträger durch eine unabhängige Stelle" durchgeführt wird. Nach Recherchen von NDR und SZ führt die Prüfung allerdings eine Unterabteilung der Generalzolldirektion durch, die sogenannte Bescheinigende Stelle. Dabei ist die FIU selbst ebenfalls der Generalzolldirektion unterstellt. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Markus Herbrand nannte den Vorgang "absurd", er fühle sich vom Bundesfinanzministerium "frech belogen" und forderte, eine neutrale Stelle solle die Prüfung vornehmen. Sollte das nicht geschehen, so müsse "der Bundestag selbst den Geldwäschesumpf der FIU aufdröseln - in Form eines Untersuchungsausschusses". Der Abgeordnete der Linkspartei, Fabio de Masi, schloss sich der Forderung seines FDP-Kollegen an. "Das Finanzministerium hat den Bundestag im Zusammenhang mit der FIU mehrfach angelogen", sagte De Masi. Er fühle sich in seinen parlamentarischen Rechten beschnitten. Ein Sprecher des Zolls erklärte, die Bescheinigende Stelle sei "fachlich unabhängig, sodass ihr keine Weisungen hinsichtlich ihrer Aufgabenerledigung erteilt werden können". Man habe sich gegen eine Prüfungsgesellschaft aus der freien Wirtschaft entschieden, weil nur so mit der Prüfung unmittelbar begonnen werden konnte. Das Bundesfinanzministerium wollte sich auf Anfrage nicht äußern und verwies auf die Antworten des Zolls. Sebastian Fiedler, Sprecher des Bundes der Kriminalbeamten, sagte, die Annahme, dass eine Unterabteilung der Generalzolldirektion unabhängig Zollangelegenheiten prüfen könne, sei "ein schlechter Witz". Fiedler fordert nun ebenfalls eine grundlegende Aufarbeitung im Parlament. "Es geht hier um nicht weniger als um Terrorismusfinanzierung und die Finanzgeschäft der organisierten Kriminalität", sagte Fiedler. Die FIU war in der Vergangenheit immer wieder in die Kritik geraten. Vor rund einem Jahr war die Abteilung vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlegt worden: In Folge waren Zehntausende Geldwäsche-Verdachtsmeldungen liegen geblieben und es kam zu einem Rückstau. Im Juni musste der damalige FIU-Chef Andreas Bardong die Behörde verlassen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/trump-nordkorea-gipfel-1.3992177
mlsum-de-9656
Der US-Präsident äußert sich positiv zu Pjöngjangs Reaktion auf die Gipfelabsage. Und erwägt nun eine Rückkehr zum alten Termin.
"Warm und produktiv" sind nicht unbedingt die naheliegendsten Attribute, um die Beziehungen zwischen den USA und Nordkorea in den vergangenen 24 Stunden zu beschreiben. Doch so reagiert US-Präsident Donald Trump nach dem abgesagten Gipfeltreffen auf die neueste Stellungnahme aus Pjöngjang: Es seien "sehr gute Neuigkeiten, das warme und produktive Statement aus Nordkorea zu erhalten", schreibt der US-Präsident auf Twitter. Wo der Austausch hinführen werde, werde sich bald herausstellen. "Nur die Zeit (und das Talent) wird das zeigen." Anschließend sagt Trump sogar zu Reportern in Washington, dass der Gipfel mit Nordkorea vielleicht doch noch am 12. Juni stattfinden könne. "Wir würden es gerne machen. Wir werden sehen, was passiert. Es könnte auch der 12. Juni sein." Very good news to receive the warm and productive statement from North Korea. We will soon see where it will lead, hopefully to long and enduring prosperity and peace. Only time (and talent) will tell! — Donald J. Trump (@realDonaldTrump) May 25, 2018 Mit seiner plötzlichen Kehrtwende erzeugt der US-Präsident vor allem eines: Verwirrung. Denn eigentlich hatte er selbst das in Singapur geplante Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un nach "feindseligen Äußerungen" aus Pjöngjang erst abgesagt. Das Regime reagierte am Donnerstag enttäuscht auf die Absage, aber hielt die Tür zum Dialog offen. Nordkorea sei weiter "jederzeit" zu Gesprächen bereit, erklärte Vize-Außenminister Kim Kye-gwan am Freitag der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA zufolge. "Wir teilen den USA nochmals unsere Bereitschaft mit, sich jederzeit und in jeder Form persönlich zusammenzusetzen, um das Problem zu lösen", erklärte der nordkoreanische Vize-Außenminister. Trumps Entscheidung sei "unerwartet" gekommen und "zutiefst bedauerlich". Nordkorea hat als Zeichen seiner Bereitschaft zur Deeskalation sein Atomtestgelände Punggye-ri nach eigenen Angaben vollständig zerstört.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/werbeprospekt-einkauf-aktuell-post-will-plastikfolie-ueberdenken-1.2207028
mlsum-de-9657
Mehr als 20 Millionen Haushalte wären betroffen: Die Post erwägt, die Plastikverpackung für ihr Werbeprospekt "Einkauf aktuell" zu ändern. Zum Umdenken gezwungen hat den Konzern ein 19-Jähriger aus Niederbayern.
Post arbeitet an Alternative zur Plastikfolie Es glänzt, es raschelt - es landet im Papiermüll. Jeden Samstag steckt die Deutsche Post ihr Werbemagazin "Einkauf aktuell" nach eigenen Angaben bundesweit in mehr als 20 Millionen Briefkästen. Dem 19-jährigen Fabian Lehner aus dem niederbayrischen Simbach gefällt das nicht. Zumindest die Art und Weise, wie das Magazin glänzt und raschelt. "Einkauf aktuell" ist nämlich in Plastikfolie eingewickelt und wenn das Magazin ungelesen entsorgt wird, landet es häufig im Altpapier. Lehner wollte das nicht einfach hinnehmen. Er startete im Internet einen Aufruf und fand schnell Tausende Unterstützer. Am Mittwoch übergab er der Post knapp 140 000 gesammelte Unterschriften gegen die Plastikfolie. Zuvor war seine Idee bereits durch die breite Öffentlichkeit gegangen. Konzern lädt zum Runden Tisch Im Sommer hatte sich Lehner von der Post nicht ernst genommen gefühlt. In 15 Minuten habe man ihn bei einem ersten Treffen abgespeist. Jetzt ging der Konzern aber in die Offensive und lud zu einem Runden Tisch ein. Gemeinsam mit dem 19-Jährigen kamen mehrere Umweltschützer, die Post hatte Wissenschaftler und Industrievertreter eingeladen. Axel Fischer war auf Einladung der Post für INGEDE dabei, einem Zusammenschluss europäischer Papierhersteller. Lehners Vorschläge hält er zwar für "gut gemeint", aber das sei ja immer das Gegenteil von gut. "Er hat da nicht genug nachgedacht und nicht gut genug recherchiert", sagte Fischer bereits vor dem Treffen. Die Post sei im Gegensatz zu anderen Unternehmen "richtig kooperativ". Die Folie von "Einkauf aktuell" sei ein Umschlag, der sich später in einer Sortieranlage leicht öffnen lasse. So könne das Plastik vom Papier getrennt und als Brennstoff genutzt werden. Altpapier ist für die Abfallwirtschaft ein wichtiger Rohstoff. Die Preise seien inzwischen so gut, dass es sich wirtschaftlich für Recycler sehr lohne, Papier zu sammeln und aufzubereiten, heißt es vom Entsorgerverband BDE. Das Kunststoffrecycling ist etwas kostspieliger, könne aber auch wirtschaftlich sein. Folie erschwert das Papierrecycling Das Problem bei "Einkauf aktuell" und anderen mit Folie umwickelten Prospekten sei die Trennung, erklärt der BDE. Moderne Sortieranlagen könnten Folie und Papier zwar aufwendig trennen, doch dann sei der Kunststoff fürs klassische Recycling nicht mehr zu gebrauchen und werde nur noch "thermisch verwertet", also verbrannt. Bei älteren Anlagen kommen sogar das gesamte Magazin plus Folie ins Feuer. Für die Entsorger ist das besonders ärgerlich. "In Folien verpackte Werbeprospekte erschweren das Recycling", sagt BDE-Geschäftsführer Andreas Bruckschen. "Ein Verzicht auf Folien würde das Papierrecycling vereinfachen." Ähnlich sieht das auch der Verband Deutscher Papierfabriken. Warum müssen Werbeprospekte denn überhaupt in Plastikfolie eingewickelt sein? "Der Kunde wünscht eine saubere, ordentliche Umhüllung", sagt Post-Sprecher Erwin Nier. Die Prospekte müssten in der Tasche der Briefzusteller zusammengehalten werden. Außerdem seien verschiedene Prospekte in der Werbesendung unterschiedlich groß. Wenn man sie einfach ineinander stecke, sei es möglich, dass Leser bestimmte Prospekte überhaupt nicht wahrnehmen. Post testet neue Folie Die Post will jetzt trotzdem etwas an der Verpackung ändern. "Wir werden eine Folie testen, die zu 50 Prozent aus Recyclingfolie besteht", sagt Nier nach dem Treffen mit Lehner. Insgesamt sollen "zwei, drei" Alternativen zu der bisherigen Umhüllung der Postwurfsendung getestet werden. Dies sei auch Konsens des runden Tischs gewesen. Besonders die zur Hälfte aus Altfolie bestehende Alternativfolie sei positiv angekommen. Ob die Post möglicherweise sogar ganz auf die Folie verzichten könne, müsse sich aber erst zeigen. Für den 19-Jährigen ist das schon mal ein Fortschritt. "Meine persönliche Meinung ist natürlich, komplett auf die Folie zu verzichten." Mit dem Treffen war er aber zufrieden und will jetzt gemeinsam mit der Post nach Lösungen suchen. "Man hat wirklich gesehen, dass die Post jetzt auch bereit ist, etwas zu ändern", freut sich Lehner. So ganz traut er der Sache aber wohl noch nicht. Die Unterschriftensammlung auf der Online-Plattform change.org will er erst einmal weiterlaufen lassen: "Der Druck soll auf jeden Fall aufrechterhalten werden."
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuervermeidung-facebook-will-in-mehr-laendern-steuern-auf-werbeumsaetze-zahlen-1.3788520
mlsum-de-9658
Die Ankündigung des Online-Riesen klingt einsichtig, doch die Haupterlöse sollen weiterhin über Irland fließen. Und da zahlt der Konzern bekanntlich kaum Abgaben.
Die massive Kritik an der Steuerpraxis von Internetkonzernen scheint erste Wirkung zu zeigen: Das soziale Netzwerk Facebook will mehr Werbeumsätze in einzelnen Ländern versteuern anstatt bei seinem internationalen Hauptquartier in Irland. Der Schritt solle mehr Transparenz schaffen, erklärte das in den USA ansässige Online-Netzwerk in einem Blogeintrag. Die Änderung soll bis zur Jahresmitte 2019 in allen Ländern umgesetzt werden, in denen Facebook eigene Büros hat. Damit ginge es um mehr als zwei Dutzend Länder - in Europa wären das zum Beispiel Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien. In der Praxis muss die Umstellung jedoch nicht automatisch höhere Steuern in jedem einzelnen Land bedeuten, da die Einnahmen auch mit Ausgaben wie etwa Investitionen oder Betriebskosten gegengerechnet werden. Zudem geht es nur um das Geschäft, das von lokalen Verkaufsteams betreut wird. Das sind meist Deals mit großen Kunden. Die Erlöse aus dem Verkauf von Werbeanzeigen über Facebooks Selbstbedienungs-Plattform, die von Millionen kleinen und mittleren Unternehmen genutzt wird, sollen weiterhin über die irische Dependance in Dublin laufen, wo die Unternehmenssteuer besonders gering ist. Die EU verliert im Jahr 60 Milliarden Euro durch Steuertricks Facebook steht wie andere Großkonzerne wegen massiver Steuervermeidung in der Kritik. Häufig zahlen die Firmen wegen günstiger Steuerdeals mit Behörden wie etwa in Luxemburg oder Irland nur minimale Abgaben - zum Leidwesen anderer Nationen. Häufig weisen diese Firmen trotz boomender Geschäfte sogar rote Zahlen aus, indem sie komplexe Geschäfts- und Steuerstrukturen für sich nutzen. Das betrifft Firmen, die Online-Geschäfte betreiben, aber auch klassische Industrien. Ein Weg ist dabei, die Gewinne über komplizierte Lizenzzahlungen ins Ausland schaffen. Nach Angaben von Wirtschaftswissenschaftlern verlieren EU-Staaten durch diese Steuertricks internationaler Konzerne wie Apple, Nike, Google oder eben Facebook jährlich 60 Milliarden Euro. Die Europäische Kommission möchte das Steuersystem deshalb reformieren. Bis zum Jahreswechsel läuft etwa eine öffentliche Umfrage zu möglichen Lösungen. Eine mögliche Lösung könnte eine Steuer auf die weltweiten Gewinne von Digitalunternehmen sein. Die so erzielten Steuereinnahmen könnten dann an die EU-Länder ausgeschüttet werden; das Modell nennt sich "Unitary Tax". Daneben werden bei der Umfrage noch weitere Lösungen präsentiert: Bei einer Idee sollen sich die Abgaben nach dem Land des Käufers und nicht wie derzeit nach dem Sitz des Verkäufers richten. Letzteres macht es für Firmen attraktiv, ihre Zentrale in ein Niedrigsteuerland zu verlegen. Die EU sieht die Punkte als Teil einer schwer umsetzbaren und daher langfristigen Lösung. Um aber nicht erst in Jahren Erfolge vorweisen zu können, schlug die Kommission auch Methoden vor, die schnell verfügbar wären. Dazu gehören eine Steuer auf die Erlöse der Online-Firmen aus Dienstleistungen wie etwa dem Verkauf von Anzeigen, hieß es. Facebook kommt dem gewissermaßen zuvor.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fifa-skandal-wer-uebernimmt-den-laden-1.2666118
mlsum-de-9659
Gegen Sepp Blatter läuft ein Strafverfahren, und auch auf Michel Platini, dem bisherigen Favoriten für seine Nachfolge, liegt ein Schatten. Wer neuer Fifa-Chef wird, ist wieder völlig offen.
Kohzo Tashima ist nach Mainz gekommen, um einen schönen Fußball-Nachmittag zu erleben. Und über weite Strecken gelingt ihm das auch. Er sieht dort drei Tore des FC Bayern, nach dem Spiel winkt er voller Freude seinem japanischen Landsmann Yoshinori Muto zu, der sich im Angriff der Mainzer so prächtig entwickelt. Und Tashima hält ein kurzes Schwätzchen mit dem Münchner Co-Trainer Hermann Gerland, den er noch von früher kennt. Doch zwischendurch ist dieser Nachmittag unangenehmer, als es sich der 57-Jährige bei der Planung wohl gedacht hat. Tashima ist seit Mai Mitglied im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes. Und in dieser Funktion soll er jetzt ein paar Fragen beantworten: zu Sepp Blatter, zu Michel Platini, zur Zukunft der Fifa. Was der Japaner sagt, ähnelt in etwa dem, was auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) um seinen Präsidenten und Fifa-Vorständler Wolfgang Niersbach mitteilt. Sie geben sich bestürzt über die neuen Entwicklungen, sie verweisen auf Aufklärung und Reformen, die nun nötig seien. Aber auf die beiden entscheidenden Fragen stehen die Antworten noch aus. Die erste lautet: Wie weiter mit Blatter? Die zweite, mindestens genauso wichtige Frage lautet aber: Wie weiter mit Platini? Seit Freitagnachmittag weiß die Fußballwelt, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen den Fifa-Präsidenten Sepp Blatter ermittelt und ihn als Beschuldigten vernommen hat. Es geht um den "Verdacht der ungetreuen Geschäftsbesorgung und - eventualiter - Veruntreuung". Zwei Gründe nannte die Behörde für ihr Strafverfahren gegen Blatter. Der eine ist ein Vertrag, mit dem Blatter seinem langjährigen Vertrauten und Vizepräsidenten Jack Warner (Trinidad & Tobago) WM-Fernsehrechte zu einem Schnäppchenpreis übertrug - statt der Fifa machte Warner den Reibach. Dieser Vertrag war seit einigen Wochen bekannt. Der zweite Grund ist eine Überweisung, die bisher nicht öffentlich bekannt war: Demnach erhielt Michel Platini, der Präsident der Europäischen Fußballunion Uefa, im Februar 2011 von der Fifa etwa zwei Millionen Euro für eine Tätigkeit, die er zwischen 1999 und 2002 erbracht hatte. Michel Platini bestreitet die Zahlung nicht - er hält sie für gerechtfertigt Platini bestreitet die Zahlung nicht, er sagt: "Dieser Betrag steht in Bezug zu meiner Arbeit, die ich unter einem Vertrag mit der Fifa geleistet habe." Aber die Kernfrage ist: Warum überweist die Fifa im Februar 2011 Platini zwei Millionen Euro für eine "Arbeit", die schon neun Jahre und mehr zurückliegt? Die Uefa antwortet darauf bisher nicht, sie verweist darauf, dass es zeitnah ein Statement von Platini mit weiterführenden Informationen geben soll. Beobachter wiederum merken an, dass just zum Zeitpunkt der Überweisung der mit harten Bandagen geführte Präsidentschaftswahlkampf zwischen Sepp Blatter und Mohammed bin Hammam lief. Platini hatte Blatter über lange Jahre gestützt, ehe aus den beiden Verbündeten Gegner wurden. Bisher galt Michel Platini als Favorit für die Nachfolge Blatters, die Europäer unterstützen ihn weitgehend, auch aus anderen wichtigen Kontinentalverbänden erhielt er entsprechende Signale. Am 26. Februar soll die nächste Präsidentschaftswahl stattfinden, neben dem Franzosen wollen der jordanische Prinz Ali, der Südkoreaner Chung Mong-joon sowie der frühere brasilianische Topfußballer Zico kandidieren.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/immobilien-nach-dem-brexit-erinnerung-an-die-letzte-grosse-krise-1.3066082
mlsum-de-9660
Viele große Immobilienfonds stoppen den Handel. Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, doch die Märkte stürzen ab.
Was zurzeit auf den britischen Finanzmärkten passiert, weckt böse Erinnerungen: Bereits sechs große, britische Immobilienfonds haben in dieser Woche den Handel mit Anteilen ausgesetzt. Nach der britischen Investmentfirma Standard Life verfügten nun auch die Anbieter Aviva, M&G, Henderson Global, Columbia Threadneedle sowie Canada Life, dass die Anleger bis auf Weiteres nicht aus den Immobilienfonds aussteigen dürfen. Insgesamt stecken in den Fonds mehr als 15 Milliarden Euro privater Ersparnisse. Nun streiten Experten darüber, wie akut diese Anlagen gefährdet sind. Die Institute berichten, dass viele Anleger ihre Anteile an den Immobilienfonds loswerden wollen, seitdem sich die Mehrheit der Briten für einen Austritt aus der EU ausgesprochen hat. Die Investoren fürchten, dass die Fondsanteile durch den Brexit stark an Wert verlieren könnten. Jahrelang hatten Käufer aus der ganzen Welt die Preise für Büros und Wohnungen in London in die Höhe getrieben. Doch nun kappen Forscher die Wachstumsprognose für Großbritannien. Vor allem ausländische Banken könnten ihre Europa-Zentralen in andere Staaten verlagern. Dadurch würden der Büro- und Wohnungsmarkt viele reiche Käufer und Mieter verlieren. Standard Life etwa musste den Wert seiner Immobilien bereits um fünf Prozent nach unten korrigieren. Detailansicht öffnen Londoner Immobilien könnten an Wert verlieren, wenn die Banken ihr Geschäft von der Themse weg verlagern. An der Börse steigt die Angst, dass eine Preisblase platzen könnte. (Foto: Matthew Lloyd/Bloomberg) Für offene Immobilienfonds ist es gefährlich, wenn viele Anleger gleichzeitig ihre Anteile zurückgeben wollen. Denn die Manager halten nur einen kleinen Teil der Anlagen in bar, Standard Life zuletzt etwa 13 Prozent des Fondsvolumens. Den viel größeren Teil haben sie in Bürotürme, Hotelgebäude oder Kaufhäuser investiert. Sollten nun viele Immobilienfonds gleichzeitig gezwungen sein, einen Teil ihrer Immobilien zu verkaufen, entsteht ein Überangebot auf dem Markt. Das wollen die Fondsmanager verhindern. Deshalb haben sie den Handel mit den Papieren für mindestens vier Wochen ausgesetzt; Anleger kommen in dieser Zeit nicht an ihr Geld. Eigentlich eine Vorsichtsmaßnahme. Doch an den Finanzmärkten sorgen die Ankündigungen für weitere Unsicherheit. In der Nacht zum Mittwoch ist der Kurs des britischen Pfund unter 1,30 Dollar gefallen, zum ersten Mal seit gut 30 Jahren. Seit der Brexit-Entscheidung hat etwa der Fondsanbieter Standard Life 24 Prozent seines Börsenwerts verloren. Die Aktienkurse der Wohnungsbaufirmen Redrow und Bovis Homes sind sogar um mehr als 35 Prozent eingebrochen. Einen Zusammenbruch offener Immobilienfonds hatten hiesige Anleger im Jahr 2008 erlebt. In der Finanzkrise fielen die Immobilienpreise vor allem in den USA, in Spanien und in Irland um bis zu 40 Prozent. Deutsche Immobilienfonds setzten damals ebenfalls den Handel ihrer Anteile aus. Viele Fonds mussten abgewickelt werden; das Vertrauen in die Anlageklasse war vorerst zerstört. ‹ › Munich Re-Vorstandschef Nikolaus von Bomhard glaubt, dass sich EU und Großbritannien auf eine Kooperation "irgendwo zwischen EEA und Efta" verständigen werden, also zwischen den Modellen der Zusammenarbeit der Union mit Norwegen und der Schweiz. Bomhard nennt das einen "soft Brexit", also einen weichen Austritt Großbritanniens. Er sagte, führende Politiker in der konservativen Partei in Großbritannien wollten das Land und die Hauptstadt London in eine Art Singapur Europas verwandeln. Solche Pläne könne man nicht einfach von der Hand weisen. Allerdings seien die Erwartungen vieler Akteure in Großbritannien an die Kompromissbereitschaft der EU und an das, was sie in Verhandlungen mit Brüssel erreichen könnten, zu optimistisch. Der Brexit werde das Wirtschaftswachstum abschwächen, sagte er. Dabei werde Großbritannien deutlich stärker getroffen als die restliche EU. Dazu komme die Möglichkeit, dass Schottland das Vereinigte Königreich verlasse. Große Finanzinstitutionen werden London den Rücken kehren, glaubt Bomhard. "Dublin wird sehr viel bekommen", sagte er zu den Gewinnern des Brexit. Auch Frankfurt und Paris würden wahrscheinlich profitieren. Die Brexit-Entscheidung werde zu Unsicherheit an den Finanzmärkten und einer noch längeren Niedrigzinsphase führen, erwartet Bomhard. Munich Re sei vorbereitet. Die Währungsschwankungen treffen das Unternehmen nicht. Der Konzern hat hohe Dollar-Bestände, aber vergleichsweise kleine Summen in Pfund angelegt. "Wenn es allerdings in der Folge zu einer Finanzkrise kommt, könnten wir uns nicht entziehen", sagte er. Dazu könne es kommen, wenn eine Bank in große Schwierigkeiten gerät oder es ein "großes Kreditereignis" gibt, also den Ausfall eines bedeutenden Schuldners. Eine Austrittswelle aus der EU erwartet der Munich Re-Chef nicht, erst recht nicht in Osteuropa. "Die denken überhaupt nicht daran." Die EU komme eher in den Niederlanden oder in Deutschland unter Druck. Von Herbert Fromme Wird geladen ... Deutsche Fondsmanager erleben gerade das Gegenteil. Sie können sich vor Geld kaum retten Zwar lassen sich einige Parallelen zwischen 2008 und heute ziehen. So sind die Immobilienpreise in London zurzeit sogar höher als damals, sagt Manfred Binsfeld, Immobilienforscher der Rating-Agentur Feri. "Insofern ist die Situation heute zyklisch gesehen ähnlich extrem wie vor dem Ausbruch der letzten Finanzkrise." Doch damals seien die Immobilienmärkte von Euphorie und Spekulation geprägt gewesen, sagt Binsfeld. "Bis heute haben die Investoren dagegen so rational wie möglich angelegt, es geht um die Flucht in sichere Häfen." Zudem konnten sich Anleger auf ein Brexit-Szenario einstellen. Anders als damals in Spanien oder Irland sieht Binsfeld auch keine spekulative Bautätigkeit. "Es gibt kein Überangebot, erst recht nicht auf dem Wohnungsmarkt." Gezwungen zum Verkauf seien Investoren dann, wenn sie sich für Objekte übermäßig verschuldet hätten und dann die Zinsen stiegen. "Zurzeit rechnet aber kein Mensch mit steigenden Zinsen." Deshalb sieht Binsfeld keine Blase platzen, erwartet aber durchaus Preisrückgänge. Und deutsche Immobilienfonds? Sie erleben gerade das Gegenteil ihrer britischen Pendants. Seit Monaten legen Investoren so viel Geld in diese Anlageklasse an wie seit Jahren nicht. Denn Jahr für Jahr schütten offene Immobilienfonds etwa drei Prozent Rendite an ihre Anleger aus, während etwa Bundesanleihen oder Festgeld kaum noch Zinsen bringen. Deshalb geben erste Anbieter in Deutschland zurzeit keine neuen Anteilsscheine ihrer Immobilienfonds aus. Das viele Geld muss zunächst angelegt werden. Zwar haben deutsche Immobilienfonds fünf bis 25 Prozent ihres Geldes in britische Immobilien investiert, wie die Berliner Rating-Agentur Scope berichtet. Doch noch gebe es kein Grund zur Panik. Denn wenn der Londoner Markt schwächele, könnten die Preise in deutschen Städten weiter steigen. Denn sie versprechen gerade jene Sicherheit, die Investoren so dringend suchen.
https://www.sueddeutsche.de/stil/stilkritik-zu-sara-netanjahu-an-bibis-seite-in-schwarzer-spitze-1.1594374
mlsum-de-9661
Für ihr gewagtes Outfit bei der Eröffnungszeremonie der Knesset erntete Sara Netanjahu viel Kritik. Einige Ultraorthodoxe fühlten sich gar in ihren religiösen Gefühlen verletzt.
Detailansicht öffnen Sara Netanjahu trug zur Eröffnungszeremonie des israelischen Parlaments schwarze Spitze - zum Missfallen einiger Ultraorthodoxen. (Foto: AFP) Natürlich hat wieder niemand darüber geredet, dass sie die Haare schön hat. Stattdessen spricht das ganze Land über das Kleid, in dem Sara Netanjahu bei der Eröffnungszeremonie der Knesset - des israelischen Parlaments - ihre Rolle als "First Lady" ausfüllte. Es war schwarz, eng und transparent, und für viele war es zumindest nicht zu schwarz, denn das passt zur Stimmung. Das Problem wurde vielmehr deutlich, als sie in einem Sessel zu sitzen kam und ein Modekritiker im Fernsehen sie mit einem Michelin-Männchen verglich, was natürlich sexistisch ist. Andere fragten sich, ob sie vielleicht direkt aus einem Nachtclub gekommen sei, was auch Quatsch ist, weil es so was ja im heiligen Jerusalem gar nicht gibt. Manche Ultraorthodoxe fühlten sich gar in ihren religiösen Gefühle verletzt, dabei tragen doch deren Abgeordnete im Parlament auch schwarz, sind allerdings dafür ziemlich undurchsichtig. Letztlich schimmerte also schnell durch, dass es den meisten Kritikern gar nicht um Mode, sondern um Macht ging. Schließlich gilt die dominante Sara seit jeher als eine Art politische Problemzone des Premiers Benjamin "Bibi" Netanjahu. Dabei hat sie doch nun vielleicht einfach nur zeigen wollen, dass sie nicht immer die Hosen anhat.
https://www.sueddeutsche.de/politik/warschau-merkel-betont-in-polen-wie-wichtig-unabhaengige-justiz-und-medien-sind-1.3368385
mlsum-de-9662
Die Kanzlerin erlaubt sich in Warschau ein persönliches Wort. Indirekt ermahnt sie die polnische Regierung damit zu mehr Rechtsstaatlichkeit.
Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in Polen das Land zu mehr Rechtsstaatlichkeit gemahnt - indirekt, aber dennoch deutlich. Bevor sich die Kanzlerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der polnischen Regierungschefin Beata Szydło zu gemeinsamen Zielen und Projekten äußerte, schob sie zunächst eine, von ihr als "persönlich" bezeichnete Bemerkung voran. Als junger Mensch, sagte die aus der DDR stammende Merkel, habe sie immer mit großer Aufmerksamkeit auf das geblickt, was in Polen vor sich gehe. Die Kanzlerin würdigte in diesem Zusammenhang die historische Rolle der unabhängigen polnischen Gewerkschaft Solidarność in den 1980er Jahren in der damaligen sozialistischen Volksrepublik Polen. "Aus dieser Zeit wissen wir, wie wichtig plurale Gesellschaften sind", wie wichtig eine unabhängige Justiz und unabhängige Medien seien, sagte Merkel. In diesem Zusammenhang zeigte Merkel sich "froh", dass die polnische Regierung die angekündigt habe, Fragen der Venedig-Kommission zu beantworten. Diese Einrichtung des Europarats kritisiert die "systematische Bedrohung des Rechtsstaats" in Polen. Die nationalpopulistische Regierung in Polen hatte in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von zum Teil wohl verfassungswidrigen Gesetzen erlassen, mit der sie nach Einschätzung von Kritikern versucht, das Verfassungsgericht und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter seine Kontrolle zu bringen. Auch in Brüssel sieht man die Entwicklung in Warschau äußerst kritisch. Die EU-Kommission prüft die umstrittenen Gesetze. Venedigs Mahner Die Venedig-Kommission - eigentlich: Europäische Kommission für Demokratie durch Recht - ist ein unabhängiges Gremium des Europarates. Gegründet 1990, tagt sie traditionell in Venedig. Sie soll insbesondere (aber nicht nur) die 47 Mitgliedstaaten des Europarates in Verfassungsfragen beraten und darauf achten, dass das institutionelle Gefüge der Mitglieder den Standards des Europarats entspricht - konkret: ob sie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte achten. Im Falle des Mitgliedslandes Polen sehen die Experten der Venedig-Kommission eben diese Werte in Gefahr. SZ EU-Themen stehen erst am Abend auf der Agenda Ansonsten stellten sowohl Merkel als auch Szydło zunächst einmal die gemeinsamen Ziele und Projekte beider Länder heraus, vor allem im Bereich der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit. Es sei "für die Wirtschaft Polens sehr wichtig, dass deutsche Firmen sich hier engagieren", sagte die polnische Ministerpräsidentin. Merkel verwies darauf, dass Polen in diesem Jahr Partnerland auf der Hannover Messe ist. Was die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich angeht, stellte Merkel heraus, dass es in diesem Bereich "sehr gemeinsame Ansichten" gebe. Über die weitere Entwicklung in der EU, Fragen nach Reformen oder Folgen aus dem Brexit werden die beiden Regierungschefinnen allerdings erst heute Abend sprechen. Außer mit Szydlo tritt Merkel in Warschau außer mit dem Vorsitzenden der Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, und Staatschef Andrzej Duda sprechen. Die Bundeskanzlerin will bei dem Besuch auch mit Vertretern der Opposition sprechen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/flughafen-ber-berliner-mondlandung-1.3590295
mlsum-de-9663
Bereits 2011 sollte der Airport eröffnet werden, wegen vieler Pannen wurde dies immer wieder verschoben. Nun gibt es einen neuen Termin.
Der Ministerpräsident aus Potsdam gibt sich ganz zuversichtlich: "Wir reden schließlich nicht über eine Mondlandung, sondern über die Eröffnung eines Flughafens." Sein Berliner Kollege ist allerdings eher wenig amüsiert. "Glauben Sie mir, lustig finde ich das nicht", sagte also Michael Müller (SPD) im gemeinsamen Interview mit Dietmar Woidke (SPD) am Wochenende im Tagesspiegel. Das Thema dabei natürlich: die Berliner Flughäfen, in diesem Fall der berühmte Pannen-BER. Was Müller nicht lustig fand, war die Tatsache, dass er sich womöglich langsam auf ein - wieder mal - neues Eröffnungsdatum einstellen muss. "Wenn mir jetzt von den Verantwortlichen gesagt wird, es kann Ende 2018 oder Anfang 2019 sein, muss ich das akzeptieren und sehen, wo Dinge noch beschleunigt und optimiert werden können", lautete der Satz, die viele Kritiker und Eröffnungsdatensammler aufhorchen ließ. Beide Länderchefs betonten, sie wollten trotz der anhaltenden Probleme beim Brandschutz und der ansteigenden Kosten den BER auf jeden Fall zu Ende bauen. "Nein, der BER muss endlich fertig werden", sagte Woidke und dann kam der Satz mit der Mondlandung. Zur Erinnerung: Der erste Spatenstich zur größten Flughafenbaustelle Europas fand am 5. September 2006 statt. Der Flugbetrieb hätte im Oktober 2011 starten sollen. Der Termin wurde aber mehrfach verschoben. Der derzeit offizielle Stand lautet, dass eine Eröffnung im Jahr 2018 stattfinden könne. SPD-Spitzenpolitiker beharren auf der Schließung von Tegel Wo die beiden schon beisammen saßen, sprachen sie auch gleich noch über den anderen Stadt-Flughafen. Die Berliner stimmen am Tag der Bundestagswahl in einem von der FDP initiierten Volksentscheid über die Offenhaltung von Tegel ab. Eine verbindliche Entscheidung ist damit jedoch nicht verbunden, zumal auch Brandenburg sowie die Bundesregierung einer weiteren Öffnung von Tegel nach Inbetriebnahme des BER zustimmen müssten. Beide SPD-Politiker sagten, Tegel müsse schließen. FDP und CDU in Berlin warf Woidke "unseriöse Politik" und einen "populistischen Wahlkampf" vor. "Und Bundesverkehrsminister Dobrindt hängt sich ganz billig dran." Der CSU-Politiker hatte sich in der vergangenen Woche erstmals dafür ausgesprochen, Tegel nach Eröffnung des BER weiterzubetreiben.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ruestungsexporte-wahl-der-waffen-1.2942679
mlsum-de-9664
Das ergründet eine angesehene Historiker-Zeitschrift und stellt fest: Der Bundestag ließ sich von der Regierung entmachten.
Das Ministerium gab sich ungnädig. Es spreche doch nichts gegen die Lieferung von Cobra-Panzerabwehrraketen nach Griechenland, ließ es Kritiker abblitzen. Das Land möge zwar von rechten Obristen beherrscht werden, doch seien Raketen ja nicht zum Einsatz etwa gegen Demonstranten vorgesehen. Also: Wo ist das Problem? Was an sehr aktuelle Debatten erinnert, spielte sich tatsächlich 1968 ab. Damals war die Diskussion fast ein Novum. Inzwischen aber ist die Bundesrepublik einer der größten Waffenhändler der Welt. Deutsche Waffen und Waffenteile werden seit Jahrzehnten auch in viele Krisengebiete geliefert - trotz aller Richtlinien, die genau dies eigentlich unterbinden sollen. Zwar sind die Zahlen insgesamt rückläufig, trotzdem erreichten die Rüstungsausfuhren 2015 offiziell wieder stolze 7,5 Milliarden Euro. Derzeit etwa gibt es Streit um einen Panzerdeal mit Katar. Wie konnte es so weit kommen? Ein Leitorgan der Historiker, die Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, wird in seiner neuen Ausgabe eine Antwort geben. Das Parlament ließ sich von der Regierung entmachten Der US-Historiker William Glenn Gray schreibt in dem Aufsatz "Waffen aus Deutschland?": Die heutige Praxis stelle "einen massiven Bruch" mit der Zurückhaltung der frühen Jahre dar, als Artikel 26 des Grundgesetzes noch moralischer Imperativ war. Dieser verbietet es, Angriffskriege zu führen und zu unterstützen - Letzteres galt meist auch für Waffenexporte außerhalb des Nato-Gebiets. Grays wichtigste Feststellung: Das Parlament ließ sich in dieser Frage von den Regierungen entmachten - und die setzten dann durch, was sie für Realpolitik hielten. Es versäumte schon Mitte der Sechzigerjahre, eine Mitsprache durchzusetzen oder wenigstens das Recht, vorab informiert zu werden. Mit "zahnlosen Resolutionen" aber war "der Bundestag nicht in der Lage, deutsche Waffenexporte nach Übersee zu verhindern". Während der Großen Koalition 1966 bis 1969, also zur Zeit der Cobra-Exporte, war es für Abgeordnete noch "ein Schock, dass sich Deutschland mit Waffenhandel befasste". Neben staatlicher Militärhilfe geschah dies durch private Rüstungsfirmen. Sie sind heute der bestimmende Faktor. Es blieb ein frommer Wunsch, diese Exporte auf Nato-Mitglieder zu begrenzen. Helmut Schmidt hatte noch als Verteidigungsminister unter Willy Brandt 1970 "das politisch verfehlte und wirtschaftlich korrupte Waffengeschäft" verdammt. Als Schmidt 1974, ein Jahr nach der Ölkrise, selber Kanzler wurde, änderte sich dies dramatisch. Für ihn, schreibt Gray, "hatte die wirtschaftliche Situation absoluten Vorrang", weil sich "die Bundesrepublik 1974/75 in einer tiefen Rezession befand". Schmidt erklärte dem US-Präsidenten Gerald Ford: "Angesichts der Arbeitslosigkeit bei uns stehen wir nun unter Druck, und es mag sein, dass wir unsere Politik ändern, um Dinge wie Panzer an den Iran und die Saudis zu verkaufen." Die Entscheidung lag aber bereits allein bei der Exekutive, den Ministerien. So ist es geblieben. Zwar bescheinigt Gray Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), im Einzelnen etwa durch mehr Kontrollen eine "beachtliche Verschärfung der Exportkriterien" erreicht zu haben. Am Prinzip werde dies aber wohl nichts ändern: Das Parlament hat nicht mitzureden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-em-dfb-elf-schlendert-laessig-ins-viertelfinale-1.3052974
mlsum-de-9665
Pünktlich zur K.o.-Phase zeigt die deutsche Nationalelf ihre beste Turnierleistung - und besiegt die Slowakei 3:0. Boateng und Draxler überragen.
Dieses Achtelfinale dauerte noch eine Viertelstunde, da brandete in den deutschen Fanblöcken immer wieder Applaus auf. Es war kein Tor gefallen, es hatte keinen feinen Angriff gegeben, nicht einmal eine spektakuläre Rettungsaktion gab es zu feiern. Es passierte eigentlich überhaupt nix. Außer dass Lukas Podolski den Ball berührte. Als dieses Achtelfinale zwischen Deutschland und der Slowakei noch eine Viertelstunde dauerte, war es schon lange entschieden. So entspannt war es nun, dass auch Nebendarsteller wie Podolski ein bisschen Zuneigung abbekamen. Also grinste Podolski, und natürlich war dieses Grinsen eines, das hervorragend passte zum Spiel des Teams an diesem Abend. 3:0 (2:0) gewann die deutsche Elf die Partie, sie steht nun im Viertelfinale, in dem sie am Samstag (21 Uhr) auf Spanien oder Italien trifft. Und das Spiel gegen die Slowakei hatte so viele Grinsemomente, es war so leicht, so lässig, so überlegen, dass die Mannschaft in diesem Duell alles andere als der Außenseiter sein wird. Draxler kommt für Götze - zum Glück Im Vergleich zum letzten Gruppenspiel, dem 1:0 gegen Nordirland, hatte Bundestrainer Joachim Löw seine Startelf auf einer Position verändert: Für Mario Götze begann Julian Draxler. Das bedeutete, dass im Sturm wieder Mario Gomez spielte. Und das bedeutete vor allem, dass in der Abwehr Jérôme Boateng stand; der Einsatz des Innenverteidigers war nach einer Wadenverhärtung ja unsicher gewesen. Gomez, Draxler, Boateng, das waren dann auch die Spieler, die der deutschen Elf früh einen entspannten Abend bescherten. Die Mannschaft war von Beginn an überlegen, sie spielte schneller, sicherer, gewitzter, die Slowaken liefen nur hinterher. Als Außenseiter zog sich der EM-Debütant weit vor das eigene Tor zurück. Und die deutsche Elf drängte ihn ein paar Meter zusätzlich zurück. Immer wieder verlagerten Toni Kroos oder Sami Khedira oder Boateng das Spiel mit einem weiten Ball auf die anderen Seite, bevorzugt auf die linke, auf der Jonas Hector oder Draxler viel Zeit und Raum hatten. Wie gegen Nordirland führte das zu einigen guten Möglichkeiten im gegnerischen Strafraum, doch anders als gegen Nordirland nutzte das Team sie an diesem Abend besser. Und früher. Nach einer Ecke prallte der Ball zurück an die Grenze des slowakischen Strafraums, dorthin, wo Boateng stand. Und der traf den Ball mit einer Wucht, die jegliche Wadenverhärtung vergessen machte. Der Ball flog, leicht abgefälscht, ins Tor (8.). Es war Boatengs erster Treffer im 63. Länderspiel. Und es war das schnellste deutsche Tor der EM-Geschichte. Nur wenige Minuten später hätte dieser Achtelfinalabend noch gemütlicher werden können. Fünf Minuten nach der Führung schubste der slowakische Kapitän Martin Skrtel mit den Armen Gomez - Strafstoß. Am Elfmeterpunkt stand nicht Thomas Müller, der Elfmeterschütze des FC Bayern, es stand dort nicht Gomez. Es stand dort Mesut Özil. Ein paar Schritte Anlauf, ein halbstarker Schuss halbhoch in den Winkel - Torwart Matus Kozacik parierte (13.).
https://www.sueddeutsche.de/bildung/bildung-spaniens-schueler-im-hausaufgabenstreik-1.3240113
mlsum-de-9666
Kaum mehr Zeit für Freizeit und Familie: Die spanischen Eltern rebellieren gegen das enorme Arbeitspensum ihrer Kinder.
60-Stunden-Woche - da denkt man zunächst an Manager, Ärzte im Krankenhaus oder Anwälte. Doch auch spanische Schüler bringen es regelmäßig auf 60 Stunden Unterricht pro Woche. Hinzu kommt noch die Zeit für Hausaufgaben. Immer länger müssten die Schüler nach Schulschluss noch an Matheaufgaben oder Aufsätzen sitzen, kritisieren die Eltern, ihre Kinder hätten kaum mehr Freizeit. Die spanische Elternorganisation Ceapa, die 12 000 Elternvereine an öffentlichen Schulen in Spanien vertritt, hat daher zu einem Hausaufgabenstreik aufgerufen. Die Schüler sollen den November über alle Hausaufgaben, die die Lehrer über das Wochenende aufgeben, verweigern. Sollte das nichts bringen, warnen die Eltern schon einmal vor einem unbefristeten Streik gegen alle Hausaufgaben im kommenden Jahr. Laut einer OECD-Studie büffeln die russischen Schüler zu Hause am meisten Bei einer Umfrage von Ceapa gab rund die Hälfte der 1748 befragten Eltern an, dass die Hausaufgaben ihrer Kinder das Familienleben in Mitleidenschaft zögen. Die Eltern hätten den Eindruck, dass "los deberes" immer mehr ausufern würden, klagt Verbandschef José Luis Pazos: Die Kinder in Spanien müssten oft mehr als zehn Stunden pro Woche zu Hause büffeln. Belastbare Zahlen gibt es lediglich aus dem Jahr 2012. Damals errechnete die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass der durchschnittliche Aufwand für Hausaufgaben in OECD-Staaten bei 4,8 Stunden in der Woche liege. Für Deutschland lag der Wert damals bei 4,7 Stunden, für Spanien bei 6,5 Stunden. Die meiste Zeit für ihre Hausaufgaben benötigen laut der OECD-Studie Kinder in Russland mit knapp zehn Stunden. Im europäischen Vergleich schneiden spanische Schulkinder eher schlecht ab Besonders bitter für die Eltern in Spanien: Der Mehraufwand für die Hausaufgaben bedeutet nicht, dass die Schüler auch besser Rechnen, Schreiben oder Lesen. Die spanischen Schüler, die zudem überdurchschnittlich viel Schulunterricht haben, schneiden im Pisa-Test eher schlecht ab, die Finnen mit nur drei Stunden Hausaufgaben in der Woche dagegen besonders gut. Der spanische Lehrerverband des Gewerkschaftsbundes CSIF bezeichnet den Hausaufgabenstreik als "Unsinn". Das Problem der Kinder in Spanien seien nicht die Hausaufgaben, sondern vielmehr deren Eltern, schimpft der CSIF-Präsident Mario Gutiérrez. Seine Meinung teilt der spanische Bildungsminister Íñigo Méndez de Vigo y Montojo, der den Streik für eine "sehr schlechte Idee" hält, die die gesamte Lehrerschaft in Verruf bringe. Die Lehrerin Fátima Javier aus dem andalusischen Ayamonte kritisierte die Elternorganisation Ceapa in einem offenen Brief und meinte, man dürfe zwar gerne streiken - aber nicht für weniger Hausaufgaben, sondern stattdessen für mehr Geld im Bildungssektor. Die Elternorganisation Ceapa hingegen zeigt sich fest entschlossen: Der Verbandschef José Luis Pazos gab unumwunden zu, das Ziel der Kampagne sei die gänzliche Abschaffung der Hausaufgaben in Spanien. Mit Material von dpa.
https://www.sueddeutsche.de/politik/gruene-volker-beck-legt-nach-drogenfund-alle-fraktions-aemter-nieder-1.2889553
mlsum-de-9667
Der Grünen-Politiker war am Dienstagabend in eine Polizeikontrolle geraten. Ein sächsischer CDU-Abgeordneter reagiert hämisch auf den Rückzug.
Der langjährige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Volker Beck, hat am Mittwoch mit sofortiger Wirkung alle Fraktionsämter niedergelegt. Der 55-jährige Parlamentarier aus Köln war zuletzt innen- und religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion gewesen. Beck reagierte damit auf die Tatsache, dass er tags zuvor in Berlin bei einer Polizeikontrolle mit Drogen erwischt worden war. Das bestätigte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Nach einem Bericht der Bild-Zeitung soll es sich dabei um das hoch gefährliche Crystal Meth gehandelt haben. Die Staatsanwaltschaft wollte diese Information am Mittwoch aber nicht bestätigen. Sicher ist nur, dass es sich um 0,6 Gramm gehandelt hat. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft betonte, bei Beck sei eine "betäubungsmittelverdächtige Substanz" entdeckt worden. Was genau es gewesen sei, werde noch untersucht. Beck wollte sich zu den Vorwürfen nicht persönlich äußern. Auf seiner Internetseite erklärte er aber, dass er alle Ämter aufgebe, die ihm die Fraktion verliehen habe. Dazu zählt neben den beiden Sprecherposten auch das Amt als Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. "Ich habe immer eine liberale Drogenpolitik vertreten. Zu den gegen mich erhobenen Vorwürfen wird mein Anwalt zu gegebener Zeit eine Erklärung gegenüber der Staatsanwaltschaft abgeben", schrieb Beck in einer kurzen Erklärung. Noch offen ist, ob Beck Abgeordneter bleibt In Berlin gab es sehr unterschiedliche Reaktionen auf die Nachricht. Britta Haßelmann, die Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, erklärte, sie wolle zunächst die Ermittlungen abwarten. "Wir nehmen die persönliche Entscheidung von Volker Beck mit Respekt zur Kenntnis und werden das Gespräch mit ihm suchen", betonte Haßelmann. Die frühere grüne Bundestagsabgeordnete Agnes Krumwiede sagte mit Blick auf Volker Beck, der Bundestag verliere einen seiner "Allerbesten". Allerdings war am Mittwoch noch offen, ob Beck auch sein Mandat als Abgeordneter aufgeben wird. Kritisch äußerte sich der sächsische CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer. Er rief Beck via Twitter ein als provokant wahrgenommenes "Und Tschüss" hinterher. Politische Karriere und Einsatz für deutsch-israelische Verständigung Der Grünen-Politiker Beck zählt zu den erfahrensten Abgeordneten seiner Fraktion und ist einer der prominentesten Grünen-Politiker in Deutschland. Erstmals hatte er sich 1990 für den Bundestag beworben, damals scheiterten die West-Grünen aber an der Fünf-Prozent-Hürde. Vier Jahre später gelang dem damals 34-Jährigen der Einzug ins Parlament. Als die Grünen weitere vier Jahre später in die rot-grüne Bundesregierung eintraten, rückte Beck in den Fraktionsvorstand auf, abermals vier Jahre später wurde er parlamentarischer Geschäftsführer. Über viele Jahre kämpfte der bekennende Homosexuelle für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. 2008 hatte er seinen langjährigen Lebensgefährten geheiratet. Nur ein Jahr später aber starb dieser. Beck hatte ihn monatelang gepflegt. In den vergangenen Jahren hatte Beck sich als scharfzüngiger Innenexperte profiliert und unter anderem die Verschärfung der Asylgesetzgebung kritisiert. Für seinen Einsatz zur Verständigung zwischen Deutschen und Israelis hatte Beck im Oktober 2015 den Leo Baeck-Preis erhalten.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/das-deutsche-valley-zieh-die-oh-1.3319542
mlsum-de-9668
Von der Messe München bis zu BASF: Viele Unternehmen engagieren jetzt einen digitalen Antreiber. Doch dieser stößt oft auf Widerstände.
Klaus Dittrich, der Chef der Messe München, betreibt ein Geschäft, das bis vor kurzem durch und durch analog war - aber er weiß, dass dies nicht so bleiben wird. Früher ging man auf eine Messe, um andere Menschen zu treffen; heute erwarten die Besucher mehr, sie wollen sich digital vernetzen, Ideen austauschen, nicht nur für ein paar Messetage, sondern das ganze Jahr über; und in Zukunft werden sie Kräne und Großbagger nicht bloß leibhaftig ansehen wollen, sondern auch digital erkunden - mit Virtual-Reality-Brille und 360-Grad-Kamera. "Unsere Arbeit wird sich grundlegend verändern", sagt Dittrich. Aber er allein, das ist im klar, wird als Chef den digitalen Wandel nicht voranbringen können. Deshalb ist er im vorigen Oktober gemeinsam mit fünf Kollegen für eine Woche ins Silicon Valley gereist - einer von ihnen, Markus Dirr, hat seinen Job erst Monate später angetreten, an diesem Montag, auf einem Posten, den Dittrich neu geschaffen hat. Dirr ist der erste Chief Digital Officer, kurz: CDO, der Messe München. Der CDO - sprich: Zieh-die-Oh! - ist der jüngste Bestandteil jener Manager-Buchstabensuppe, die in den letzten Jahren aus den USA auch nach Deutschland herübergeschwappt ist. Früher nannte sich der Chef eines Unternehmens schlicht Vorstandsvorsitzender oder Geschäftsführer. Heute firmiert er oder sie gerne als Chief Executive Officer, kurz: CEO. Im Laufe der Jahre sind allerlei andere Chiefs hinzugekommen: der COO (Chief Operating Officer), der CMO (Chief Marketing Officer), der CTO (Chief Technology Officer), der CSO (Chief Scientist Officer); und seit sich bei Siemens und anderswo schwarze Kassen häuften, trifft man auch immer häufiger auf einen CCO, den Chief Compliance Officer, der darauf achten soll, dass alle Mitarbeiter Recht und Gesetz einhalten. Und nun müssen wir uns an die nächste C-Kreation gewöhnen: den Zieh-die-Oh! Seine Aufgabe ist es, den digitalen Wandel im Unternehmen voranzutreiben, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, Start-ups zu gründen oder an die Firma heranzuführen, neue Formen der internen und externen Kommunikation zu etablieren, auch neue Formen der Innovation. Der CDO sei bei jenen Unternehmen, die nicht von Geburt an digital seien, also nicht Google oder Facebook heißen, der "Transformer in Chief", schreibt die Unternehmensberatung McKinsey. Charles-Édouard Bouée, Chef der Münchner Unternehmensberatung Roland Berger, erklärt die Aufgabe des digitalen Antreibers kurz und knapp so: "Handle jetzt! Handle schnell!" Dass die neuen Tempomacher Konflikte hervorrufen, nicht selten auch offenen Streit oder gar Widerstand provozieren, ist naheliegend: Wer Strukturen verändern will (und dabei gern auf die Bedrohung durch das Silicon Valley mit seinem rasenden Innovationstempo verweist), macht sich nicht bloß Freunde, sondern eckt an. Manche Kollegen, die schon immer im Unternehmen waren und es "schon immer genau so!" gemacht haben, fürchten auch schlicht um ihre Macht, wenn ein junger Wilder auftaucht, der ganz anders denkt. Noch vor einem knappen Jahr galt der Chief Digital Officer in Deutschland als "das unbekannte Wesen", so das Urteil des Branchenverbandes Bitkom, der im vorigen März 1108 Firmen befragt hat: Nur zwei Prozent der großen Unternehmen verfügten damals über einen CDO; bei Betrieben mit weniger als 500 Mitarbeitern gab es praktisch nirgends einen digitalen Antreiber. Doch seither hat sich deren Zahl verdoppelt, auf 134, und in diesem Jahr dürfte sie sich nochmals verdoppeln, erwartet Oliver Merx. Er hat zum Jahreswechsel den CDO-Kompass veröffentlicht, die aktuellste Studie zu diesem Thema (www.cdo-kompass.de). Anfangs, wenn die Irritation besonders groß ist, geht manches auch langsamer voran als zuvor Merx beschäftigt sich schon lange mit dem digitalen Wandel. Er besaß einen der ersten Personal-Computer in Deutschland, einen Commodore PET 2001, erworben auf der Hannover Messe 1978, der heute in einer Ausstellung in Berlin steht. Später hat er für eine Reihe von Start-ups gearbeitet. In seiner Studie zeigt er auf, wie rasant sich die Welt des Managements verändert, nicht nur in Deutschland: Weltweit gab es vor sechs Jahren nur 52 Chief Digital Officer, heute sind es über 2500. Hierzulande sind die digitalen Antreiber vor allem in der Industrie, in der Medienbranche und bei Banken tätig. Es gibt sie bei BASF ebenso wie bei der Volksbank Itzehoe. Nur sieben Prozent von ihnen sind Frauen. Etwa die Hälfte kommt von innen, aus den jeweiligen Firmen, die andere Hälfte von außen. So warb VW vor einem Jahr Johann Jungwirth bei Apple ab, Eon holte im August Matthew Timms von SAP, Audi im Oktober Roland Villinger von McKinsey. Und Matthias Dirr, 33, der Neue bei der Messe München, arbeitete zuvor für einen großen Online-Händler. Auch wenn ihr Titel nach viel Macht klingt: Nicht alle Chief Digital Officer gehören dem Vorstand des Unternehmens an, meist arbeiten sie auf der Führungsebene darunter. Merx hält das für besser: "Ein Vorstand muss oft viel verwalten. Die meisten CDOs denken viel operativer." Was aber können die Digitalantreiber wirklich bewirken? Anfangs, wenn die Irritationen inner- und außerhalb des Unternehmens besonders groß sind, kann manches auch langsamer vorangehen als zuvor. Entscheidend ist deshalb die Rückendeckung von oben, vom Chef - und dazu ein Team samt eigenem Budget, das den Wandel vorantreibt und in das ganze Unternehmen hineinträgt. Manche behaupten: Der Chief Digital Officer sei dann erfolgreich, wenn er sich überflüssig macht, weil das Unternehmen digital geworden sei. Ist er also ein Söldner auf Zeit, dessen Aufgabe irgendwann erledigt ist? Nein, meint Oliver Merx: "Denn digitale Innovation beginnt stets von Neuem, wenn sie sich dem vermeintlichen Ende zu nähern scheint." An dieser Stelle schreiben jeden Mittwoch Alina Fichter und Ulrich Schäfer im Wechsel.
https://www.sueddeutsche.de/sport/doping-ploetzlich-hat-bradley-wiggins-also-asthma-1.3181378
mlsum-de-9669
Wofür brauchte der fünffache Rad-Olympiasieger starke Medikamente? Wiggins verspricht Transparenz, vernebelt aber offenbar die Wahrheit. Eine Fallhöhe, aus der er stürzen könnte.
Bradely Wiggins hat 2012 die Tour de France gewonnen. Fünf Mal holte der Brite olympisches Gold, zuletzt in der Mannschaftsverfolgung in Rio. Spitzensportler sind ja schon ein interessantes Volk. Sie setzen sich den Errungenschaften der modernen Hochleistungsindustrie aus, überwacht von Ärzten und Wissenschaftlern. Gleichzeitig werden manche von ihnen immer kränker, beantragen Ausnahmegenehmigungen (TUEs), die ihren maladen Körpern dringend benötigte Medizin verschaffen, leistungsfördernde Mittel inklusive. Dieser Trend war bereits bekannt, ehe eine Hackergruppe jüngst in die digitale Datenbank der Welt-Anti-Doping-Agentur einbrach und Dutzende TUEs im Internet ausstellte. Nun steckt erstmals einer der Betroffenen aus dem Sportadel in der Klemme: Sir Bradley Wiggins, Großbritannien. Wiggins ist mit prächtigen Meriten behängt, fünf Olympiasiege, acht WM-Titel, ein Tour-de-France-Gewinn. Er verbrachte sechs Jahre beim Team Sky, von 2010 bis 2015. Dessen Teamdoktor Steven Peters hat vor drei Jahren der Sunday Times gesagt, dass man Fahrer, die akut an Asthma leiden, lieber aus dem Rennen nehme, anstatt ihnen eine Ausnahmegenehmigung zu verschaffen. In Wiggins Autobiografie ist von Asthma-Problemen nirgendwo die Rede Wiggins' Daten zeigen nun, dass er drei TUEs für das starke Kortikoid Triamcinolon erhielt: vor der Tour de France 2012, die er gewann, dazu vor der Tour 2011 und dem Giro d'Italia 2013. Der Grund: Asthma. "Es ging nicht darum, einen unfairen Vorteil zu erlangen. Ich leide mein Leben lang unter Asthma", verteidigt sich Wiggins nun. In seiner 2012 erschienenen Autobiografie ist von Asthma aber nirgendwo die Rede; 2012 habe er nur "ein oder zwei Mal kleine Erkältungen gehabt", steht dort. Was zwei Erklärungen zulässt: spontanen Gedächtnisverlust oder Wiggins und Sky nahmen es mit ihrer oft beschworenen Transparenz doch nicht so genau. Und jetzt? Wiggins beteuert, er habe keine Regel verletzt. Fürsprecher sagen, er habe sich für mögliche Malaisen gerüstet, na und? Aber das leitet die Debatte an einem zentralen Thema vorbei. Wiggins und Sky simulierten damals Transparenz, sie öffneten den Beobachtern einen Spalt im Vorhang, anstatt die Hinterbühne ganz freizugeben. So wie der Sport mit seinem Anti-Doping-Management, das oft nur so viel von den Ferkeleien zeigt, dass das Publikum nicht die Lust verliert. Wiggins ist selbst Schuld, dass seine Leistungen ins Zwielicht geraten Sportler des 21. Jahrhunderts stecken in einer Glaubwürdigkeits-Falle. Sie fordern Vertrauen vom Publikum ein, das eingedenk der Skandale das Vertrauen verliert. Sie verweisen auf Dopingkontrollen, um ihre Integrität zu belegen, doch diese Kontrollen sind lückenhaft. Was eben den Verbänden zu verdanken ist. Doch wer Transparenz simuliert und in Wahrheit offenbar vernebelt, wie Sky und Wiggins, der klettert in eine Fallhöhe, von der aus der Sturz umso härter ausfällt. Der rückt ins Zwielicht, obwohl er keine Formalität verletzt hat.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/panama-papers-panama-beugt-sich-dem-internationalen-druck-1.2956502
mlsum-de-9670
Die Steueroase will spätestens von 2018 an beim internationalen Austausch von Steuerdaten mitmachen. Wer eine Firma besitzt, soll das bald nicht mehr verschleiern können.
Panama will seinen Ruf als Steueroase abstreifen und sich spätestens von 2018 an am internationalen Austausch von Steuerdaten beteiligen. Das kündigte Präsident Juan Carlos Varela an: "Um einen Missbrauch unseres Steuersystems zu verhindern, wollen wir mit anderen Staaten kooperieren und die Transparenz erhöhen." Zuvor hatte das Land bereits zugesagt, Daten zumindest bilateral auszutauschen. "Panamas Weg zu mehr Transparenz ist unumkehrbar", erklärte Vizepräsidentin Isabel de Saint Malo. Präsident Varela versprach im Interview mit der japanischen Zeitung Nikkei weiter, die Nutzung anonymer Inhaberaktien in seinem Land künftig zu untersagen. Diese erlauben es den Eigentümern einer Firma, ihre Identität zu verschleiern. "In Zukunft müssen wir wissen, wem ein Unternehmen gehört", sagte Varela. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatte zuletzt bereits mitgeteilt, sie erwarte, dass Panama am Informationsaustausch teilnehmen werde. Dies bestätigte Präsident Varela nun erstmals. Die Finanzminister der G-20-Staaten hatten am Wochenende erheblichen Druck auf Steueroasen weltweit aufgebaut: Nach ihrem Treffen in Washington D.C. forderten sie in einer Erklärung alle Länder, Finanzzentren und Überseegebiete auf, sich am geplanten automatischen Informationsaustausch von Steuer- und Finanzdaten zu beteiligen. Die Minister kündigten zudem an, dass nicht kooperationswillige Staaten mit "Abwehrmaßnahmen", also Sanktionen, rechnen müssten. Die Veröffentlichung Hunderttausender Dokumente aus einer panamaischen Anwaltskanzlei durch ein internationales Recherche-Netzwerk unter Federführung der Süddeutschen Zeitung hat ein Schlaglicht auf Panamas Steuersystem geworfen. Weltweit hatten dort Politiker, Reiche und Prominente anonyme Briefkastenfirmen gegründet. Im Raum steht der Verdacht von Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
https://www.sueddeutsche.de/sport/langlauf-aberwitziger-vorsprung-1.3882325
mlsum-de-9671
Marit Björgen, 37, krönt ihre Karriere mit dem achten Gold. Niemand hat je bei Winterspielen mehr Medaillen gewonnen - nur eine Turnerin war erfolgreicher.
Detailansicht öffnen „Gänsehaut“ beim letzten Anstieg: Marit Björgen. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa) Die letzten Meter hinauf auf den Gipfel des Olymps waren ein Triumphlauf für Marit Björgen. Sie trug die norwegische Fahne in der rechten Hand, sie lachte und ließ es ruhig angehen - trotzdem gewann sie das 30-Kilometer-Rennen im klassischen Stil mit einem aberwitzigen Vorsprung. 1:49,5 Minuten lag die 37 Jahre alte Ski-Langläuferin vor der zweitplatzierten Finnin Krista Pärmäkoski. Noch nie hatte bei Olympia eine Läuferin mit einem größeren Vorsprung auf der Königsstrecke gesiegt. "Als ich den letzten Anstieg hoch bin, habe ich Gänsehaut bekommen", sagte Björgen; auf diese Art Abschied zu nehmen von Olympia, sei "fantastisch". Und mit einem Lachen fügte sie hinzu, sie habe gedacht, "je schneller ich laufe, desto schneller komme ich nach Hause zu Marius", zu ihrem Sohn. Zuvor stand aber noch die Medaillenübergabe auf der größtmöglichen Bühne an: während der Abschlussfeier im Olympiastadion. Björgen tritt als Rekordhalterin von der größten aller Bühnen ab: mit achtmal Gold, viermal Silber, dreimal Bronze. Keine Frau, kein Mann hat je bei Olympischen Winterspielen mehr erreicht . Mit ihrem achten Olympiasieg am Sonntag überholte Björgen ihren Landsmann Ole Einar Björndalen; der 44 Jahre alte Biathlet war nicht mehr für Pyeongchang nominiert worden. Der norwegische Fernsehsender NRK hatte Björgen auf seiner Homepage bereits vor dem Rennen als "erfolgreichste Olympionikin der Geschichte" bezeichnet. Das bleibt aber die sowjetische Turnerin Larissa Latynina, die bei Sommerspielen sogar neun goldene Medaillen gewonnen hat (und dazu fünf silberne sowie vier bronzene). Das letzte Rennen bei Olympia bestritt auch Steffi Böhler aus Ibach. Die 36-Jährige hatte 2006 Silber und 2014 Bronze jeweils mit der Staffel gewonnen, nun lieferte sie als 16. noch einmal eine ordentliche Leistung ab. Was allerdings auch nichts daran änderte, dass die deutschen Langläufer zum ersten Mal seit Nagano 1998 ohne Medaille blieben.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/fall-chantal-richter-verurteilen-pflegeeltern-zu-bewaehrungsstrafen-1.2337590
mlsum-de-9672
Der Tod der elfjährigen Chantal sorgte bundesweit für Entsetzen. Das Mädchen starb, weil es in der Wohnung seiner drogensüchtigen Pflegeeltern versehentlich Methadon schluckte. Jetzt ist das Paar schuldig gesprochen worden.
Welches Urteil das Gericht gefällt hat Drei Jahre nach dem Tod der damals elfjährigen Chantal in Hamburg ist an diesem Donnerstag das Urteil gesprochen worden. Die Richter am Landgericht verurteilten den früheren Pflegevater des Mädchens wegen fahrlässiger Tötung und Vernachlässigung seiner Fürsorgepflicht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Die Pfegemutter wurde zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Damit blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für den Vater eine zweieinhalbjährige Haftstrafe und für die Mutter eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verlangt hatte. Die Verteidiger hatten für beide Angeklagte auf Freispruch plädiert. Wie Chantal zu Tode kam Chantal war vor drei Jahren an den Folgen einer Methadon-Vergiftung gestorben. Das Mädchen hatte in der Wohnung seiner drogenabhängigen Pflegeeltern Zugang zu der Heroin-Ersatzdroge bekommen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Pflegevater die im Sterben liegende Chantal dann sich selbst überlassen hatte - ohne den Notarzt oder seine Lebensgefährtin zu verständigen. Beide Angeklagten hätten im Prozess Reue gezeigt, hieß es von Seiten des Gerichts zur Begründung der relativ milden Strafen. Die Familie sei unter den Ereignissen zusammengebrochen. Außerdem hätten die Pflegeeltern unter der Medienberichterstattung zu leiden gehabt und jeweils ihre Arbeitsstelle verloren. Wie die Staatsanwaltschaft argumentierte Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hatte das Mädchen in der Wohnung von Sylvia L. und Wolfgang A. versehentlich die Ersatzdroge eingenommen, weil sie sie für ein Medikament gegen Übelkeit hielt. Die Pflegemutter war an dem betreffenden Abend nicht zu Hause, der Pflegevater kam gegen 23 Uhr zurück und beauftragte die jüngste Pflegetochter, Chantal, noch einen Tee zu kochen. Als das Kind am nächsten Tag bewusstlos im Bett lag, alarmierte er jedoch keinen Arzt, sondern ging gegen Mittag zur Arbeit. Ein verhängnisvoller Fehler, denn zu diesem Zeitpunkt hätte Chantal noch gerettet werden können. Welche Version die Verteidigung verbrachte Die Verteidigung hat eine andere Version der Geschichte: Die Pflegeeltern beharrten darauf, das Methadon sei sicher in der Garage verwahrt gewesen. Den Anwälten von Sylvia L. und Wolfgang A. zufolge ist keinesfalls erwiesen, dass Chantal das Methadon von ihren Pflegeeltern hatte. Sie hätte es - eine Vermutung, die auf eine Aussage der jüngsten Pflegetochter der Familie zurückgeht - auch bei ihrem drogenabhängigen leiblichen Vater geklaut haben können. Doch weder in dessen Blut, noch in dessen Wohnung wurde bei einer Durchsuchung Methadon gefunden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/nba-schroeder-ueberragt-mit-atlanta-1.2330323
mlsum-de-9673
Der deutsche Basketballer gewinnt mit den Atlanta Hawks bereits die 19. NBA-Partie nacheinander. Eine 17-jährige Golferin übernimmt die Spitze der Damen-Weltrangliste. Severin Freund holt in Willingen seinen dritten Saisonsieg.
Basketball, NBA: Mit einem starken Dennis Schröder haben die Atlanta Hawks ihre imposante Siegesserie in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA ausgebaut. Das beste Team der Eastern Conference gewann beim 91:85 gegen die Philadelphia 76ers bereits seine 19. Partie nacheinander. Schröder sorgte mit einem Dreipunktewurf anderthalb Minuten vor Ende für die 86:83-Führung und erzielte mit insgesamt 15 Zählern seine drittbeste Karriereleistung in der NBA. "Er arbeitet hart, er arbeitet jeden Tag", lobte Trainer Mike Budenholzer den 21-Jährigen. "Er wird auch in Zukunft für uns große Würfe treffen. Wir haben Vertrauen in ihn." Bester Werfer der Hawks war Al Horford mit 23 Punkten. Dirk Nowitzki und die Dallas Mavericks holten sich den zweiten Erfolg nacheinander. Beim 108:93 bei den Orlando Magic kam der Deutsche auf elf Punkte, Monta Ellis zeigte mit 25 Zählern und 13 Assists eine überragende Vorstellung. Aufbauspieler Rajon Rondo zog sich in der Anfangsphase eine Kopfverletzung zu und kehrte nicht auf das Spielfeld zurück. Als Sechster im Westen liegt Dallas weiter sicher auf Playoff-Kurs. Skispringen, Weltcup: Severin Freund hat beim Heim-Weltcup in Willingen seinen dritten Saisonsieg gefeiert. Der 26-Jährige gewann nach starken Flügen auf 149,5 und 146,0 Meter mit 270,3 Punkten vor dem Norweger Rune Velta (269,3) und Roman Koudelka (252,4) aus Tschechien. Für Freund war es der zwölfte Weltcup-Sieg seiner Karriere, in der ewigen deutschen Bestenliste schloss er zu Dieter Thoma auf Rang vier auf. Wintersport, Skispringen: Carina Vogt hat den zweiten Weltcupsieg ihrer Karriere gefeiert und damit eindrucksvoll ihre Ambitionen auf eine WM-Medaille unterstrichen. Knapp drei Wochen vor den Titelkämpfen verwies die Skisprung-Olympiasiegerin am Sonntag in Hinzenbach die zuletzt dreimal in Serie siegreiche Weltcup-Spitzenreiterin Daniela Iraschko-Stolz aus Österreich um 0,4 Punkte auf Rang zwei. Dritte wurde die Slowenin Spela Rogelj. Katharina Althaus sprang als Neunte ebenfalls in die Top Ten. In der Weltcup-Gesamtwertung ist Vogt, die zum sechsten Mal in Serie das Podest erreichte, mit 568 Punkten Zweite hinter Iraschko-Stolz (622). Tennis, Australian Open: Martina Hingis und Leander Paes haben bei den Australian Open den Mixed-Wettbewerb gewonnen und sich den ersten gemeinsamen Grand-Slam-Titel gesichert. Die 34-jährige Schweizerin und der 41-jährige Inder setzten sich im Finale von Melbourne mit 6:4, 6:3 gegen Kristina Mladenovic/Daniel Nestor (Frankreich/Kanada/Nr. 3) durch. Das an Position sieben gesetzte Duo Hingis/Paes kassierte ein Preisgeld von umgerechnet 98.000 Euro. Die frühere Weltranglistenerste Hingis hat damit in ihrer Karriere bereits 16 Grand-Slam-Titel geholt - fünf im Einzel, neun im Doppel und zwei im Mixed. Paes kommt auf 15 Major-Erfolge, acht im Doppel und sieben im Mixed. Hingis hatte 2006 in Melbourne bereits mit Paes' Landsmann Mahesh Bhupathi das gemischte Doppel gewonnen. Wintersport, Nordische Kombination: Böse Überraschung für Kombinierer Eric Frenzel: Der Olympiasieger ist bei der WM-Generalprobe im italienischen Val di Fiemme nach dem Springen wegen nicht geschlossener Handschuhe disqualifiziert worden. "Das ist sehr ärgerlich. Dass man vergisst, den Reißverschluss zu schließen, darf einem nicht passieren", sagte der Sachse in der ARD. Frenzel lag nach dem Springen in Führung und stand dicht vor seinem achten Saisonsieg und dem erneuten Gewinn des Gesamt-Weltcups. "Das war nicht mit Vorsatz. Es ist schade, aber das Reglement ist streng und da muss man dann durch", sagte der zweimalige Weltmeister, der nicht zum Skilanglauf über zehn Kilometer (14.00 Uhr) antreten darf. "Sein Material war nicht dem Reglement entsprechend. Die Jury musste deshalb entscheiden, dass er disqualifiziert ist. Er kann im Lauf nicht starten", sagte FIS-Renndirektor Lasse Ottesen. Als Führender geht somit der Österreicher Christoph Bieler in die Loipe, ihm folgen die Norweger Haavard Klemetsen und Jan Schmid. Bestens im Rennen liegen Wolfgang Bösl (Berchtesgaden) und Fabian Rießle (Breitnau) auf den Rängen vier uns sechs. Manuel Faißt (Baiersbronn) und Johannes Rydzek (Oberstdorf) folgen auf den Plätzen 12 und 13. American Football: Quarterback Aaron Rodgers von den Green Bay Packers ist zum zweiten Mal nach 2011 zum wertvollsten Spieler (MVP) der National Football League NFL gewählt worden. Rodgers setzte sich nach dem Votum der Sportjournalisten vor Defensive End J.J. Watt von den Houston Texans durch. Rodgers war mit den Packers im Conference Final an den Seattle Seahawks gescheitert. Der Titelverteidiger trifft in der Nacht zu Montag (00.30 Uhr/Sat.1 und Sport1 US) auf die New England Patriots um den deutschen Profi Sebastian Vollmer. Formel 1, Mercedes: Titelverteidiger Lewis Hamilton und sein deutscher Teamrivale Nico Rosberg haben am Sonntag unmittelbar vor Beginn der Testfahrten den neuen Formel-1-Silberpfeil vorgestellt. Um 08.21 Uhr enthüllte das Duo den F1 W06 in der Boxengasse des Circuito de Jerez. Der Wagen hatte bereits am Donnerstag in Silverstone ein paar Runden für Werbeaufnahmen gedreht. Mit dem Vorgängermodell F1 W05 hatte Mercedes die vergangene Saison dominiert. Hamilton hatte auf dem Weg zu seinem zweiten WM-Titel nach 2008 elf Rennen gewonnen, Rosberg fünf. Einzig Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo hatte dreimal Mercedes als Sieger bezwingen können. Die neue Saison mit derzeit geplanten 20 Rennen beginnt am 15. März in Melbourne. Mercedes gilt zunächst als Topfavorit. Über die Leistungsstärke von Ferrari mit Neuzugang Sebastian Vettel und McLaren mit Ex-Ferrari-Star Fernando Alonso dürften auch die weiteren Testfahrten Aufschluss geben. In Jerez fahren die Piloten noch bis Mittwoch. Vom 19. bis 22. Februar und 26. Februar bis 1. März stehen auf dem Grand-Prix-Kurs bei Barcelona die restlichen Übungsrunden an.
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestagswahl-kabinett-im-dornroeschenschlaf-1.3779453
mlsum-de-9674
Manche Minister entspannen, anderen laufen die Leute weg: Die geschäftsführende Bundesregierung laviert sich durch EU-Entscheidungen und ein Haushalts-Vakuum.
So eine geschäftsführende Ministerin hat alle Hände voll zu tun. Gerade ist das Foto mit dem einen Grüppchen fertig, da will auch das andere noch eins. Die Chance auf ein Foto mit der leibhaftigen Wirtschaftsministerin lassen sich deutsche Mittelständler nicht entgehen, nach den Gruppenfotos kommen die Selfies. Für Brigitte Zypries ist es einer der anstrengenderen Termine in dieser Woche. Denn ansonsten herrscht Dornröschenschlaf. Zypries selber ist an diesem Morgen eine Stunde später ins Büro gekommen als sonst, um neun. "Der Kalender ist weniger gedrängt", sagt die SPD-Ministerin. "Die Entwicklung großer Linien fällt weg." Was bleibe, sei das Tagesgeschäft. So geht es derzeit in allen 14 Ministerien zu, samt ihren knapp 20 000 Beschäftigten. Seit sechs Wochen ist die Regierung nur noch "geschäftsführend" im Amt. Sie regelt, was zu regeln ist, Initiative ergreift sie nicht mehr. Zypries verteilt an diesem Tag Förderbescheide an Mittelständler, die sich um die Digitalisierung kümmern. Einer hat eine Umkleidekabine entwickelt, in der ein intelligenter Spiegel zum Kleid noch die passenden Schuhe empfiehlt, ein anderer stellt Fahrradtaschen her, die sich lokalisieren lassen. Als der Leiter eines neuen Kompetenzzentrums sie zur offiziellen Eröffnung im Februar einlädt, sagt Zypries: "Gerne." Wie andere Minister hat auch sie sich darauf eingestellt, dass aus den sechs Wochen locker 12 oder 18 werden. Nie zuvor war ein Kabinett so lange zum Dienst nach Vorschrift verdammt wie dieses. In manchen Häusern führt das zu regelrechten Zerfallserscheinungen. Im Bundesfinanzministerium etwa geht reihenweise das Führungspersonal von der Fahne. Finanzminister Wolfgang Schäuble hat sich in den Bundestag verabschiedet. Seine Sprecherin ist nach London gezogen. Wichtige Beamte sind auf andere Posten gewechselt. Und im Januar geht auch noch Werner Gatzer, der Staatssekretär, der hinter dem Minister für die schwarze Null im Bundeshaushalt zuständig war. Wer in diesen Tagen anruft, muss viel Geduld haben, bis sich jemand meldet. Und das in einem Haus, in dem das Regierungsvakuum zunehmend in ein Verwaltungspatt mündet. "Die Welt steht nicht still, nur weil es keine Regierung in Berlin gibt" Denn zum einen gibt es keinen Haushalt, aus dem sich neue Projekte finanzieren ließen - selbst das Finanzministerium fährt auf Sicht. Zum anderen jagt auf europäischer und internationaler Ebene eine Entscheidung die andere. "Die Welt steht nicht still, nur weil es keine Regierung in Berlin gibt", sagt ein hoher Beamter. Doch wer entscheidet? In Brüssel musste am vergangenen Montag ein neuer Chef für die Euro-Gruppe gewählt werden, turnusmäßig, unaufschiebbar. Berlin musste eine Position beziehen. Der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier fuhr nach Brüssel - und stimmte nolens volens mit den Kollegen. Bei der Personalie mitreden, wie es sein nicht geschäftsführender Vorgänger Schäuble getan hätte, konnte er nicht mehr. So wird der Machtverlust sichtbar. Das nächste Mal wird es an diesem Mittwoch so sein, wenn EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker ein Reformpaket für die Euro-Zone vorlegen will. Das kann in Berlin nur zur Kenntnis genommen werden. Eine Regierung, die mitdiskutieren könnte, gibt es nicht. Mindestens ebenso schwer wiegt das Haushalts-Vakuum. Ein neuer Haushalt kann erst von einer neuen Regierung präsentiert werden. Keine Regierung, kein neuer Haushalt. Damit gelten die Regeln der "vorläufigen Haushaltsführung", es dürfen nur Gehälter und dringend nötige Ausgaben getätigt werden. Die Folge ist Verunsicherung. Auslaufende Projekte lassen sich nicht einfach verlängern, ebenso wenig mancher Arbeitsvertrag. Bei der Bundesbank laufen Ende April die Verträge zweier Vorstände aus - und keine Regierung ist da, die ihre neuerliche Berufung vorschlagen könnte. Und auf dem Umweltministerium lastet zentnerschwer ein Urteil des Verfassungsgerichts: Bis Juni 2018 verlangt es eine Neuregelung des Atomgesetzes. Wer soll die auf den Weg bringen? Von "geschäftsführend" ist bei Gabriel und de Maizière nichts zu spüren Wer was wie? Das ist eine Frage, die auch manche Minister seit Wochen beschäftigt. Innenminister Thomas de Maizière etwa hing seit Monaten zwischen gestern und morgen, weil sein Nachfolger, CSU-Mann Joachim Herrmann, quasi feststand. Außenminister Sigmar Gabriel hatte während der Jamaika-Sondierungen gar fast mit dem Gedanken abgeschlossen, seinen Vielflieger-Posten zu behalten. Auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sinnierte schon über ihren Abschied. Die Arbeit ging dennoch weiter. Während um sie herum Mitarbeiter neue Jobs suchten, war Hendricks Gastgeberin der Klimakonferenz in Bonn, und de Maizière besuchte Polizisten, Flüchtlinge, europäische Kollegen. Und wenn die Kanzlerin während der Sondierungen Beratung brauchte, eilte der "Experte für Verschriftlichung" an ihre Seite. Und jetzt? Bleibt Herrmann in München und de Maizière lächelt leise, auch wenn nichts gewiss ist. Sehr ähnlich dürfte es auch Gabriel gehen, seit die SPD sich Koalitionsverhandlungen nähert. Mit einem Mal hält ihn das politisch wieder am Leben, auch wenn es in der SPD-Spitze einige gibt, die auf einen Minister Gabriel in Zukunft am liebsten verzichten würden. Seine Chancen, ob im Auswärtigen Amt oder gar als Finanzminister, sind gleichwohl gewachsen. Und einen wie Gabriel treibt das naturgemäß an, noch mal alles zu geben, ganz so, als gäbe es für ihn auf Jahrzehnte nichts anderes als diese Aufgabe. Von "geschäftsführend" ist bei ihm wie bei de Maizière deshalb nicht viel zu spüren. Andere sind da entspannter. Zypries etwa hegt keine Ambitionen mehr. Es soll nur keiner später sagen können, sie habe nicht bis zum Schluss sauber gearbeitet.
https://www.sueddeutsche.de/reise/malta-der-fels-in-der-wandlung-1.880573
mlsum-de-9675
In Maltas Hauptstadt Valletta verbinden sich Geschichte und Stein zu einem Bollwerk gegen schnelle Veränderung.
Der alte Mann winkt seinen Besucher näher heran an eine Vitrine. Darin liegen kleine, klobige Holzstücke, in die Schnörkel geschnitzt sind, Buchstaben, Kreuze: Siegel des Johanniterordens und einflussreicher adliger Familien. Detailansicht öffnen In Valletta ändern sich die Zeiten nur langsam. (Foto: Foto: Temsch) "Stellen Sie sich vor", sagt der alte Mann, und er flüstert jetzt, "wie mächtig Sie gewesen wären, hätten Sie diese Siegel damals in Ihren Händen gehabt." Dann macht er eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, hier, in seinem Haus, dem Palazzo Casa Rocca Piccola in Valletta, in dem das grelle Sonnenlicht gedämpft durch schwere Vorhänge fällt, wo tiefe Teppiche und Hunderte von dunkel gerahmten Ölgemälden jeden Laut verschlucken. Mehr als 400 Jahre lang sind von hier aus die Geschicke Maltas beeinflusst worden. Und wer etwas wissen will über die turbulente Vergangenheit des Landes, seine sich schnell verändernde Gegenwart und seine ungewisse Zukunft in Europa nach dem EU-Beitritt am 1. Mai, ist bei dem alten Mann und Besitzer des Casa Rocca Piccola richtig: bei Nicholas Marquis de Piro, Baron von Budach und Malteser Ritter, Mitglied des Johanniterordens, der als einer der wenigen der alteingesessenen Patriarchen seine Villentore auch für Touristen öffnet. Malta, das ist Geschichte und Stein: marines Sediment, gebildet aus Myriaden abgestorbener Meeresorganismen, aus dem Meer aufgefaltet vor Millionen von Jahren. Es gibt verschiedene Sorten - den unteren und den oberen Korallenkalk, die Blauen Tone, Grünsande und den weichen Globigerinenkalk, der in akkuraten Quadern aus dem Boden geschnitten wird, an der Luft schnell härtet und sich hervorragend zum Bauen eignet. Importierte Souvenire Seit Jahrhunderten nutzen die Malteser dieses Verfahren. Holz gibt es nicht genug. So steinig Malta ist, so unfruchtbar ist es auch. Selbst das am Flughafen feilgebotene Souvenir-Olivenöl wird aus Italien importiert. Brutal umkämpft war die Insel dennoch seit jeher, wegen ihrer strategisch wichtigen Lage zwischen Europa und Nordafrika. Kriege und Intrigen waren die Folge, und kluge Männer wurden reich. Der Marquis de Piro hat Tausende Seiten Aufzeichnungen seiner Vorfahren erforschen lassen, und er sagt: "Vieles kam heraus, auf das unsere Familie sehr stolz sein darf. Es gibt aber auch Dinge, die bleiben besser unter uns." Auf den ersten Blick verlieben kann sich der Reisende kaum in dieses Land. Denn der Stein ist wehrhaft felsenfest, nicht etwa zu einladend weichem Sand erodiert. Die wenigen Strände, die es gibt, liegen an den Hauptstraßen und sind zur Hochsaison hoffnungslos überfüllt, weil die "Beach"-Wegweiser in den Hotels nur zu betonierten Liegeflächen führen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/burkini-verbot-strafe-fuer-jene-die-fotos-von-burkini-kontrollen-verbreiten-1.3136053
mlsum-de-9676
Dass die französische Polizei in Nizza offenbar eine Frau zu mehr Nacktheit zwang, verschärft die Debatte über das Burkini-Verbot. Nizzas Bürgermeister droht jenen, die die absurde Szene dokumentierten.
Manuel Valls bezeichnete Burkinis als "politisches Projekt", sie seien nicht mit französischen Werten vereinbar. Dagegen regt sich jetzt Kritik - auch aus seiner eigenen Partei. Seit Wochen diskutiert Frankreich bereits über das Burkini-Verbot - jetzt hat sich die Tonlage in dem Streit noch einmal deutlich verschärft. Mehrere hochrangige Politiker meldeten sich in den vergangenen Tagen zu Wort, auch die Regierungsmitglieder sind sich nicht darüber einig, was von dem Verbot zu halten ist. Auslöser der Eskalation war ein Vorfall am Strand von Nizza, wo Polizisten eine muslimische Frau gezwungen hatten, ihr Oberteil auszuziehen - obwohl sie noch nicht einmal einen Burkini trug, sondern nur ein gewöhnliches Kopftuch und Leggings. Fotos der Polizeikontrolle aus Nizza waren im Internet tausendfach geteilt worden und hatten eine Menge wütender Kommentare nach sich gezogen. Christian Estrosi, Bürgermeister von Nizza, reagierte heftig auf die Vorwürfe, denen seine Stadt sich derzeit ausgesetzt sieht und ging zum Gegenangriff über: Er bezeichnete die Bilder als "Provokation" und "Manipulation" und drohte, rechtliche Schritte gegen jene einzuleiten, die diese Fotos weiterverbreitetet haben. Es sollten "diejenigen verfolgt werden, die Fotos von unseren Polizisten verbreitet haben mit der Folge, dass diese in den sozialen Netzwerken angefeindet werden", so Estrosi weiter. Das Burkini-Verbot wird in direktem Zusammenhang mit den jüngsten Terroranschlägen gestellt Nizza hatte das Burkini-Verbot an seinen Stränden nach dem Terroranschlag vom 14. Juli verhängt, bei dem ein Mann mit einem Laster in eine Menschenmenge gerast war. Mit dem Verbot ist die Stadt an der Côte Azur schon längst nicht mehr allein: Sieben Städte und Gemeinden haben inzwischen ebenfalls ein Burkini-Verbot an Stränden ausgesprochen. Die Stadtverwaltung von Cannes stellte die Maßnahme sogar in direkten Zusammenhang mit den jüngsten terroristischen Anschlägen. "Es geht nicht darum, das Tragen religiöser Symbole am Strand zu verbieten, sondern ostentative Kleidung, die auf eine Zugehörigkeit zu terroristischen Bewegungen hinweist, die gegen uns Krieg führen", sagte der Generaldirektor der städtischen Dienste, Thierry Migoule. Seit Beginn des Burkini-Verbots sind bereits gegen mehrere Frauen Strafgelder verhängt worden. Viele von ihnen trugen keinen Burkini, sondern lediglich ein Kopftuch, ebenso wie in dem Fall in Nizza, der nun so viel Aufmerksamkeit bekam. Valls' Äußerungen ähneln eher einem Konservativen als einem Sozialisten Der französische Premierminister Manuel Valls, unterstützt die Bürgermeister der Gemeinden, die ein Burkini-Verbot verhängt haben, trotz allem ausdrücklich. Zwar sprach er sich gegen ein landesweites Verbot der Burkinis aus. Der Sozialist äußert sich dennoch bei diesem Thema eher wie ein Konservativer. Den Burkini bezeichnete Valls als "die Übersetzung eines politischen Projekts, einer Gegengesellschaft, die unter anderem auf der Unterjochung der Frau fußt". Hinter dem Burkini stehe die Idee, dass Frauen "unkeusch und unrein" seien, dass sie sich deswegen völlig bedecken müssten. "Das ist nicht vereinbar mit den Werten Frankreichs und der Republik", so Valls weiter. Der Staatspräsident Frankreichs, François Hollande, hielt sich in der Debatte auffällig zurück. Nicht so jedoch sein Vorgänger Nicolas Sarkozy, der sich 2017 wieder für das Amt bewerben will. "Eine Burkini zu tragen ist ein politischer Akt, eine Provokation", sagte der Republikaner im französischen Fernsehen. Er geht sogar noch weiter und fordert, alle religiösen Zeichen in Schulen, Universitäten, in der Verwaltung und in Unternehmen zu verbieten. Der Sprecher der kommunistischen Partei Frankreichs, Olivier Dartigolles, kritisiert die Äußerungen des Premierministers scharf. Seiner Meinung nach renne Valls dem Front National hinterher."Manuel Valls spielt ein sehr gefährliches Spiel", sagte der Oppositionelle dem Sender France Info. "Er spielt das Spiel der Terroristen, die sich einen Religionskrieg wünschen." Kritik am Premier kommt auch aus der eigenen Partei Innenminister Bernard Cazeneuve schaltete sich als mäßigende Stimme in die Debatte ein. "Die Maßnahmen dürfen nicht zu Stigmatisierungen führen", sagte er nach einem Gespräch mit einem Vertreter muslimischer Gemeinden. Cazeneuve gehört wie Valls den Sozialisten an und ist nicht das einzige Regierungsmitglied, das sich gegen den Premierminister stellt. Bildungsministerin Najat Valaud-Belkacem warnte am Donnerstag in einem Interview mit dem Radiosender Europe 1: "Das ebnet den Weg für rassistische Parolen." Das Burkini-Verbot werfe Fragen der individuellen Freiheiten auf, so Valaud-Belkacem weiter. Valls wehrte sich gegen die Angriffe der Bildungsministerin: "Diese Maßnahmen sind kein Irrweg. Das ist eine schlechte Interpretation der Sachlage. Diese Maßnahmen wurden im Namen der öffentlichen Ordnung ergriffen." Der Französische Staatsrat befasst sich am Donnerstagnachmittag mit dem Burkini-Verbot. Eine Entscheidung des Rates wird noch nicht erwartet.
https://www.sueddeutsche.de/sport/boxen-immer-aufs-auge-1.2883890
mlsum-de-9677
Mit der Präzision einer Nähmaschine: Marco Huck beweist neue Stärke und sichert sich gegen Ola Afolabi den IBO-Titel durch K. o.
Die schlimmsten Treffer, die ein Boxer kassieren kann, sind die, die er spürt, bevor sie gelandet sind. Die schlimmsten Treffer sind also die, die er nicht kommen sieht, weil plötzlich die Faust des Gegners aus dem Sichtfeld verschwunden ist und er dann nur noch warten kann, bis diese verschwundene Faust landet, weil das ja eine der wenigen Gewissheiten im Boxen ist, dass eine Faust, die verschwindet, auf jeden Fall wieder auftauchen wird. Ola Afolabi wusste daher am Samstagabend in 24 langen Minuten immer wieder, dass ihn gleich wieder eine dieser verschwundenen Fäuste treffen wird. Und er wusste in diesen acht langen Runde gegen Marco Huck auch, dass er am Ende seinen WM-Titel nach Version des Verbandes IBO verlieren wird. Huck, bis vergangenen Sommer sechs Jahre lang Weltmeister des Verbandes WBO, erwischte den Titelverteidiger in der zweiten Runde erstmals schwer mit seiner rechten Faust, es war ein Schlag, den Afolabi noch kommen sah. Es war ein Schlag, nach dem das linke Auge des Briten zuschwoll. Es war aber zugleich auch ein Schlag, der die neue Stärke des Marco Huck zeigte, der Afolabi durch einen technischen Knockout besiegte. Der 31-Jährige war lange ein Boxer, dessen Stil eher dem eines Kneipenschlägers glich. Er kämpfte, um seinen Stolz zu wahren, wild, wütend, oft unkontrolliert. Hucks Kämpfe gerieten so oft zu spektakulären Prügeleien, in denen viel los war, ohne dass wirklich etwas passierte. Huck warf seine Fäuste, aber er zielte nicht. Oft verlor er im Ring die Ruhe, um einer Strategie folgen zu können. Am Samstag aber, an dem er nach zuvor zwei Siegen und einem Remis zum vierten Mal auf Afolabi traf, stand da ein veränderter Huck im Ring. Er war beweglich auf den Beinen, gerade in den ersten Runden wich er immer wieder den Schlägen Afolabis aus, indem er flink ein paar Schritte nach hinten machte. Seine Fäuste setzte Huck mit der Präzision einer Nähmaschine ein. Ganz besonders nachdem Afolabis linkes Auge zugeschwollen war. Huck traf dann mit seiner rechten Faust überlegt, er sah eine Lücke, zielte in sie, und Afolabi konnte sich nicht wehren. Er sah Hucks rechte Faust ja kaum noch. Nach der zehnten Runde stoppte der Ringarzt den Kampf; Huck hatte bis dahin bei allen drei Punktrichtern jede einzelne Runde gewonnen. "Ich habe mich von Beginn an komisch gefühlt und hatte regelrecht Angst vor mir selbst, weil es so gut lief", sagte Huck. In seinen nächsten Duell würde der neue IBO-Weltmeister gerne gegen Krzystof Glowacki antreten. Gegen den Polen hatte Huck im August seinen WBO-Titel verloren, in einem Kampf, der seinen Stolz schwer beschädigt hat. Er hatte den Kampf kontrolliert, keine Wunde beschränkte seine Sicht, und dennoch verlor er durch einen Schlag, den er nicht hatte kommen sehen.
https://www.sueddeutsche.de/sport/kommentar-falsche-ecke-1.3010557
mlsum-de-9678
Am Ende verdichtet sich so eine Champions-League-Spielzeit nur noch auf wenige Szenen. Auf Thomas Müllers nach links getretenen fatalen Elfmeter im Halbfinale - auf Reals nach rechts getretene Elfmeter im Endspiel.
Es ist nicht überliefert, was Thomas Müller am Samstagabend kurz vor Mitternacht getan hat. Die Mauern des Hotels "Giardino" in Ascona, wo sich die deutschen Weltmeister derzeit auf die EM vorbereiten, sind aufgrund ihrer kompakten Bauweise für Paparazzi selbst mit Infrarotkameras nicht zu durchdringen, auch von einem Lauschangriff ist nichts bekannt. Offen ist also: Hat Müller auf seinem Sofakissen bereits geruht, als das Elfmeterschießen aus Mailand übertragen wurde? Oder hat er in dieses Sofakissen zornbebend hinein gebissen? Immer tiefer, je monotoner sich das Schussbild der Profis von Real Madrid entwickelte: rechts, rechts, rechts, rechts, rechts. Fünf Versuche, fünf Mal in die rechte Ecke. Wohin, zur Erinnerung, hatte Müller geschossen? Vor zweieinhalb Wochen, als der Ball in der 34. Minute auf dem Punkt lag? Hätte Müller getroffen, wäre es das 2:0 für die Bayern gegen Atlético gewesen, höchstwahrscheinlich der Wegweiser ins Finale nach Mailand. Zurück an jenen Ort, an die Münchner nur allerbeste Elfmeter-Erinnerungen haben. Ist doch das Meazza jene Arena, in der sich im 2001er-Finale Oliver Kahn verewigte, als er im Shootout gleich drei Schützen des FC Valencia mit grimmigen Monsterparaden entnervte. Doch Müller hatte sich jüngst anders entschieden als am Samstag alle Profis von Real. Müller zielte nach links, halbhoch - offenbar ist dies, wie man es heute besser weiß, die Sahne-Seite des Torwarts Jan Oblak. Am Ende verdichtet sich so eine Champions-League-Spielzeit nur noch auf wenige Szenen. Auf Müllers nach links getretenen Elfmeter - auf Reals nach rechts getretene Elfmeter. Offenbar wussten Real-Spione mehr über Oblaks Schwächen, dabei hatte er famos gehalten, als er im Viertelfinale Barcelona bremste und im Halbfinale die Bayern. Der nun aber, in den letzten Bildern der Saison, so irritierend hilflos wirkte wie selten ein Torwart im großen Duell. Mach was! Mach irgendwas!, hatte man ihm zurufen wollen. Es wirkte wie ein Elfmeterschießen auf das leere Tor. Als hätte dieser 23 Jahre junge Slowene einen plötzlichen Hüftschaden, der ihn hinderte, konsequent auf die Ecke links von ihm zu spekulieren. Einmal fiel er gar, aber er fuhr die Arme nicht aus. Dann staunte auch er, wie Cristiano Ronaldo, Reals letzter Rechts-Schütze, sich seines Leibchens entledigte, blitzartig wie es sonst nur Iggy Pop gelingt. Der Godfather of Punk tourt gerade wieder über Europas Bühnen, er ist jetzt 69, doch die Bauchmuskeln sind wie von Cristiano. Apropos Altmeister. Eine Lösung hätte es vielleicht gegeben, hätte sich Atlético an Louis van Gaal orientiert, dem Godfather of Coaching. Der Holländer hatte bei der WM 2014 in Brasilien nicht nur die Welt überrascht, sondern auch seinen Torwart Jasper Cillessen, als er ihn gegen Costa Rica direkt vor dem Elfmeterschießen plötzlich hinaus befahl. Herein kam Tim Krul, ein Spezialist, der wild entschlossen in die Ecken hechtete. Zwei Elfmeter konnte Krul parieren. Godfather Louis machte daraufhin den Iggy: Stagediving in Salvador da Bahia.
https://www.sueddeutsche.de/politik/hooligans-gegen-salafisten-in-hannover-dutzende-protestierende-haben-demo-bereits-verlassen-1.2222408
mlsum-de-9679
Mit einem Großaufgebot will die Polizei Gewaltausbrüche bei der Anti-Islamismus-Demo in Hannover verhindern. Bislang offenbar mit Erfolg. Etwa hundert Hooligans haben die Kundgebung schon verlassen. Es hieß, ihnen sei langweilig.
Auftakt der Hooligan-Demo zunächst friedlich Streng bewacht von der Polizei haben sich in Hannover Hooligans und Rechtsextremisten zu ihrer umstrittenen Anti-Islamismus-Demonstration versammelt. Mehrere Hundert vorwiegend schwarz gekleidete Teilnehmer aus ganz Deutschland reisten bis Samstagmittag zur Kundgebung der Gruppe "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) an. Dem NDR zufolge sollen es derzeit 3000 Teilnehmer sein. Im Vorfeld war mit 5000 gerechnet worden. Dem NDR und der Bild-Zeitung zufolge haben inzwischen etwa 100 Protestierende die Hooligan-Demonstration bereits wieder verlassen. Die Polizei bildete für sie einen eigenen Korridor. Ein Hooligan-Sprecher solle gesagt haben, es sei ihnen zu langweilig, schreibt der NDR in seinem Liveticker. Zuvor hatten sich demnach mehrere hundert Demonstranten an der Absperrung versammelt. Die Polizei sagte ihnen, wer die Demonstration verlasse, könne nicht zurückkehren. Rangeleien zwischen Gegendemonstranten und Polizei Zu kleineren Auseinandersetzungen soll es hingegen zwischen der Polizei und Gegendemonstranten gekommen sein. Diese versuchten nach Augenzeugenberichten, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Die Beamten setzten Pfefferspray ein, um das zu verhindern. Bei Gegenveranstaltungen zur Hooligan-Demo waren am Morgen zu Beginn etwas mehr als 2000 Menschen zusammengekommen, darunter auch Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen. Gewerkschaften, Parteien und Kirchen hatten zum Protest gegen die Anti-Islamismus-Demo aufgerufen. Am Nachmittag zählten die zwei Gegenkundgebungen 2200 beziehungsweise 1600 Teilnehmer. Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) zeigte sich zufrieden: "Das ist ein tolles Signal der Stadtgesellschaft, dass sie gegen Rassismus eintritt", sagte er. Zu allen Veranstaltungen gebe es derzeit noch deutlichen Zulauf auch von auswärts, sagte eine Polizeisprecherin. Großaufgebot der Polizei erwartet Demonstranten Die Polizei rüstet sich mit einem Großaufgebot für die Anti-Islamismus-Demonstration. Am ehemaligen Omnibusbahnhof hinter dem Hauptbahnhof, wo die Kundgebung stattfindet, waren bereits am Morgen Hunderte Polizisten im Einsatz. Wasserwerfer und Räumfahrzeuge standen bereit. Geschäfte in der Nähe waren teils geschlossen, Fenster mit Holzplatten gesichert. Es besteht ein Verbot von Glasflaschen, Pyrotechnik und Alkohol in Zügen und auf Bahnhöfen rund um Hannover. Bahnreisende werden nach Angaben der Bundespolizei stichpunktartig kontrolliert. In Dortmund nahm die Polizei die Personalien von etwa 80 Personen auf, die mit der Bahn zur Demo nach Hannover fahren wollten. In der niedersächsischen Landeshauptstadt wurden zudem Autos und Reisebusse an Zufahrtsstraßen von Beamten aus dem Verkehr gewunken. Gericht kassierte Demonstrationsverbot Die Polizei hatte zuvor versucht, die Demonstration zu verbieten, weil sie Ausschreitungen wie vor einigen Wochen in Köln befürchtet. Das Verwaltungsgericht Hannover kassierte das Demonstrationsverbot, ließ die Veranstaltung jedoch nur unter strengen Auflagen zu. So wurde die Hooligan-Demo nur als stationäre Kundgebung zugelassen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigte darüber hinaus am Freitag weitere von der Polizei verhängte Einschränkungen, darunter ein Auftrittsverbot für die rechtsradikale Band "Kategorie C". In Köln waren bei einer ähnlichen Hooligan-Demo vor drei Wochen bei schweren Krawallen fast 50 Polizisten verletzt worden. Kundgebungen in Wuppertal abgesagt Drei von der Partei "Die Rechte" für Samstag in Wuppertal geplante Kundgebungen wurden am Vormittag vom Anmelder kurzfristig abgesagt, wie die Polizei mitteilte. Auch in Wuppertal hatte sich die Polizei auf einen größeren Einsatz vorbereitet. In der vergangenen Woche war in rechten Internetforen darüber diskutiert worden, bei einem Verbot der Demonstration in Hannover Wuppertal als Ausweichort zu nutzen.
https://www.sueddeutsche.de/politik/atomabkommen-inhalt-oder-verpackung-1.3957281
mlsum-de-9680
Frankreichs Präsident spricht in Washington von einem "neuem Vertrag" mit Iran. Diplomaten glauben, dass Emmanuel Macron sich auf eine vierteilige Zusatzvereinbarung bezogen hat, um US-Präsident Trump nicht direkt zu widersprechen.
Wenn die Absicht war, Verwirrung zu stiften, ist das gelungen. US-Präsident Donald Trump hält Unberechenbarkeit für das Ass seiner Verhandlungstaktik, sei es gegenüber Nordkoreas Diktator Kim Jong-un oder in der Frage, wie es mit dem Atomabkommen mit Iran weitergehen soll. Eigentlich war Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ins Weiße Haus gekommen, um seinen wankelmütigen US-Kollegen davon abzuhalten, am 12. Mai die US-Sanktionen gegen Iran wieder einzusetzen, was einer Kündigung gleichkäme. Die Europäer wollen Verlässlichkeit zeigen. Doch nun redete Macron plötzlich von einem "neuen Vertrag", was in Iran heftige und in Russland verwunderte Reaktionen hervorrief. Ein Vertrag, den sieben Parteien unterzeichnet haben, könne Trump nicht im Gespräch mit einem europäischen Staatschef ändern, wetterte Irans Präsident Hassan Rohani. Und Kreml-Sprecher Dimitrij Peskow sagte in Moskau: "Wir gehen davon aus, dass es keine Alternative gibt" zum bestehenden Abkommen. Man kenne aber Macrons Pläne nicht genau. "Wir wissen nicht, wovon die Rede ist." Trump hatte davon gesprochen, ein neuer, weit umfassender Deal sei denkbar, wenn er auf einem solidem Fundament stehe. Hat sich Macron darauf eingelassen, obwohl die Europäer ebenso wie Iran und die anderen Parteien Neuverhandlungen des Abkommen bisher ausgeschlossen haben? Mit dem Dossier befasste Diplomaten diesseits des Atlantiks waren sich auch nicht restlos sicher, legten aber folgende Interpretation nahe: Macron habe sich auf eine vierteilige Zusatzvereinbarung bezogen, die Berlin, Paris und London gerade mit Washington verhandeln. Damit hätte Macron es vermieden, Trump direkt zu widersprechen und ihm eine Brücke gebaut, die er ohne Gesichtsverlust beschreiten könne. Macron hatte sich zuvor schon hilflos grinsend gefallen lassen, wie Trump ihm, nachdem er die "speziellen Beziehungen" gelobt hatte, mit dem Finger vor laufenden Kameras ein paar Schuppen vom Revers seines Jackets schnippte. Trump habe wie gewohnt das Abkommen mit vernichtender Rhetorik bedacht, orakeln Diplomaten weiter, zugleich aber sich einem "neuen Deal" nicht verschlossen - auch wenn das nach dem Verständnis der Europäer nicht ein modifiziertes Abkommen mit Iran wäre, sondern eine Vereinbarung zwischen beiden Seiten des Atlantiks, wie man das bestehende Abkommen interpretiert und wie man dem Verhalten Irans entgegentreten will, etwa den Raketentests und der aggressiven Regionalpolitik. Wenn Trump das als neuen Deal verkauft - "bitte, damit kann man leben". Das Risiko ist, dass die Europäer vor lauter Zweckoptimismus nicht merken, dass man gründlich aneinander vorbeigeredet hat. Nicht einmal die US-Unterhändler können oder wollen garantieren, dass Trump ihre Vorschläge akzeptiert. Überdies gibt es in einem entscheidenden Punkt keine wirkliche Einigung - und in Washington auch eine neue Dynamik, ausgelöst durch Trumps Sicherheitsberater John Bolton. Trump hat verlangt, die Laufzeit des Abkommens müsse unbegrenzt sein; derzeit erlaubt es Iran, nach 2025 sein ziviles Atomprogramm schrittweise wieder hochzufahren. Ein Verweis auf die Präambel, in der Iran den Verzicht auf Nuklearwaffen bekräftigt, soll nach Ansicht der Europäer als Ewigkeitsgarantie dienen. Doch das, so ätzen Hardliner in Washington, sei eine Idee, die "direkt von den Mullahs" stammen könnte. Um aber die Beschränkungen für die Urananreicherung oder die Menge des in Iran gelagerten Urans auf Dauer festzuschreiben, müsste das Abkommen geändert werden, was wohl dessen Ende wäre. In Washington aber brodelt noch eine ganz andere Debatte: Nach den Massenprotesten zu Jahresbeginn ist Iran nie völlig zur Ruhe gekommen. Geschürt wird die Unzufriedenheit noch weiter durch den rapiden Verfall der Landeswährung Rial. Sie hat jüngst gegenüber dem Dollar mehr als 20 Prozent an Wert verloren, sackte auf ein historisches Tief. Musste man vor einem Jahr 35 000 Rial für den Dollar zahlen, waren es auf dem freien Markt zuletzt mehr als 60 000. Vor zehn Tagen intervenierte die Zentralbank: Sie korrigierte den offiziellen Kurs von 37 000 auf 42 000 Rial und versucht nun, den grauen bis schwarzen Markt unter Kontrolle zu bringen. Manch ein US-Hardliner wittert schon die Chance auf einen Zusammenbruch des Regimes, im Jahr vor dem 40. Jahrestag der Islamischen Revolution. Kaum etwas würde Iran in dieser Situation härter treffen, als die einschneidenden Sanktionen gegen seine Zentralbank wieder in Kraft zu setzen. Bolton hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er einen Regimewechsel in Iran befürwortet, er hofiert sogar die Volksmudschaheddin, eine obskure Gruppe der Exil-Opposition, die Iran als Staatsfeind gilt und sowohl in den USA als auch Europa lange als terroristisch eingestuft war. Wenn Bolton dem Präsidenten aber erklärt, dass ihn Teile seines sicherheitspolitischen Teams gemeinsam mit den Europäern über den Tisch zu ziehen versuchen, könnten alle diplomatischen Noten nicht mehr das Papier wert sein, auf dem sie geschrieben wurden. Für Bolton, der gefürchtet ist dafür, dass er Machtkämpfe im Washingtoner Apparat rücksichtslos ausficht, hätte ein solcher Zug nicht nur den Charme, dass er ihm ideologisch naheliegt, sondern auch, dass er damit Konkurrenten in Trumps engerem Kosmos schwächen könnte, Verteidigungsminister, James Mattis etwa.
https://www.sueddeutsche.de/politik/nahost-konflikt-asselborn-fordert-signal-gegen-den-siedlungsbau-1.2238936
mlsum-de-9681
Einige EU-Staaten wollen mit einer Anerkennung Palästinas Israel unter Druck setzen. Doch ein gemeinsamer Kurs fehlt - nicht zuletzt wegen Deutschlands Widerstand. Luxemburgs Außenminister Asselborn drängt nun auf ein koordiniertes Vorgehen.
Auf diese Frage hat der Botschafter Israels bei der EU, David Walzer, nur gewartet. Er ist Mitgastgeber einer Veranstaltung über das "sich wandelnde Sicherheitsumfeld in der Levante". Es ist viel gesprochen worden über den Islamischen Staat, über den Irak, die Kurden - doch am Ende dreht es sich doch wieder um den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Was er davon halte, wird Walzer gefragt, dass im Europäischen Parlament in dieser Woche über eine Resolution abgestimmt werde, die eine Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit empfehle. Das werde gar nicht passieren, informiert Walzer das überraschte Publikum. Die Nachricht hatte er während der Diskussion per SMS erhalten. "Es waren zu viele dagegen", berichtet Walzer erleichtert. In der Tat wurde eine von den französischen Sozialisten forcierte Abstimmung auf die zweite Dezember-Hälfte verlegt. Es gehe darum, den politischen Gruppen mehr Zeit zu geben, damit sich eine Mehrheit bilde "für die Anerkennung eines palästinensischen Staates, der in Frieden neben einem israelischen Staat existiert", begründete das der französische Sozialist Gilles Pargneaux. Zu den Gruppen, die mehr Zeit benötigen, gehört dabei auch seine eigene. Die deutschen Sozialdemokraten haben bei dem heiklen Thema auf die Bremse getreten. "Wir deutsche Sozialdemokraten wollten die Verlängerung dieser Frist, um im Kern noch einmal diskutieren zu können, welche Auswirkungen das haben könnte", stellte Vize-Fraktionschef Knut Fleckenstein klar. Acht Staaten hatten die Anerkennung schon beschlossen, bevor sie der Union beitraten Rein formal wären die Auswirkungen begrenzt. Das Europäische Parlament ist nicht dazu da, Staaten anzuerkennen. Eine entsprechende Empfehlung der Europaabgeordneten hätte auch keinerlei bindende Wirkung für die Mitgliedstaaten. Wohl aber könnte sie eine Bewegung verstärken, die längst begonnen hat. Schweden hat Ende Oktober Palästina anerkannt. Damit ist es zwar das bereits neunte EU-Land, von dem Palästina anerkannt wird. Die acht anderen Staaten hatten die Anerkennung aber vollzogen, bevor sie der Union beigetreten waren. Die schwedische Entscheidung macht deutlich, wie schwer es der EU fällt, gerade im Nahostkonflikt fällt, eine gemeinsame Außenpolitik zu verfolgen. Mehrere Länder, Großbritannien, Spanien und Irland etwa, haben zumindest mit Empfehlungen der Parlamente nachgezogen. Andere nationalen Parlamente wollen folgen. Die Nationalversammlung in Paris will am 2. Dezember abstimmen. Auch in Dänemark soll es eine Abstimmung geben. In Luxemburg laufen ähnliche Planungen. "Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die israelische Regierung offenkundig weder den Mut noch den Willen hat, die Zwei-Staaten-Lösung voranzubringen", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn der Süddeutschen Zeitung. "Eine Welle der Anerkennungen Palästinas durch EU-Staaten wäre ein starkes an Signal an Israel, die Verhandlungen wieder ernst zu nehmen, den Siedlungsbau zu stoppen und ehrlich auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinzuarbeiten". Die Frage der Anerkennung liege zwar in der nationalen Kompetenz, betonte Asselborn. Er wünsche sich aber, dass die EU "koordiniert vorgeht". Vor allem die Skandinavier sind für eine schärfere Gangart gegenüber Israel Bisher gibt es dafür freilich wenig Anzeichen. Beim EU-Außenministertreffen am 17. November wurde das Thema zwar angeschnitten. In ihrer Schlusserklärung beließen es die Minister dann aber bei Andeutungen: "Die EU erinnert daran, dass die künftige Entwicklung der Beziehungen mit sowohl den israelischen als auch den palästinensischen Partnern auch von deren Engagement für einen dauerhaften Frieden auf Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung abhängt." Eine schärfere Gangart gegenüber Jerusalem wird von vielen in der EU befürwortet und nicht zuletzt von den Skandinaviern vorangetrieben. Deutschland gehört zur kleinen Gruppe, die bislang dagegen hält. Eine Anerkennung Palästinas steht in der großen Koalition in Berlin nicht zur Debatte. Insofern ist das Verhalten der SPD im Europaparlament interessant. Groß ist nach Darstellung Fleckensteins auch dort der Wunsch, "ein Zeichen zu setzen". Andererseits frage man sich, ob das nicht nur eine Trotzreaktion Israels bewirke. "Für uns Deutsche ist das doppelt schwierig, das wird von unseren Freunden anerkannt", sagte Fleckenstein, "aber wir sind Bestandteil dieses Europäischen Parlaments und dieser Fraktion. Wir sind nicht der deutsche Bundestag." Die SPD-Abgeordneten hätten sich noch nicht entschieden, wie sie im Dezember abstimmen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini machte am Mittwoch im Europaparlament klar, dass sie sich und die EU für durchaus zuständig hält in der Frage der Anerkennung. "Technisch ist es nicht meine Sache, politisch aber sehr wohl", sagte Mogherini. Sie hoffe auf "eine Vision, ein gemeinsames Verständnis von der Situation und einen gemeinsamen europäischen Ansatz".
https://www.sueddeutsche.de/sport/frauen-finale-der-french-open-williams-naehert-sich-steffi-graf-1.2508926
mlsum-de-9682
20. Grand-Slam-Titel für Serena Williams: Obwohl die Nummer eins der Tenniswelt nach ihrer Krankheit bisweilen demonstrativ müde über den Platz schlurft, besiegt sie Lucie Safarova und gewinnt die French Open. Damit steht sie kurz hinter dem Rekord von Steffi Graf.
Serena Williams ließ ihrem Zorn freien Lauf. Sie schrie, sie fluchte und stampfte auf den Boden. Sie spielte alle Rollen in ihrem ganz persönlichen Finaldrama der French Open zugleich - und sorgte nach 2:01 Stunden letztlich selbst für ihr Happy End. Mit 6:3, 6:7 (2:7) und 6:2 bezwang sie Außenseiterin Lucie Safarova und gewann zum dritten Mal nach 2002 und 2013 den Coupe Suzanne Lenglen. Beinahe hatte sie den Titel leichtfertig verschenkt. 6:3, 4:1 und 40:15 führte Williams, geschwächt von einer Grippe, im zweiten Satz, servierte drei Doppelfehler und ließ Nebendarstellerin Safarova zurück ins Spiel. "Da bin ich etwas nervös geworden", sagte die Drama-Queen aus den USA. Letztlich ging "ihr Traum" dennoch in Erfüllung, wie Williams bei der Siegerehrung meinte. Mit ihrem 20. Grand-Slam-Titel rückt sie immer näher an Rekordhalterin Steffi Graf (22) heran. Als erste Spielerin seit ihrer Landsfrau Jennifer Capriati vor 14 Jahren schaffte sie das Titel-Double der Australian und French Open. Für Williams scheint in dieser Saison allerdings weit mehr möglich. Es ist unglaublich, was sie gerade erreicht", sagte Steffi Graf der französischen Nachrichtenagentur AFP: "Sie hat das Potenzial, weit mehr zu gewinnen. Es ist eine Freude, ihr dabei zuzugucken." Selbst die 24 Grand-Slam-Titel der Australierin Margaret Court Smith, die zum Teil aus der Zeit vor der Einführung des Profitennis (1968) datieren, sind für Williams keine Utopie. Williams gewann auch das neunte Duell mit der dreimaligen Fed-Cup-Siegerin Safarova und setzte damit den erfolgreichen Schlusspunkt ihrer mühevollen French-Open-Kampagne. Viermal hatte sie im Turnierverlauf den ersten Satz verloren und im Halbfinale gegen die Schweizerin Timea Bacsinszky ein kränkliches Bild abgegeben. Auch gegen Safarova schlurfte Williams zwischen den Ballwechseln im Zeitlupentempo über den Sand, in der Absicht, Kraft für ihre mächtigen Grundschläge zu sparen. Seit der dritten Runde leide sie unter "einer Art Grippe", ließ Williams am Freitag mitteilen, sie habe sich so elend gefühlt wie selten zuvor. Safarova war ohne Satzverlust in ihr erstes Grand-Slam-Finale marschiert, hatte dabei nach Sabine Lisicki auch Titelverteidigerin Maria Scharapowa geschlagen. Die 28 Jahre alte Linkshänderin ist taktisch dazu in der Lage, auch deutlich härter schlagende Gegnerinnen aus der Balance zu bringen, zudem spielte sie in Roland Garros das Turnier ihres Lebens und steht am Sonntag auch im Doppelfinale. Das alles interessierte Williams jedoch ebensowenig wie der Gegenwind der Zuschauer, die sich auf die Seite des Underdogs schlugen. Mit ihren kraftvollen Aufschlägen (bis zu 202 km/h) und Returns hielt sie die Ballwechsel kurz und profitierte zudem von einigen unnötigen Fehlern der nervösen Safarova. Am Sonntag (15.00 Uhr/Eurosport und Liveticker bei SZ.de) hat Novak Djokovic die Chance, es Williams gleichzutun und ebenfalls das Melbourne-Paris-Double perfekt zu machen. Der Branchenführer aus Serbien gewann die Fortsetzung seines Halbfinals gegen den Briten Andy Murray 3:6, 3:6, 7:5, 7:5, 6:1 und trifft nun auf Stan Wawrinka aus der Schweiz.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/gutachten-des-klinikums-oldenburg-pfleger-koennte-zwoelf-weitere-patienten-getoetet-haben-1.2237232
mlsum-de-9683
Wegen dreifachen Mordes ist er bereits angeklagt, ein Gutachten des Klinikums Oldenburg liefert nun Hinweise auf weitere Gewalttaten eines Krankenpflegers. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, aus Langeweile getötet zu haben.
Gutachten in Oldenburg vorgestellt Im Zusammenhang mit einem Mordprozess gegen einen Krankenpfleger hat das Klinikum im niedersächsischen Oldenburg ein Gutachten vorgestellt. Der Mann soll dort möglicherweise zwölf schwer kranke Menschen getötet haben. Bei zwölf Sterbefällen in dem Krankenhaus gebe es Hinweise auf Fremdeinwirkung, sagte ein Gutachter am Dienstag in Oldenburg. In Delmenhorst untersucht eine Sonderkommission derzeit 174 Todesfälle im örtlichen Klinikum, auch dort hatte der Pfleger gearbeitet. Der Vorwurf: Mord aus Langeweile Der 38-Jährige wurde bereits 2008 wegen Mordversuchs zu einer Haftstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt. Im Gefängnis prahlte er nach Zeugenaussagen mit seinen Taten. Bei 50 Toten habe er aufgehört zu zählen. Seit September muss er sich nun vor dem Landgericht Oldenburg wegen dreifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs verantworten. Er soll Patienten ein Medikament gespritzt haben, das tödliche Herz- und Kreislaufprobleme auslösen kann. Die Fälle, für die der Pfleger vor Gericht steht, ereigneten sich allesamt während seiner Zeit am Klinikum Delmenhorst. Der Mann habe aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen gehandelt, hatte die Staatsanwältin zum Prozessauftakt erklärt. Er habe den Tod der auf der Intensivstation liegenden Patienten billigend in Kauf genommen, um dann im Kampf um Leben und Tod seine Fertigkeiten bei der Reanimation unter Beweis stellen zu können. Sein Motiv sei unter anderem Langeweile gewesen. Ermittlungen in mehr als 100 Fällen Inzwischen ermittelt eine Sonderkommission in mehr als 100 Fällen. Ein Sachverständiger prüft alle Todesfälle an dem Krankenhaus in Delmenhorst in der Zeit von März 2003 bis Juni 2005, die in die Dienstzeit des 38-Jährigen fielen. Zuvor war der Krankenpfleger von 1999 bis 2002 am Klinikum Oldenburg angestellt. Ein von der Klinik beauftragter medizinischer Gutachter hat alle Sterbefälle untersucht, die sich während dieser Zeit in dem Haus ereignet hatten. Die Ergebnisse, die nun vorgestellt wurden, zeigen: In zwölf Fällen ist auch hier von Fremdeinwirkung auszugehen. Nachgewiesen sind die Taten dem Mann jedoch noch nicht. Warum die Sterbefälle erst jetzt untersucht wurden Der Oldenburger Klinik-Geschäftsführer Dirk Tenzer sagte, es habe keine erhöhte Sterberate und keinen erhöhten Verbrauch des Herzmedikaments gegeben. Auffälligkeiten seien also nur durch die intensive Untersuchung erkennbar gewesen: "Es war undenkbar, dass jemand aus unseren Reihen solche Taten begehen könnte." "Nirgendwo kann ein Serienmörder so unbehelligt sein Unwesen treiben wie im Krankenhaus oder Pflegeheim. Denn der Tod ist hier allgegenwärtig", sagte Eugen Brysch, Vorstand Deutsche Stiftung Patientenschutz. Oft könne nur das Team den Täter überführen. Bei toten Kindern und alten Menschen müsse es verpflichtende amtsärztliche Leichenschauen geben.
https://www.sueddeutsche.de/stil/bea-szenfeld-blattmacherin-1.3213042
mlsum-de-9684
Die schwedische Künstlerin ist mit ihren Kostümen aus weißem Papier berühmt geworden. Wie ein Alltagsmaterial zum Designtrend wurde.
Wenn Bea Szenfeld von Papier spricht, dann klingt es, als spräche sie von einem guten Freund. "Es hat seinen eigenen Willen", sagt sie. "Wenn man es einmal zerschnitten hat oder gefaltet, oder wenn es nass geworden ist, dann gibt es kein Zurück. Es hat sich für immer verändert. Papier ist sehr menschlich." Nur wenige wissen wohl so genau, was Hände, Scheren und im schlimmsten Fall auch Nässe mit Papier machen können, wie die in Polen geborene Schwedin Bea Szenfeld. Ihre irrsinnig aufwendigen Kostüme aus weißem Papier haben die 43-jährige Künstlerin berühmt gemacht. Ihre Stücke waren in Lady Gagas Musikvideo "G.U.Y." zu sehen, sie hat eine Operninszenierung in Stockholm ausgestattet. Mehr als 200 Millionen Menschen sahen sie im Fernsehen, als bei der Eröffnungsshow des diesjährigen Eurovision Song Contests in Stockholm Models mit ihren weißen Kostümen auftraten. Auf jedes wurden die Flaggenfarben eines Teilnehmerlands projiziert: Auf hundertlagige Papierstummel, die an den Körpern der Trägerinnen und Träger wie Anemonen in der Strömung wippten. Große Blüten, verteilt über den gesamten Oberkörper, Dutzende wuchernde Prismen, die aussahen, als hätte man ein Computerprogramm zur Berechnung von Fraktalen eine Weile unbeaufsichtigt gelassen. Szenfelds Gorilla ist weniger Kostüm als vielmehr ein überproportionales Accessoire. Man trägt ihn wie ein großes Kind auf der Hüfte Und dann war da noch der Gorilla. Der "Affe", wie Bea Szenfeld ihn nennt. Ihr bekanntestes, ihr begehrtestes Stück. Er ist weniger Kostüm als vielmehr ein sehr überproportionales Accessoire. Man trägt ihn wie ein großes Kind auf der Hüfte, der Gorillakopf ragt dann über den eigenen hinaus, die Arme mit den Papierschuppen umschlingen den Hals der Trägerin. King Kong mal andersrum. Seit Bea Szenfeld in einem Interview verraten hat, dass der Gorilla eigentlich eine Handtasche ist - am Hals hat er ein kleines Fach für die Kreditkarte - seitdem bekommt sie immer wieder Anfragen und Bestellungen. "Kann ich ihn etwas kleiner haben", fragen die Leute. "Oder in Schwarz?" Bea Szenfeld sagt immer Ja. Ihre Kostüme mögen aussehen wie Kunstobjekte, aber eigentlich ist sie Modedesignerin, hat an der renommierten Beckmans Design-Hochschule in Stockholm studiert. Vor dem Papier-Erfolg hatte sie ein eigenes Label, entwarf kommerzielle Mode. Sich an Kundenwünschen zu orientieren ist ihr nicht fremd. "Auf Modemessen", sagt sie, "muss man die Einkäufer oft regelrecht anflehen, dass sie einem etwas abkaufen. Jetzt denke ich nicht mal mehr über Verkäuflichkeit nach. Ich mache Sachen, die es so noch nie gegeben hat und die in der Herstellung Monate brauchen. Und plötzlich wollen alle sie haben." Ihre Kostüme gehen an private Sammlungen, an Museen oder einzelne Käufer, die sie als Kunstobjekt in ihre Wohnung stellen möchten. Die Nachfrage zu bedienen ist nicht leicht, denn die gefalteten, geklebten Stücke sind tatsächlich genauso kompliziert anzufertigen, wie es aussieht. Für ihre Durchbruch-Kollektion "Haute Papier" von 2013, deren 15 Kostüme nur aus weißem, natürlich gebleichtem Papier in zwei Stärken gefaltet und geklebt sind, brauchten Szenfeld und ihre zehn Assistenten länger als ein Jahr. Seither sind sie und ihr Team hauptsächlich damit beschäftigt, Ausstellungsstücke für den Versand zu verpacken und die fragilen Löwen, Affen und Blütengewächse zu reparieren, wenn sie - meist beschädigt - zurückkommen. Erst jetzt kann sie anfangen, über eine Folgekollektion nachzudenken. Auch deshalb ist die Modedesignerin Bea Szenfeld mit ihrer Arbeit wohl doch auf dem Kunstmarkt angekommen. Mit dem atemlosen Rhythmus heutiger Kollektionen könnte sie schlicht nicht mithalten. "Sich an Papier zu schneiden tut sehr weh. Aber man kann nicht richtig jammern - weil man sich ja nur an Papier geschnitten hat." Bea Szenfeld ist nicht die Einzige, die das Alltagsmaterial Papier für Kunst und Design neu entdeckt hat. Neben den aufwendig neu entwickelten Hightech-Materialien, die viele zeitgenössische Designer faszinieren, hat es offenbar einen sehr eigenen Reiz zu zeigen, was alles möglich ist mit dem ewig gleichen, meist DIN-normierten Material. Welche große Schönheit in den glatten weißen Blättern steckt, die man sonst nur genervt in die Schublade des Büro-Kopierers steckt, wenn der gerade wieder schrill vor Hunger piepst. Seine Alltäglichkeit kontrastiert mit der jahrtausendealten Tradition des Papiers: indisches Papier, ägyptischer Papyrus, handwerkliche Papiere aus China und Japan - jede Kultur entwickelte ihre eigenen Sorten aus den Rohstoffen, die ihr zur Verfügung standen. Der japanische Modedesigner Issey Miyake experimentiert in seinem Alterswerk mit Kleidern aus gewebtem Papier, das aus einer der letzten übrig gebliebenen Papiermanufakturen in Nordjapan kam. Der kalifornische Künstler Jeff Nishinaka macht elaborierte Papierskulpturen - Stadtpanoramen, Vögel und mannshohe Drachen mit fein ziselierten Schnurrbärten, die Unternehmen wie Starbucks und Lexus für ihre Werbekampagnen nutzen. Alles aus weißem Papier. In Prag fertigt die Designerin Tereza Hradilková unter dem Label "Porigami" erfolgreich kunstvolle Scherenschnitt-Grußkarten, die aussehen wie durchscheinende Architekturmodelle. Die Britin Su Blackwell schneidet aus alten Büchern skulpturale Pop-up-Bücher. Nur: Ist es auch wirklich so ein praktisches Material? Schneidet man sich bei der Arbeit mit Papier nicht zum Beispiel ständig in die Finger? "Ja!" sagt Bea Szenfeld - sie sagt es sehr hoch, sehr gedehnt, sehr leidend. "Daran gewöhnt sich die Haut nie. Sich an Papier zu schneiden ist schrecklich. Es tut sehr weh, aber man kann nicht so richtig jammern - weil man sich ja nur an Papier geschnitten hat. Und wenn man beim Falten plötzlich blutet, hinterlässt das natürlich überall Flecken auf dem Papier." Da sie das Papier aber selten schneide, sondern meist nur falte, passiere das weniger oft, als man denken könnte. Ein Glück, denn gerade arbeitet Szenfeld nicht nur an neuen Entwürfen - vielleicht diesmal aus farbigem Papier. Sie muss auch bald die alte Kollektion, "Haute Papier", aufarbeiten: Ihre aktuelle Ausstellung "Everything you can imagine is real" ist gerade von Stockholm nach Berlin umgezogen. Zur Eröffnung kam Königin Silvia von Schweden. "Vielleicht ist es besser aufzuhören, wenn man gerade ganz oben ist", sagt Bea Szenfeld. "Aber andererseits: Ich bin mit dem Papier noch längst nicht fertig."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/winterwetter-bahn-nimmt-zugverkehr-in-leipzig-und-halle-wieder-auf-1.3910384
mlsum-de-9685
Wegen eingefrorener Weichen und Schneeverwehungen konnten zwischenzeitlich keine Züge die Bahnhöfe anfahren - und viele Besucher der Buchmesse saßen fest.
Winterchaos in Leipzig: Fahrgäste, darunter viele Besucher der Buchmesse, stehen dicht gedrängt an einer Haltestelle der Straßenbahn vor dem Leipziger Hauptbahnhof. Die Situation am Leipziger Hauptbahnhof entspannt sich. Immer mehr Züge können den Knotenpunkt wieder anfahren. Auch in Halle wurde der Betrieb wieder aufgenommen. An beiden Bahnhöfen müssen Reisende aber weiter mit Einschränkungen und Verspätungen rechnen. "Es dauert, bis sich das wieder einfädelt", sagte eine Bahnsprecherin: "Von einem Normalbetrieb sind wir noch weit entfernt." Nach heftigem Schneefall hatte die Deutsche Bahn den Zugverkehr in den Hauptbahnhöfen von Leipzig und Halle komplett eingestellt. In Leipzig waren auch Besucher der Buchmesse betroffen, denn auch der S-Bahn-Verkehr zum Messegelände war massiv beeinträchtigt. Auch andere Teile Deutschlands wurden von dem Wetterumbruch überrascht. Glatte Straßen und Schnee haben in Niedersachsen zu vielen Verkehrsunfällen geführt. Wegen des Winterwetters und teils zu hoher Geschwindigkeit kamen zahlreiche Autos von der Straße ab, wie die Polizei mitteilte. In den meisten Fällen seien die Unfälle allerdings glimpflich ausgegangen. Im Harz kam es nach starkem Schneefall zu mehreren Unfällen. Auf dem 1141 Meter hohen Brocken wuchs die Schneedecke auf 1,30 Meter an, die gefühlte Temperatur lag bei minus 42 Grad Celsius, wie ein Mitarbeiter der dortigen Wetterwarte sagte. In Hamburg musste ein Zug mit etwa 140 Reisenden wegen einer beschädigten Oberleitung kurz vor dem Hauptbahnhof evakuiert werden. Wegen Sturms wurden Fähren von Rostock zum dänischen Gedser sowie nach Hiddensee abgesagt. Die Insel ist nur noch per Hubschrauber erreichbar. Auch an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste fielen zahlreiche Fähren aus. Das 300 Meter lange Kreuzfahrtschiff "Aidaperla" mit 3000 Passagieren an Bord konnte wegen des Sturms den Hamburger Hafen am Morgen nicht anlaufen. In Hamburg berichteten Feuerwehr und Polizei von insgesamt etwa 70 sturmbedingten Einsätzen zwischen Freitagmorgen und Samstagvormittag. Dabei handelte es sich in erster Linie um herabfallende Dachziegel, Bauzäune sowie Bäume und Äste. In der Hamburger Innenstadt fiel am Morgen eine Glaskuppel aus dem siebten Obergeschoss auf ein Auto, verletzt wurde bei dem Vorfall niemand. In Schleswig-Holstein meldeten die Regionalleitstellen weit mehr als hundert wetterbedingte Einsätze zwischen Freitag und Samstag. Auch dort ging es vor allem um abgebrochene Bäume und Äste. Vereinzelt kam es auf glatten Straßen zu Unfällen mit Blechschäden, verletzt wurde dabei niemand.
https://www.sueddeutsche.de/sport/berliner-olympiastadion-leichtathleten-reagieren-gereizt-1.3515340
mlsum-de-9686
Hertha BSC will ein reines Fußballstadion - die Leichtathleten fürchten um die letzte Tartanbahn in einem großen deutschen Stadion.
Es gab nichts mehr, was man noch mit dem Manager und dem Präsidenten von Hertha BSC hätte besprechen können; Michael Preetz und Werner Gegenbauer zogen davon. Es ist ja nicht so, dass sie nicht hin und wieder stehen bleiben. Doch nach dem letzten Spiel der Saison, das Hertha am Samstag 2:6 (0:3) gegen Bayer Leverkusen verloren hatte, war ihnen offenbar danach, so rasch wie möglich in den VIP-Raum des Olympiastadions zu verschwinden. Dabei war es beileibe nicht so, dass es keine Gesprächsthemen gegeben hätte. Die Partie gegen Leverkusen sowieso, aber auch diese so seltsame, unseltsame Saison. Wie im Vorjahr war Hertha famos in die Hinrunde gestartet und hatte in der Rückrunde ebenso famos abgebaut, was dazu führt, dass Hertha nur dann direkt für die Europa-League-Gruppenphase qualifiziert ist, wenn Borussia Dortmund am kommenden Samstag das DFB-Pokal-Finale gegen Eintracht Frankfurt gewinnt. Und Gesprächsstoff hätte erst recht eine infrastrukturelle Debatte geliefert, die am Wochenende eine unerwartete Wendung nahm: die Frage nach der künftigen Heimstatt der Hertha. Beide Denkmodelle bergen gravierende Probleme Am Freitagnachmittag veröffentlichten Hertha und der rot-rote Berliner Senat ein gemeinsames Statement, das sich ein wenig so las, als habe man das Ei des Kolumbus entdeckt. Zur Erinnerung: Hertha hatte Ende März angekündigt, ab 2025 in einer eigenen Fußballarena zu spielen. Entweder man erhalte vom Land Berlin die Erlaubnis, auf dem Olympiagelände - also quasi im Schatten des Olympiastadions - eine 55 000-Zuschauer fassende Arena zu bauen, oder man gehe nach Ludwigsfelde. Beide Denkmodelle bergen für beide Parteien gravierende Probleme. Das Olympiagelände gehört Berlin. Bislang wollte das Land nicht einsehen, warum es einer Arena den Segen geben sollte, die direkt neben dem Olympiastadion (und damit in Konkurrenz zu selbigem) liegen würde. Denn: Auch das Olympiastadion gehört dem Land Berlin, Hertha ist dort der wichtigste Mieter. Für Hertha wiederum stellt ein möglicher Umzug nach Ludwigsfelde ein Imageproblem dar: Zwar liegt Ludwigsfelde nur wenige Kilometer hinter der Stadtgrenze - aber halt in Brandenburg. Was nun das Ei des Kolumbus ist? Eine Studie des Architekturbüros "gmp", das bei vielen gelungenen Bauprojekten, aber auch beim Flughafen-Desaster BER mitgewirkt hat, besagt jetzt, dass ein Umbau des Olympiastadions "tatsächlich möglich" sei, jauchzten Hertha und der Senat. Erste Entwürfe zeigen demnach, dass das Olympiastadion "auch als Fußballarena eine einzigartige spektakuläre Spielstätte" sein könne. Bislang war das ausgeschlossen worden.
https://www.sueddeutsche.de/sport/zweite-fussball-bundesliga-gut-dosiert-1.2996145
mlsum-de-9687
Nürnberg siegt in Paderborn und denkt an die Relegation gegen Eintracht Frankfurt. Torwart Schäfer meldet "keine Probleme mit der Sehne".
Nach dem 1:0-Sieg in Paderborn einigten sich Journalisten, Spieler und Offizielle des 1. FC Nürnberg schnell auf das einzig naheliegenden Thema: die beiden Relegationsspiele gegen Eintracht Frankfurt. Als Dritter der Zweiten Liga muss der Club dabei am kommenden Donnerstag ins Hessische, ehe am Montag das Rückspiel in Nürnberg steigt. Der Club hatte sich schon längst den dritten Platz gesichert; dass man den Tabellenletzten aus Paderborn mit etwas Glück und einem Tor des jungen Cedric Teuchert (86.) noch besiegte, war da naturgemäß eher eine Randnotiz - zumindest aus Sicht der Franken. "Natürlich hat man heute gemerkt, dass wir noch zwei Spiele vor uns haben", sagte deren Angreifer Niclas Füllkrug. "Aber wir haben immerhin gewonnen." Im Gegensatz zu den beiden Teams im Übrigen, die bereits als sichere Aufsteiger feststehen: Sowohl Leipzig als auch Freiburg verloren ihre Spiele in Duisburg und Berlin. Wobei man da mildernde Umstände geltend machen kann. Für die beiden ist die Saison gelaufen, den Nürnbergern steht der Höhepunkt erst noch bevor. Torwart Schäfer meldet "keine Probleme mit der Sehne" Bereits vor dem Spiel galt es deshalb, die Aufstellung so zu wählen, dass am Donnerstag die bestmögliche Aufstellung im bestmöglichen Fitnesszustand auflaufen kann. Gleichzeitig wollte man Vorwürfe der Wettbewerbsverzerrung im Abstiegskampf vermeiden. Die wären aufgekommen, wenn der Club im Energiesparmodus den Paderbornern doch noch den siebten Saisonsieg beschert hätte. "Der Spagat war nicht so einfach", gab Trainer René Weiler nach dem Spiel zu. Mit Torjäger Guido Burgstaller war er beispielsweise übereingekommen, dass ihm "eine Pause mal guttut", wie der Österreicher, der im zweiten Durchgang noch eingewechselt wurde, bekannte. Auch Zoltan Stieber und Georg Margreitter wurden geschont, Hanno Behrens fehlte gelbgesperrt, Sebastian Kerk angeschlagen. Alle anderen Spieler zählen zur Bestbesetzung. Das gilt vor allem für den mittlerweile 37-jährigen Torhüter Raphael Schäfer, der eigentlich ja bereits aussortiert worden war, ehe sich dann doch im Laufe der Saison sehr deutlich herauskristallisierte, dass weder Patrick Rakovsky noch Thorsten Kirschbaum in der Lage sind, eine stabile Nummer eins abzugeben. Rechtzeitig zu den Relegationsspielen ist Schäfer nun wieder fit, die Achillessehne hielt auch gegen Paderborn, beim ersten Einsatz seit dem 25. Spieltag. "Keine Probleme mit der Sehne", versicherte Schäfer dann auch nach 90 Minuten, in denen er einige Male mithalf dafür zu sorgen, dass die Paderborner aus ihren fast schon grotesk vielen Chancen nicht einen einzigen Treffer machen konnten. Nur ein paar altersspezifische Zipperlein habe er gespürt: "Gegen Ende ließ die Kraft nach, da wurden meine Abschläge immer kürzer." Auf die beiden Spiele gegen Eintracht Frankfurt freue er sich bereits, so Schäfer, der den "Spagat" zwischen vorlauten Tönen und gesundem Selbstvertrauen ebenso gut hinbekam, wie sein Coach die Aufstellung austariert hatte. Natürlich sei der Erstligist immer ein wenig favorisiert, sagte er artig, ehe er dann doch noch mal ein wenig trommelte: "Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, dass der Druck für den Erstligisten immer viel höher ist". 2009 habe man ohne große Nervenanspannung den favorisierten Erstligisten Cottbus geschlagen, ein Jahr später gegen Augsburg habe sich das ganz anders angefühlt. "Das war mit viel mehr Druck verbunden." Im Übrigen hatte man in Paderborn den Eindruck, dass der Ausgang der Samstags-Partie zwischen Bremen und Frankfurt dem Club nicht ungelegen kommt. Sportdirektor Andreas Bornemann und Weiler waren am Samstag vor Ort gewesen und kamen offenbar mächtig beeindruckt aus dem Weserstadion zurück. Sowohl die Lautstärke als auch der hanseatische Grundoptimismus der vergangenen zwei Wochen wird in Nürnberg als echter Standortvorteil gewertet. In Frankfurt wird es derweil hitzig zugehen, beide Fanszenen sind sich seit Jahrzehnten spinnefeind. Coach René Weiler dürfte das nur am Rande interessieren. Ihn interessierte mehr, wie man gegen die unter Niko Kovac verflucht defensiv agierenden Frankfurter ein Tor schießen soll: "Wir werden in Frankfurt nur wenige Chancen bekommen. Es wäre gut, wenn wir die nutzen." In Paderborn hatten die gut dosierten Nürnberger ja schon eine hundertprozentige Chancenverwertung.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/aethiopien-ins-rutschen-geraten-1.3416092
mlsum-de-9688
Dutzende Menschen werden auf einer Müllhalde nahe Addis Abeba von einer Lawine aus Unrat verschüttet und sterben.
Eigentlich hätte es die Katastrophe gar nicht geben dürfen. Vor längerer Zeit sollten die Laster der Stadt aufgehört haben, nach Koshe zu kommen, der größten Müllkippe von Addis Abeba, so erzählen es einige Anwohner. Zu klein war die Anlage mit etwa 50 Hektar geworden, zu groß die Stadt neben ihr, die sich seit Jahren um den Müll herum ausbreitete. Also hatte die Stadtverwaltung beschlossen, Koshe zu schließen. Doch weil die Bauern in der Umgebung von der neuen Müllkippe nicht eben begeistert waren und die Laster mit dem Müll blockierten, fuhren die seit einigen Wochen offenbar wieder an den alten Platz und schichteten den Müll dort zu einem riesigen Haufen, der am Sonntagmorgen ins Rutschen geriet. Mindestens 46 Menschen wurden nach Behördenangaben unter dem Müll begraben und starben, meist Frauen und Kinder. Manche lebten auf der Kippe mit und vom Weggeworfenen, durchsuchten die Reste der immer größer werdenden Stadt. Manche lebten aber auch einfach dort, weil sie sich die Mieten in Addis Abeba nicht mehr leisten konnten. In Koshe nämlich ließ sich mit nur wenig Geld und etwas Geschick eine kleine Unterkunft bauen - über sie rollte die Mülllawine nun hinweg. Einige Opfer konnten lebend geborgen werden, sagte Diriba Kuma, der Bürgermeister von Addis Abeba. Die überlebenden Bewohner der Müllkippe sollen jetzt umgesiedelt werden. Eigentlich sollten die Müllberge von Koshe sogar bald kleiner werden. Seit dem Jahr 2013 wird an einer riesigen Anlage gebaut, die den Müll in Energie verwandeln und 50 Megawatt produzieren soll, ein Drittel des Stromverbrauches der Hauptstadt mit vier Millionen Einwohnern. Bereits fertig ist die neue Müllverwertung: In der Nähe von Addis hat eine französische Firma eine neue Müllkippe angelegt, umzäunt, mit asphaltierten Straßen, Waagen und modernen Recycling-Anlagen ausgestattet.
https://www.sueddeutsche.de/sport/1-fc-koeln-in-der-bundesliga-das-ist-brutal-1.3708636
mlsum-de-9689
Der 1. FC Köln muss weiter leiden: Erst wird dem Tabellenletzten nach minutenlanger Unterbrechung per Videobeweis ein Elfmeter aberkannt. Dann schießt Stuttgart in der Nachspielzeit das 2:1.
Es dauerte einfach viel zu lange. Schiedsrichter Benjamin Cortus lauschte angestrengt der Stimme des Videoschiedsrichters in seinem Ohr, schickte abwechselnd die Stuttgarter und Kölner Spieler fort, die ihn bedrängten. Die Nachspielzeit war angebrochen, die Zuschauer lärmten, die Spieler wurden ungehalten, und Cortus versuchte irgendwie, die Ruhe zu bewahren. Der junge Referee hatte kurz vor Schluss der Freitagabendpartie, beim Stand von 1:1, auf Elfmeter für Köln entschieden, nach einem vermeintlichen Foul von Stuttgarts Dennis Aogo an Sehrou Guirassy - und war sich anschließend nicht mehr sicher. Die Stuttgarter protestierten heftig, Cortus befragte den Videoassistenten. Und auch im Kölner Studio herrschte Uneinigkeit darüber, was nun zu tun sei. Eine Minute verging, zwei Minuten, in denen Cortus keine klare Entscheidung mitgeteilt wurde. Also machte er sich auf den Weg zur Seitenlinie, in die Review Area, um sich die Situation auf dem Bildschirm selbst noch einmal anzusehen. Er sah richtigerweise, dass es sich vielleicht doch eher um ein Foul von Guirassy gehandelt hatte - und entschied nach quälend langen drei Minuten und 43 Sekunden gegen Köln: auf Schiedsrichterball. Die Kölner waren fassungslos. Es kommt noch schlimmer für Köln Es kam noch schlimmer für den Tabellenletzten. Gerade noch sah sich Köln zum vielleicht entscheidenden Elfmeter antreten; es wäre die Chance zum Siegtreffer gewesen, ehe der Schiedsrichter seine Meinung revidierte. Nun kassierten sie sogar noch ein Gegentor. Durch den abgefälschten Schuss von Chadrac Akolo (90.+4) verlor Köln auch dieses Spiel mit 1:2 (0:1) und bleibt siegloses Schlusslicht, mit der historisch schlechtesten Bilanz einer Bundesligamannschaft nach acht Spieltagen überhaupt (ein Punkt, 3:17 Tore). "Das ist brutal", versuchte Stuttgarts Holger Badstuber, seinen Gegnern im Gespräch mit Eurosport Trost zu spenden: "Die Kölner können einem echt leid tun, die erwischt es dieses Jahr bitterböse." Es interessierte kaum noch einen, dass der FC in Stuttgart ganz anders aufgetreten war als ein handelsüblicher Tabellenletzter. Die Kölner hatten sich anfangs sehr viele gute Gelegenheiten erspielt, hätten längst in Führung liegen müssen, als der starke Anastasios Donis im Fallen zum 1:0 für Stuttgart traf (38.). Auch in der zweiten Hälfte hatte Köln bravourös gekämpft, war durch einen ungewöhnlich formschönen Schuss von Verteidiger Dominique Heintz (77.) sogar zum Ausgleich gekommen - ehe sich in der Nachspielzeit die Ereignisse überschlugen. Manager Jörg Schmadtke fühlte sich betrogen, weil die Videoassistenten im fernen Studio überhaupt eingegriffen hatten. "Es gibt einen Kontakt, und der Schiedsrichter hat eine Entscheidung getroffen. Das ist keine klare Fehlentscheidung. Dann frage ich mich, warum die sich in Köln einmischen?", so Schmadtke. Der Elfmeterpfiff hätte seiner Meinung nach nicht angetastet werden dürfen. Doch Schmadtke, der in dieser Saison schon häufiger mit dem Videobeweis hadern musste, schaltete schnell auf Sarkasmus: "Ich werde die nächsten drei Tage von allen möglichen Experten erklärt bekommen, weshalb das kein Elfmeter ist." Dann sei "alles wieder gut".
https://www.sueddeutsche.de/sport/leipzig-gegen-bayern-irre-wendung-in-der-nachspielzeit-1.3504168
mlsum-de-9690
Arjen Robben schießt den FC Bayern zum spektakulären 5:4-Sieg in Leipzig. Dabei sind die Münchner zunächst hoffnungslos unterlegen.
Der Kurzurlaub am Ballermann war von höchster Stelle genehmigt. Doch dass die Spieler von RB Leipzig künftig häufiger vor den Spielen einen Abstecher auf die Baleareninsel Mallorca unternehmen dürfen, um im Mittelmeer Land und Leute erkunden zu dürfen, ist in den kühnen und ambitionierten Plänen des Emporkömmlings nicht vorgesehen. Das hat Oliver Mintzlaff während der Pause am Samstagnachmittag noch mal klargestellt. Bei einer 2:1-Führung. Ob der Leipziger Geschäftsführer da schon ahnte, dass er einem denkwürdigen Fußballnachmittag beiwohnen würde? Seine Mannschaft verspielte gegen den deutschen Meister nicht nur eine 4:2-Führung, sondern mussten am Ende sogar noch als trauriger Verlierer den Rasen verlassen. Den Münchnern gelang tatsächlich noch die irre Wende in einem archaisch mitreißenden Bundesligaspiel, sie siegten am Ende mit 5:4 (1:2). Der Siegtreffer durch Arjen Robben fiel erst in der fünften Minute der Nachspielzeit, genauso wie der Ausgleich wenige Sekunden zuvor von David Alaba mit einem wundervollen Freistoß. "So sieht ein Spiel aus, wenn es keine Balance zwischen Abwehr und Angriff gibt", sagte Bayern-Kapitän Philipp Lahm: "Bei uns hat es lange so ausgesehen, als wären wir schon in der Sommerpause." In der Tat schien es zunächst so zu sein, als ob die Leipziger die außergewöhnliche Form der Vorbereitung in eine außergewöhnliche Leistung transportieren könnten. Schon nach 65 Sekunden führten sie durch einen Kopfballtreffer von Marcel Sabitzer, der einer der Mallorca-Reisenden war. In den ersten Minuten waren die Bayern so hoffnungsvoll unterlegen, als hätten sie ihre B-Junioren nach Leipzig geschickt. Doch es standen ihre zurzeit besten und fittesten Kicker auf dem Rasen. Also auch die beiden Weltmeister Philipp Lahm und Xabi Alonso, die zum vorletzten Mal die Trikots als Berufsfußballer überzogen. Die beiden kommen gemeinsam auf mehr Champions-League-Spiele als die Leipziger auf Erstliga-Spiele. Deshalb hatte Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick im SZ-Interview das eigentlich sportlich bedeutungslose Spiel zum Schaulaufen ausgerufen. Er erinnerte an den surreal anmutenden Aufschwung der Leipziger, die sich vor viereinhalb Jahren noch als Regionalligist zum Testspiel gegen den Grün-Weiß Piesteritz trafen. Und nun also als Tabellenzweiter ein Spiel gegen die Bayern, das "irgendwie auch schon ein Champions-League-Test ist", wie Rangnick hervorhob. Dort, wo die Leipziger in der nächsten Saison mitspielen dürfen und Weltauswahlen wie Real Madrid oder den FC Barcelona treffen können. Und so wie die Partie gegen den FC Bayern offenbarte, werden sie dort nicht nur als Touristen auftreten.
https://www.sueddeutsche.de/reise/nachhaltige-kreuzfahrten-kleine-fische-1.3787102
mlsum-de-9691
Regionale Lebensmittel auf Kreuzfahrtschiffen? Das bietet ein kleiner, auf Nachhaltigkeit bedachter Reiseveranstalter in Island an.
Die Ocean Diamond (im Hintergrund) kauft auf ihren Touren (hier vor Grönland) lokal ein – Fisch, Rentier, auch mal Fleisch vom Moschusochsen. Ein guter Deal für alle. Nachhaltigkeit hat nicht nur mit Tieren und Natur zu tun, sondern auch mit Menschen. Dieser sozialen Verantwortung versucht der isländische Reiseveranstalter Iceland Pro Travel nachzukommen, indem er die lokale Bevölkerung einbezieht. Auf der Ocean Diamond, einem Expeditionsschiff für bis zu 200 Passagiere, arbeitet deshalb ein einheimisches Expeditionsteam. Lammfleisch und Fisch kommen bei den Islandumrundungen aus Island; keine Selbstverständlichkeit, da die meisten Kreuzfahrtschiffe sich die Lebensmittel in Containern aus Hamburg oder anderen Großhäfen bringen lassen. Iceland Pro Travel kooperiert mit einer Fischfabrik im Dorf Flateyri, die von der Schließung bedroht war. Das hätte die Fischer und die Arbeiter in der Fabrik den Job gekostet - und wohl vier ohnehin von Abwanderung gebeutelte Orte in den Westfjorden zum Sterben verurteilt. Iceland Pro Travel ist daher eine Kooperation mit einem deutschen Veranstalter für Anglerreisen eingegangen. Zunächst wurden die beiden Dörfer Súðavik und Tálknafjörður gefördert, später kamen zwei weitere hinzu, die vom Rückgang der Hochseefischerei betroffen waren. Von einheimischen Handwerkern ließ man 22 Boote und 14 Ferienhäuser bauen. Nun kommen mehr als 800 Angler pro Jahr in die Westfjorde. Sie holen bis zu 180 Kilogramm schweren Kabeljau und anderen Fisch aus dem Wasser und liefern an die Fischfabrik, die wiederum die Ocean Diamond beliefert. Je nach Saison arbeiten in der Fabrik zehn bis 15 Isländer, dazu kommen die Angelguides sowie die Reinigungskräfte für die Häuser. Wenn die Ocean Diamond nicht vor Island, sondern vor Grönland unterwegs ist, kauft die Reederei auch dort lokal - Fisch, Rentier, auch mal Fleisch vom Moschusochsen. Ein guter Deal für alle.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/israel-ein-prinz-will-verstehen-1.4030585
mlsum-de-9692
William, Nummer zwei der britischen Thronfolge, besucht Israel. Schon vorher war es zu Verstimmungen auf israelischer Seite gekommen.
Seit der Staatsgründung Israels vor 70 Jahren galt der Grundsatz: Kein Mitglied der britischen Königsfamilie besucht offiziell Israel, solange es keine signifikanten Fortschritte beim Friedensprozess mit den Palästinensern gibt. Dieser Bann wird nun durch den dreitägigen Aufenthalt von Prinz William aufgehoben, sodass diese Visite in Israel als "historisch" gefeiert wird. Allerdings war es im Vorfeld bereits zu Verstimmungen auf israelischer Seite gekommen. Im Reiseprogramm des 36-jährigen Herzogs von Cambridge wird Jerusalem als Teil der "besetzten palästinensischen Autonomiegebiete" bezeichnet. Die Israelis aber erklärten Jerusalem per Gesetz zur "untrennbaren Hauptstadt Israels", der Ostteil wird von Palästinensern als Hauptstadt ihres erst zu gründenden Staates beansprucht. Trotz Protesten auch von israelischen Ministern blieb die Bezeichnung im Reiseprogramm. Israels Präsident Reuven Rivlin bat den Prinzen, er möge bei seinem Besuch in Ramallah an diesem Mittwoch "eine Botschaft des Friedens" an den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas überbringen. Es sei Zeit, die ersten Schritte in Richtung einer Verständigung zu unternehmen, erklärte Rivlin. Der Gast aus Großbritannien ging darauf nicht ein, sondern sagte, er hoffe in den nächsten Tagen auf die Gelegenheit, "möglichst viele Israelis zu treffen und wolle Geschichte und Kultur des Landes verstehen". Am Abend spannte er bei einem Empfang in der Residenz des britischen Botschafters den Bogen weiter und sprach davon, dass "die Region eine komplizierte und tragische Geschichte" habe. "Noch nie wurden Hoffnung und Versöhnung so dringend gebraucht." Die Briten schafften es in ihrer Mandatszeit nicht, einen Palästinenserstaat zu gründen Die Sichtweisen auf historische Ereignisse sind durchaus unterschiedlich, sodass sich die Nummer zwei in der Thronfolge mit dem Besuch auf ein heikles Pflaster begibt. 1917 hatte der britische Außenminister Arthur Balfour in einem Schreiben an den Zionisten Lionel Walter Rothschild zugesichert, eine "nationale Heimstätte für Juden" in Palästina zu unterstützen - was mit der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 Realität wurde. Er fügte jedoch hinzu, dass "nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nicht-jüdischen Gemeinschaften in Palästina in Frage stellen könnte". An diesen Teil der Balfour-Erklärung erinnerte der palästinensische Präsident Abbas vor Kurzem und forderte die Errichtung eines Palästinenserstaats - was die Briten in ihrer Mandatszeit nicht geschafft hatten. Im Jahre 1922 hatte der Völkerbund dem Vereinigten Königreich das Mandat über Palästina und das heutige Jordanien übertragen. 1937 schlug eine Kommission eine Aufteilung Palästinas in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor, was aber nicht umgesetzt wurde. Am 22. Juli 1946 verübte die vom späteren Premierminister Menachem Begin geleitete jüdische Untergrundorganisation Irgun einen Bombenanschlag auf die im Hotel King David untergebrachte britische Mandatsmacht. In diesem Jerusalemer Hotel weilte nun auch William während seines Besuchs. Zum Auftakt stand das Holocaust-Museum Yad Vashem auf dem Programm - mit familiären Bezügen. Dort wird Prinz Williams Urgroßmutter Alice of Battenberg geehrt, weil sie während der Nazizeit drei Juden in Athen versteckt hatte. Sie ist, ihrem Wunsch gemäß, am Jerusalemer Ölberg bestattet. Sein Großvater Philip und Vater Charles haben ihr Grab 1994 und 2006 besucht, ihre Visite war allerdings als privat tituliert. Prinz Charles nutzte die Gelegenheit, als er an den Trauerfeiern für den israelischen Präsidenten Shimon Peres teilnahm.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/fintech-besorgte-revoluzzer-1.3060928
mlsum-de-9693
Londons Technologiefirmen mischen den Bankenmarkt kräftig auf. Nun erwägen Gründer umzuziehen - auch nach Berlin.
Tock, tock, tock. Zwei junge Männer spielen Tischtennis; die Platte steht mitten im Raum. Eine junge Frau balanciert auf einem Barhocker, ihr Laptop auf dem erhöhten Tisch, und erklärt etwas in osteuropäisch eingefärbtem Englisch. An einem Tisch in der Ecke sitzt ein Mann mit kurzer Hose und Flipflops, vor sich eine Tasse Tee mit sehr viel Milch, und weist nacheinander auf seine Angestellten: "Aus der Slowakei. Aus Polen. Aus den Niederlanden", sagt Michael Kent, Gründer und Chef der Londoner Internetfirma Azimo. "Wenn es nach dem Brexit Einschränkungen gibt, Arbeitnehmer aus der EU zu beschäftigen, verlassen wir Großbritannien." Azimo hat 90 Mitarbeiter, 40 in der Londoner Zentrale, 50 im polnischen Krakau. Das Unternehmen macht seit 2012 Banken bei Überweisungen ins Ausland Konkurrenz. Kunden können über Azimos Webseite oder Handyprogramm einfach und billig Geld ins Ausland schicken - aus 22 europäischen Ländern in 190 Staaten. Deutschland ist der zweitwichtigste Markt. Kents Unternehmen gehört zu den boomenden Fintechs: So werden junge Technologiefirmen genannt, die übers Internet Geldgeschäfte anbieten, bequemer und oft günstiger als Banken. Während die Geldinstitute Filialen dichtmachen und Stellen streichen, wächst die Fintech-Szene rasant; Investoren pumpen Milliarden in die Zukunftsbranche. London ist Europas Fintech-Hauptstadt, und die britische Regierung hat das Ziel ausgegeben, die Metropole zur Nummer eins der Welt zu machen, noch vor dem Silicon Valley. Doch der Sieg des Brexit-Lagers im Referendum bedroht die hehren Pläne - und ist eine Chance für Frankfurt und Berlin. Denn genau wie Londons Banken und Versicherer profitieren die Fintech-Firmen von EU-Regeln. Sie dürfen in allen Mitgliedsstaaten tätig sein, ohne dass sie bei jeder nationalen Finanzaufsicht eine Lizenz beantragen müssen. Die Genehmigung der britischen Kontrollbehörde, der Financial Conduct Authority (FCA), reicht. Fachleute sprechen davon, dass die Unternehmen einen "EU-Pass" haben. Nach dem Austritt könnte dieses Privileg wegfallen, je nach Ergebnis der Verhandlungen mit Brüssel. In dem Fall müssten die Londoner Finanzfirmen eine Genehmigung in einem EU-Staat einholen - und dorthin Abteilungen oder gar die Europazentrale verlagern. Das wäre es dann gewesen mit Londons Ambitionen auf die Fintech-Weltherrschaft. Detailansicht öffnen Blick auf die Hochhäuser des Londoner Finanzviertels Canary Wharf: Die Gründer junger Internetfirmen befürchten Nachteile nach einem Austritt aus der EU. (Foto: Odd Andersen/AFP) Azimo ist gewappnet: "Natürlich haben wir einen Notfallplan. Wir sind schließlich nicht die britische Regierung", sagt Kent. Die habe sich ja offenbar gar nicht auf einen Sieg der Brexit-Fans vorbereitet. Verlieren britische Finanzdienstleister ihren EU-Pass, werde Azimo vermutlich weiter in London bleiben und weiter von der FCA überwacht werden, sagt er. Zusätzlich werde das Unternehmen aber in einem EU-Staat eine Lizenz beantragen, die dann für die ganze Union gilt. An diesem Standort wird Azimo auch Jobs schaffen. "Ob wir deswegen Stellen von London verlagern müssen oder einfach nur den Schwerpunkt bei Neueinstellungen auf den anderen Standort legen, ist offen", sagt der Manager. "Zum Glück wachsen wir rasant." Bisher hätten ihn keine Wirtschaftsförderer europäischer Städte auf Umzugspläne angesprochen. "Das ist allerdings nur eine Frage der Zeit", sagt er. Es sei klar, dass Dublin, Frankfurt oder Berlin den Fintech-Sektor stärken wollten. Müsste er zwischen Berlin und Frankfurt wählen, würde er sich für Berlin entscheiden, sagt Kent. Da sei die Internet-Gründerszene größer. Kent sagt, bislang sei London "der beste Platz auf der Welt für Fintech-Gründer". In der Finanzmetropole gebe es talentierte Arbeitskräfte von allen Kontinenten und große Investoren aus Europa, Asien und den USA, die Geld in Start-ups stecken. Außerdem biete die Stadt Zugang zum Riesenmarkt der EU. "Doch ein Austritt bedroht alle drei Vorzüge", sagt der 41-Jährige. Die Unsicherheit nach dem Referendum schrecke Investoren ab. Außerdem versprach die Brexit-Kampagne den Wählern, Einwanderung zu erschweren. Detailansicht öffnen Insgesamt beschäftigen Fintech-Firmen 61 000 Menschen in Großbritannien, das sind fünf Prozent aller Angestellten der britischen Finanzbranche. Lediglich in Kalifornien, im Silicon Valley, hat der Fintech-Sektor noch mehr Mitarbeiter, heißt es in einer Studie der Berater von EY. Die allermeisten der britischen Technologiefirmen sitzen in London. Die Stadt ist nicht nur Europas größter Finanzplatz, sondern auch Heimat vieler Internet-Start-ups. Deswegen können Fintech-Gründer dort Mitarbeiter, Anwälte und Berater finden, die sich mit beiden Welten auskennen, der des Geldes und der des Netzes. Viele Fintechs entwickeln zudem Produkte für und nicht gegen die Banken. Sie wollen den Geldinstituten nicht wie Azimo Kunden abjagen, sondern ihnen Software verkaufen. In London sind die wichtigsten Finanzkonzerne des Planeten höchstens ein paar U-Bahn-Stationen entfernt - praktisch für die Akquise. Außerdem gelten die Finanzaufseher von der FCA als sehr gründerfreundlich. "Wenn ich eine Frage habe, kann ich bei der FCA anrufen und bekomme eine Antwort", sagt Kent. In anderen Ländern müssten Manager Briefe schreiben und Monate auf eine Reaktion warten. Daniel Klein ist ebenfalls voll des Lobes für die Kontrolleure: "Ich bin 2002 extra nach London gezogen, um hier mein Start-up aufzubauen", sagt der Deutsche. Die Aufseher in Frankfurt seien zu konservativ gewesen, die Briten seien viel offener. Kleins Firma hieß Skrill, sie bietet Überweisungen über das Internet an. Später verkaufte er Skrill und gründete zusammen mit drei Bekannten Sum-up, wieder mit Sitz in London. Sum-up hat inzwischen 300 Beschäftigte und Büros in Berlin, Amsterdam, Warschau und São Paulo. Dank Sum-ups Technik können kleine Geschäfte Kartenzahlungen akzeptieren, ohne ein teures Terminal kaufen zu müssen. Auch Sum-up nutzt den EU-Pass für Finanzdienstleister. Wie Azimo-Chef Kent denkt Klein über eine Lizenz in einem EU-Staat nach. "Aber bisher ist mir nicht klar, wo", sagt er. In Deutschland eher nicht - seine Skepsis gegenüber der Frankfurter Aufsicht Bafin hat sich nicht gelegt: "Die Behörden in skandinavischen Ländern oder in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg sind fortschrittlicher." Klein sagt, viele in der Londoner Fintech-Gemeinde machten sich gerade Sorgen. "Es herrscht große Unsicherheit, und die wird anhalten, weil die Gespräche der Regierung mit der EU ewig dauern werden." Für Deutschland sei das "eine einmalige Chance", junge Unternehmen abzuwerben. Doch dafür müsste die Bafin auf die Technologiefirmen zugehen. Der 38-Jährige ist pessimistisch: "Deutschland wird diese Chance verpassen, befürchte ich."
https://www.sueddeutsche.de/panorama/frauenrechte-saudi-arabien-will-frauen-das-autofahren-erlauben-1.3685210
mlsum-de-9694
Das ultrakonservative Königreich war weltweit das einzige Land, in dem Frauen Autos nicht selbst steuern durften. Zuletzt gab es aber einige behutsame Lockerungen.
Das für Frauen geltende Fahrverbot im streng konservativen Saudi-Arabien soll aufgehoben werden. König Salman habe die Regierung angewiesen, Regularien zu erarbeiten, nach denen auch Frauen eine Fahrerlaubnis erteilt werden soll, hieß es in einer Mitteilung der staatlichen saudischen Presseagentur SPA. Zunächst solle ein Komitee verschiedener Ministerien entsprechende Möglichkeiten prüfen. Spätestens im Juni 2018 sollen die neuen Regularien umgesetzt werden. Menschenrechtsaktivisten hatten seit mehr als drei Jahrzehnten gegen das Fahrverbot für Frauen in dem streng konservativen Land gekämpft. In der Vergangenheit waren häufiger Frauen vorübergehend festgenommen worden, wenn sie von der Polizei am Steuer erwischt worden waren. Bislang mussten sich Frauen von männlichen Verwandten zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren lassen. Wohlhabendere Frauen konnten sich Fahrer leisten. In jüngster Zeit wurden zunehmend auch Fahrdienste wie Uber genutzt. Der konservative islamische Klerus hatte sich beharrlich gegen jede Lockerung des Fahrverbots für Frauen ausgesprochen. Ein hochrangiges Komitee verschiedener Ministerien soll jetzt die Neuerung prüfen. Dabei gehe es auch um die negativen Auswirkungen, die es mit sich bringe, Frauen nicht fahren zu lassen, hieß es in der Mitteilung der SPA. Auch die positiven Aspekte, die diese Entwicklung mit sich bringe, seien berücksichtigt worden. Der Staat als Hüter der Werte werde weiter die Sicherheit der Gesellschaft garantieren. Frauen wurde erstmals Zutritt zu einem Sportstadion gewährt Saudi-Arabien vertritt eine strenge Ausrichtung des Islam. Dort unterliegen Frauen zahlreichen Beschränkungen, zuletzt gab es aber einige behutsame Lockerungen. Erst am vergangenen Wochenende war Frauen erstmals Zutritt zu einem Sportstadion gewährt worden, wo sie in Begleitung ihrer Familien die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag verfolgen konnten. Im Juli erlaubte das Bildungsministerium die Teilnahme von Mädchen am Sportunterricht staatlicher Schulen. Die Fahrerlaubnis für Frauen ist einer der einschneidensten Schritte der Regierung in ihrem Versuch, die saudische Gesellschaft zu liberalisieren und geht mit einer ehrgeizigen ökonomischen Modernisierung einher, die die Abhängigkeit des Königreichs vom Öl reduzieren soll.
https://www.sueddeutsche.de/sport/nuernberg-trainer-vor-dem-absprung-1.3037405
mlsum-de-9695
Fußball-Trainer René Weiler, derzeit in Nürnberg tätig, bekommt wohl ein lukratives Angebot vom Champions-League-Qualifikanten RSC Anderlecht aus Belgien.
Nun, da die Nachricht seines anstehenden Fortgangs vom 1. FC Nürnberg in der Welt ist, klingen die Worte, die René Weiler vor zwei Wochen nach der verlorenen Relegation gegen den Erstligisten Eintracht Frankfurt sprach, beim abermaligen Abspielen deutlich nach einer Abschiedsplatte. Er sei einfach "ein Stück weit nüchtern", hatte Weiler gesagt, er sprach von einem "Qualitätsunterschied" seiner Mannschaft im Vergleich zum Team der Frankfurter. Und er sprach auch davon, "dass es mehr bedarf, wenn wir künftig an der Zweitligaspitze oder in der ersten Liga mitspielen wollen." In den Tagen danach ist Weiler offenkundig zu dem Ergebnis gekommen, dass er auf dieses Mehr, das im Fußballgeschäft eben sehr oft ein finanzielles Mehr bedeutet, beim 1. FC Nürnberg vergeblich warten wird. Und als dann die Manager des belgischen Spitzenklubs RSC Anderlecht an ihn herantraten, da sah René Weiler wohl die Gelegenheit, zu einem dreimaligen Europapokalsieger zu wechseln, der in der kommenden Saison in der Qualifikation für die Champions League an den Start geht. Und der - dies wäre der Zucker auf der Sahne - wohl dazu in der Lage ist, ihm ein höheres Salär zu bieten. Sportvorstand Andreas Bornemann, der das Interesse der Belgier gegenüber der Nürnberger Zeitung inzwischen bestätigt hat, darf das Werben um Weiler, der beim Club noch bis 2017 unter Vertrag steht, einerseits als Chance begreifen. "Es macht ja wenig Sinn, jemanden mit Verweis auf die Vertragslaufzeit zu knebeln", sagte Bornemann. Ein Verhandlungsmarathon mit großen Feilschereien wäre sicher nicht zu erwarten. Eine Ablöse im niedrigen siebenstelligen Bereich dürfte für den 42-Jährigen ohne allzu prächtige Phantasie fällig werden. Bornemann könnte das Geld gut gebrauchen, steht er doch beim Club vor der undankbaren Aufgabe, mit einem mittleren Zweitliga-Budget ein Spitzenteam zu formen, um ein Schicksal ähnlich dem des 1. FC Kaiserslautern abzuwenden. Der wähnt sich ja seit Jahren wie festgetackert im fußballerischen Unterhaus. Es sei "aktueller denn je, dass Trainer herausgekauft werden", sagte Bornemann; auch dies klang nicht gerade so, als würde er eine Blockadestrategie fahren. Nürnbergs wichtigste Aufgabe: Weitere Finanzstrafen verhindern Finanzvorstand Michael Meeske hat unlängst einen rigiden Sparkurs angekündigt. Die Zeiten, in denen unter Bornemanns Vorgängern Martin Bader und Ralf Woy noch prunkvolle Kader zusammengestellt werden durften, die auf den sofortigen Wiederaufstieg getrimmt waren, sind vorbei. Zu Beginn der vergangenen Saison hatte Bader noch neun Spieler verpflichtet, obwohl der Club in diesem Transfersommer bereits vor dem finanziellen Kollaps stand. Bevor Bader im September zusammenpackte am Valznerweiher, um zu Hannover 96 zu wechseln, teilte er noch mit, der Club sei "wirtschaftlich kerngesund, nahezu schuldenfrei". Das sah die Deutsche Fußball-Liga (DFL) im Winter anders: Sie bürdete den Nürnbergern eine Strafe im hohen sechsstelligen Bereich auf wegen Verschlechterung der Eigenkapitalquote. Die Hauptaufgabe von Meeskes und Bornemann besteht darin, eine weitere Sanktion der DFL zu verhindern, Wiederholungstätern droht ein Punktabzug. Andererseits buhlen die Belgier schon auch zur Unzeit um Weiler, der ja so etwas wie ein Glücksgriff war für den Club, weil er immerhin die Relegation erreichte. Bornemann droht nun die bei Sportchefs unbeliebte Aufgabe, ohne Unterstützung eines Cheftrainers eine Mannschaft zusammenstellen zu müssen. Zumal sich zwei Kandidaten, die auch für den Club infrage gekommen wären, zuletzt für andere Vereine entschieden: Kosta Runjaic wechselte zum TSV 1860 München, Tayfun Korkut nach Kaiserslautern. Viel Zeit bleibt Bornemann nicht. Am 27. Juni ist Trainingsauftakt am Valznerweiher.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wuerth-werkzeug-haendler-waechst-und-plant-mehr-im-netz-1.3497948
mlsum-de-9696
Der Familienkonzern möchte beides: Den ohnehin schon starken Außendienst aufstocken und mehr Handel im Internet betreiben. Für 2016 meldet die Firma aus Künzelsau erstmal Rekordumätze.
Der Trend bei Bilanz-Pressekonferenzen geht eigentlich zum krawattenlosen Hemd. Beim Werkzeug-Handelskonzern Würth ist das noch kein Thema: Alle vier Mann auf dem Podium tragen Schlips, Brille und akkurat gescheitelte Haare - jeweils von links nach rechts. Der biedere Eindruck täuscht allerdings, das Familien-Unternehmen aus dem baden-württembergischen Künzelsau ist sehr forsch unterwegs. Für 2016 vermeldet die Würth-Gruppe neue Rekorde bei Umsatz und Mitarbeiterzahl. Und für 2017 kündigt sie die Einstellung von 1600 weiteren Außendienst-Mitarbeitern und den Aufkauf weiterer Firmen an. Derzeit beschäftigt Würth in 80 Ländern mehr als 72 000 Mitarbeiter. Sie haben im vergangenen Jahr 11,8 Milliarden Euro Umsatz und 615 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Ein besonderes Merkmal der Würth-Gruppe ist: Fast die Hälfte der Belegschaft ist im Außendienst als Verkäufer tätig. Umso überraschender ist, dass das Unternehmen 15 Prozent seines Umsatzes via Internet abwickelt. Diesen Anteil will das Management bis ins Jahr 2020 sogar auf ein Fünftel steigern. Die Adolf Würth Gmbh & Co KG wird meist als Schrauben-Hersteller tituliert - doch das ist so unpassend, als würde man Daimler einen Radmuttern-Verkäufer nennen würde. Würth produziert auch Leiterplatten, Hydraulikschläuche, Arbeitskleidung und chemische Produkte. Würth ist im Elektro-Großhandel aktiv und besitzt eine Bank und ein Hotel. Der Konzern bietet auch eine Art Amazon-Prime-Service für Handwerker an. Der Kunde kann Schrauben und Werkzeug per App bestellen und bekommt alles binnen drei Stunden auf die Baustelle geliefert. Wenn es noch schneller gehen muss, liegt das Material in 60 Minuten in der nächsten Würth-Niederlassung zur Abholung bereit.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wettbewerbsverfahren-google-droht-milliardenstrafe-aus-bruessel-1.2957927
mlsum-de-9697
Die EU-Kommission verschärft ein Wettbewerbsverfahren gegen den US-Konzern: Missbraucht Google seine Marktmacht beim Smartphone-Betriebssystem Android?
Im Streit um das von Google entwickelte Smartphone-Betriebssystem Android droht dem Konzern eine Milliardenstrafe aus Brüssel. Die Europäische Kommission hat am Mittwoch das Wettbewerbsverfahren gegen den US-Konzern verschärft. Ermittlungen ließen darauf schließen, "dass Google durch sein Verhalten den Verbrauchern eine größere Auswahl an mobilen Anwendungen und Dienstleistungen vorenthält, Innovationen anderer Unternehmen bremst und damit gegen die EU-Kartellvorschriften verstößt", sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Die Brüsseler Behörde hat Android schon seit mehr als einem Jahr im Visier. Bis zuletzt trieben die Kartellwächter ihre Untersuchungen voran. Und was sie sahen, gefiel ihnen nicht. Die Experten der Brüsseler Behörde analysierten die Vereinbarungen von Google mit Handyherstellern und Mobilfunkanbietern. Ihr Vorwurf: Der Konzern könnte neuen App-Anbietern den Zugang zu Kunden abgeschnitten haben, indem das Unternehmen auf den Geräten die Vorinstallation einiger Google-Anwendungen vorschreibe. Android ist das weltweit dominierende Betriebssystem bei Smartphones. Im Mittelpunkt der Brüsseler Untersuchungen steht die Frage, ob Google die Entwicklung und den Marktzugang konkurrierender Dienste behindert. Einige Unternehmen werfen Google vor, eine marktbeherrschende Position zu missbrauchen, indem der Konzern eigene Dienste prominent auf den Geräten platziere. In Europa werden die weitaus meisten Android-Geräte mit vorinstallierten Google-Diensten verkauft. Das Betriebssystem ist offen und kostenlos. Sobald ein Hersteller aber Google-Dienste auf seinen Android-Geräten anbieten will, muss er eine Lizenzvereinbarung mit dem Internet-Unternehmen abschließen. Der Android-Fall ist nicht das einzige Problem, das die Europäische Kommission mit Google hat. Die Behörde verdächtigt den amerikanischen Konzern außerdem, mit seiner Suchmaschine eigene Angebote zu bevorzugen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zufolge wird derzeit die Antwort Googles auf die Beschwerdepunkte aus Brüssel ausgewertet. Dies könne einige Zeit dauern. Wie im Android-Fall ist auch hier eine Strafe von bis zu 7,4 Milliarden Dollar möglich, zehn Prozent des Google-Umsatzes im vergangenen Jahr. Die Google-Mutter Alphabet weist die Vorwürfe zurück. Die Ermittlungen werden von EU-Kommissarin Vestager vorangetrieben. Sie hatte sich gefragt, ob Google seine Marktmacht als Suchmaschinenbetreiber ausnutzt, um Millionen von Nutzern auf die Preisvergleichsseite "Google Shopping" zu lenken. Und das, obwohl andere Anbieter womöglich niedrigere Preise und eine größere Auswahl bieten. Dass die Europäische Kommission entschieden gegen Google vorgeht, ist nicht ganz neu. Vestagers Vorgänger Joaquín Almunia wollte sich bereits mit dem US-Konzern einigen und den Fall mit einem Vergleich abschließen. Doch Vestager hat sich darauf nicht eingelassen, sie will die Frage grundsätzlich klären. Die Sache mit der Suchmaschine dürfte noch etwas dauern. Jetzt soll es erst mal um das Betriebssystem Android gehen. Am Ende könnte es für Google ziemlich teuer werden.
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tarifstreit-verdi-droht-post-mit-unbefristetem-streik-1.2507015
mlsum-de-9698
Die Gewerkschaft Verdi kündigt nach Verstreichen eines Ultimatums im Tarifstreit mit der Post einen langen Streik an. Dauer und Zeitpunkt nennt sie noch nicht. Die Post nennt die Ankündigung "komplett unangemessen".
Post will sich erst nächste Woche zum Verdi-Vorschlag äußern Die Gewerkschaft Verdi hat sich nach Verstreichen eines Ultimatums noch nicht auf neue Ausstände bei der Post festgelegt. Unbefristete Streiks seien "ab sofort möglich", teilte sie mit. Termine oder konkrete Maßnahmen nannte Verdi aber zunächst nicht. Ursprünglich wollte die Gewerkschaft die Tarifverhandlungen für gescheitert erklären, wenn die Post ein Verdi-Angebot nicht annehme. Der Konzern will sich erst Anfang kommender Woche zu der Forderung der Gewerkschaft äußern. Dass Verdi eine Frist gesetzt habe, zeige, dass der Vorschlag nicht ernst gemeint und lediglich Taktik sei, erklärte das Unternehmen. "Das Stellen eines einseitigen Ultimatums lässt jeglichen Willen zu einer Einigung am Verhandlungstisch vermissen." Die Verdi-Ankündigung sei "komplett unangemessen". Der Bonner Konzern werde alles tun, um die Auswirkungen eines unbefristeten Ausstands auf die Kunden zu begrenzen. Paketzusteller aus regionalen Gesellschaften sollen Haustarif bekommen Gestritten wird über die Arbeitsbedingungen von rund 140 000 Beschäftigten. Vor allem aber will Verdi erreichen, dass rund 6000 Paketzusteller aus regionalen Gesellschaften in den Haustarif der Post zurückkehren. Dafür würde die Gewerkschaft für 2015 auf eine lineare Lohnerhöhung verzichten - sie fordert allerdings eine Einmalzahlung von 500 Euro und ein Lohnplus von 2,7 Prozent im kommenden Jahr. Das Angebot sei bereits ein Kompromiss und entlaste die Post, betonte Verdi-Vize Andrea Kocsis. Sie warf dem Unternehmen vor, sich nicht zu bewegen. Die Arbeitgeber hatten zuvor skeptisch auf den Vorschlag der Gewerkschaft reagiert. Er löse nicht das strukturelle Problem, dass die Post doppelt so hohe Löhne zahle wie viele Wettbewerber. Die Post müsse wettbewerbsfähiger werden, sonst sei die Zukunft des Unternehmens in Gefahr.
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Der Kenianer Eliud Kipchoge festigt beim Berlin-Marathon seine Stellung als Bester der Gegenwart. Sein Erfolg beruht auf einem verblüffend einfachen Leben.
Eliud Kipchoge aus Eldoret in Kenia hatte sich gut gefühlt, den ganzen Sonntagvormittag schon. Er hatte sich mutig mit der Spitzengruppe ins Rennen gestürzt; sie liefen die ersten Kilometer in 2:45 Minuten, Weltrekordtempo. Er ließ sich nicht die Laune davon verhageln, dass über Berlin dichte Wolken hingen und die Straßen von Pfützen gesäumt waren, so dass bei jedem Schritt Wasser an die Beine spritzte und die Wärme aus den Muskeln trieb. Er wusste nach wenigen Kilometern, dass es mit dem Weltrekord nichts werden würde, also widmete er alle Gedanken dem Sieg. Er hatte nach 30 Kilometern nur noch Guye Adola im Schlepptau, einen erfahrenen Halbmarathonläufer aus Äthiopien, der sich noch nie auf den Marathon gewagt hatte. Kipchoge verfiel auch nicht in Panik, als Adola sich nach 36 Kilometern davonstahl, ganz kurz. Er traf schließlich nach 2:03:34 Stunden im Ziel ein, Adola nach 2:03:47, so schnell war noch niemand seinen ersten Marathon gelaufen. Aber diesem 32 Jahre alten Topläufer war nicht beizukommen; die Organisatoren hätten die letzten Kilometer in die Spree verlegen können, Kipchoge hätte vermutlich auch im Freistilschwimmen gewonnen. "Das war mein bislang härtester Marathon", sagte er später, "aber ich habe jede Minute davon genossen." Gut, ein wenig war der 44. Berlin-Marathon schon vom Skript abgewichen. Die Organisatoren hatten einen Dreikampf um den Weltrekord ausgerufen, zwischen Kipchoge, Landsmann Wilson Kipsang und Äthiopiens Edelläufer Kenenisa Bekele. Aber Bekele verließen schon zur Halbzeit die Kräfte, er stieg aus, und Kipsang blieb nach 30 Kilometern einfach stehen. Den Weltrekord verpasste Kipchoge freilich auch, die 2:02:57 Stunden, die Dennis Kimetto vor drei Jahren in den Berliner Herbst gemalt hatte. "Ein bisschen schade", fand Renndirektor Mark Milde. Aber das war vielleicht gar kein schlechtes Zeichen für eine Szene, die nach diversen Dopingaffären unter chronischem Glaubwürdigkeitsmangel leidet. Ein Weltrekord lässt sich halt nicht so einfach verrücken, schon gar nicht auf nassen Straßen. Und während bei den Frauen die Kenianerin Gladys Cherono gewann (2:20:23), nutzte Kipchoge den Sonntag, um eine beeindruckende Botschaft zu unterstreichen: dass er die Vergangenheit und Gegenwart des Marathons ist, vermutlich auch noch ein bisschen die Zukunft. Er selbst würde derartige Ansprüche freilich nie erheben, er redet wenig und sanft, Allüren sind ihm fremd. Seine Frau und Kinder wohnen in einer geräumigen Wohnung in Eldoret, Kipchoge aber, der mehrfache Millionär, trainiert die meiste Zeit in einem einfachen Camp im kenianischen Kaptagat, auf 2400 Metern. Er steht um fünf Uhr morgens auf, eine Dreiviertelstunde später schiebt er sich über die ruppigen, aschroten Pisten, bis zu zwölf Läufer im Schlepptau, Weltklassemänner wie Abel Kirui und Geoffrey Kamworor. Ein Dauerlauf dauert bis zu 30 Kilometer, 3:10 Minuten pro Kilometer. Später, nach der zweiten Einheit des Tages, kümmern sich die Läufer um das Camp, die einen sammeln Gemüse für das Abendessen, Kipchoge, der Millionär, holt derweil schon mal Wasser aus dem nächstgelegenen Brunnen oder putzt die Toiletten. Während seine Konkurrenten ihm mit wissenschaftlicher Hilfe beikommen wollen, sucht Kipchoge die Raffinesse in der Einfachheit. Wer an der Spitze bleiben will, muss die Entbehrung suchen, so sieht er das.
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Nach sechs Monaten Pause könnte der Nationalspieler in den Dortmunder Kader rücken. RB Leipzig schafft seine Gehaltsobergrenze für Spieler ab.
Bundesliga, Borussia Dortmund: Nach fast sechsmonatiger Leidenszeit steht Marco Reus vor seinem Comeback beim Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Der seit zwei Wochen wieder voll belastbare Nationalspieler hat nach seiner langwierigen Verletzung im Adduktorenbereich intensiv an seiner Rückkehr gearbeitet und könnte im Top-Spiel gegen den FC Bayern München am Samstag um 18.30 Uhr zumindest wieder in den Kader rücken. BVB-Coach Thomas Tuchel bestätigte das bislang zwar nicht, könnte dies aber in der Pressekonferenz vor dem Bayern-Spiel am Freitag thematisieren. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke äußerte sich in der Sport-Bild bereits zuversichtlich. "Gegen Bayern steht uns hoffentlich zum ersten Mal wieder unsere Mannschaft in kompletter Stärke zur Verfügung. Dann geht für uns die Saison erst richtig los." Reus hatte seine bislang letzte Partie am 21. Mai im Pokal-Endspiel gegen den FC Bayern München bestritten. Wegen einer Entzündung und eines Einrisses am Adduktorenansatz musste der BVB-Profi auch auf die Europameisterschaft verzichten. Bundesliga, RB Leipzig: Angesichts des sportlichen Erfolgs will Bundesliga-Aufsteiger RB Leipzig in den kommenden Jahren kontinuierlich die Spielergehälter erhöhen. Die bisher intern festgesetzte Gehaltsobergrenze von drei Millionen Euro gelte nicht für die nächsten Jahre, sagte Sportdirektor Ralf Rangnick im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Dabei sollen auch die Spieler davon profitieren, "die mit dazu beigetragen haben, dass wir da sind, wo wir jetzt sind." Als Aufsteiger stehen die noch ungeschlagenen Sachsen nach bisher zehn Saisonspielen punktgleich hinter Tabellenführer FC Bayern München auf dem zweiten Rang. Für den sportlichen Erfolg ist laut Rangnick vor allem Trainer Ralph Hasenhüttl verantwortlich. "Der Trainer ist der entscheidende Faktor. Ohne die Arbeit von ihm und seinem Stab wären wir nicht da, wo wir jetzt in der Tabelle stehen", sagte er. "Hier wird fantastisch gearbeitet und das in einer zwischenmenschlich völlig harmonischen Atmosphäre." TV-Gelder, 2. Bundesliga: Die Zweitligisten sind offenbar die Verlierer beim Kampf um die Verteilung der TV-Milliarden im deutschen Profifußball. Laut des kicker erhalten die Zweitliga-Klubs ab der Saison 2017/18 weniger als die bisherigen 20 Prozent aus den nationalen Einnahmen. Durchgesetzt haben sich dagegen wohl die Traditionsvereine mit ihrer Forderung, wonach neben den sportlichen Kriterien zukünftig auch die sogenannten weichen Faktoren wie Fanaufkommen und TV-Einschaltquoten bei der Verteilung berücksichtigt werden sollen. Der kicker bezieht sich in seinem Bericht allerdings nur auf die 4,64 Milliarden Euro, die es national für die vier Spielzeiten von 2017/18 bis 2020/21 gibt. Was mit den rund 1,3 Milliarden Euro aus der internationalen Vermarktung wird, ist unklar.Die Deutsche Fußball Liga (DFL) will am 24. November den neuen Verteilungsschlüssel, der vom Ligavorstand erarbeitet wurde, öffentlich machen. Zuvor werden die Vertreter der Klubs bei einer "Informationsveranstaltung" unterrichtet. Tennis, ATP-Finale: US-Open-Sieger Stan Wawrinka hat seine letzte Chance auf eine Halbfinal-Teilnahme bei der ATP-WM in London gewahrt. Der Schweizer besiegte am Mittwochabend Marin Cilic in 1:58 Stunden mit 7:6 (7:3), 7:6 (7:3) und kann damit aus eigener Kraft den Einzug unter die letzten Vier beim Jahresabschluss der Tennisprofis in der britischen Hauptstadt perfekt machen. Dazu müsste er am Freitag den Weltranglistenersten Andy Murray in zwei Sätzen schlagen oder auf einen Ausrutscher von Kei Nishikori hoffen. Der Schotte hatte den Japaner am Nachmittag in einem Marathon-Match in 3:20 Stunden mit 6:7 (9:11), 6:4, 6:4 besiegt und führt die Gruppe "John McEnroe" aktuell an. Der Kroate Cilic hat nach zwei glatten Niederlagen keine Chance mehr auf das Weiterkommen.